16 4 Sitzunz am 7. Deswegen, meine ich, ſollten wir die Frage nicht ſo leicht nehmen, wir ſollten uns auch nicht etwa mit der bloßen Kenntnisnahme begnügen, wir ſollten auch nicht darauf warten, bis es dem Magi⸗ ſtrat gefällt, dieſe oder jene Deputation einzuberufen, ſondern meines Erachtens gibt es hier nur eins. Wir ſollten und ich erhebe das zum Antrag — die Mitteilung des Magiſtrats einem beſonderen Ausſchuß überweiſen, der möglichſt bald zuſammen⸗ tritt, die Frage ganz objektiv prüft und dann hoffent⸗ lich, wenn er zu dem Ergebnis kommt, daß eine Wohnungsnot zu erwarten iſt, auch mit entſprechen⸗ den Vorſchlägen hervortritt. Meine Herren, wenn wir das tun, dann haben wir wenigſtens gezeigt, daß wir entſchloſſen ſind, einer etwaigen Wohnungsnot entgegenzutreten. Dann werden wir es nicht bei einer bloßen Sympathiebekundung belaſſen haben, die Herr Kollege Wöllmer im vorigen Jahre unſerm Antrage gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, ſon⸗ dern dann werden wir den Beweis erbracht haben, daß wir den Worten auch Taten folgen zu laſſen bemüht ſind. Stadtv. Dr. Liepmann (zur Geſchäftsordnung): Ohgleich ſich Herr Kollege Hirſch nicht mit dem Aus⸗ druck der Sympathie begnügen will, möchte ich für meine Freunde dieſe erklären, ſewie weiter, daß wir dem Ausſchußantrag zuſtimmen, aber jetzt den Antrag auf Schluß der Debatte ſtellen, da die ganze Frage ja im Ausſchuß ausführlich diskutiert werden wird. (Der Antrag wird genügend unterſtützt, aber der Schluß der Debatte ſelbſt in der Abſtimmung nach Probe und Gegenprobe abgelehnt.) Stadtv. Bergmann: Meine Herren! Ich kann dem Gedankengange der Herren Hirſch und Katzen⸗ ſtein nicht folgen, ich ſtimme vielmehr meinem Freunde Wöllmer zu, wenn er ſagt, daß er gleich dem Magiſtrat eine abwartende Stellung einnehme. Wir wiſſen, daß jetzt im Kriege alles im Fluß iſt, aber nichts ſo ſehr wie die Erwägungen über den Kleinwohnungsbau, über das Siedlungsweſen uſw. In dieſem Augenblick wäre es doch mindeſtens ver⸗ fehlt, wenn wir den Magiſtu⸗t dazu drängen wollten, irgendeinen entſcheidenden Schritt zu tun, der uns vielleicht teuer zu ſtehen kommen könnte. Insbeſon⸗ dere ſo lange Hürfte er es nicht tun, bis nicht voll⸗ ſtändig klare Verhältniſſe geſchaffen ſind. Meine Herren, ich will nicht etwa ſagen, daß hier ein Ueberfluß an Kleinwohnungen beſteht, das wäre ja vermeſſen; aber es beſteht auch kein zu großer Mangel, und ich glaube, die berufenſten Beurteiler dieſer Lage ſind die Vorfttzenden der Kriegshilfs⸗ kommiſſionen. Ich ſpreche nicht nur aus meiner Kenntnis der Dinge heraus, ſondern ich habe mich auch mit anderen Kollegen darüber unterhalten, die genau das gleiche ſagen, daß nicht ein einziger Fall vorgekommen iſt, in dem eine Familie eine Klein⸗ wohnung nicht erhalten hätte. Nun müſſen wir be⸗ denken, daß während des Krieges nicht etwa eine Ab⸗ wanderung nach oben, alſo nach den Mehrzimmer⸗ wohnungen ſtatigefunden hat, ſondern unbedingt eine Abwanderung nach unten, d. h. alſo, daß die Leute, die früher 4 Zimmer hatten, während des Krieges eine Wohnung mit 3 Zimmern genommen haben, diejenigen, die 3 Zimmer hatten, ſich mit 2 Zimmern begnügen uſw. Es iſt als ſicher vorauszuſehen, daß Februar 1917 — nach dem Kriege aller Wahrſcheinlichkeit nach das umgekehrte Verhältnis eintreten wirdd. (Stadtv. Hirſch: Das Gegenteil1) 2 — Nein, das iſt Anſichtsſache, und meine Erfahrun⸗ gen ſprechen dafür; ich bin ganz anderer Anſicht. Ich bin feſt überzeugt, Saß, wenn wir Frieden und einen guten Frieden erhalten, den wir ja erhoffen, dann eine Abwanderung nach oben eintreten wird. Fraglich iſt es, ob wir einen Ueberfluß an Mittel⸗ wohnungen haben werden. Es wird wahrſcheinlich viel eher der Fall eintreten, daß wir hier ein Manko haben. . . heute weiß ich von Kollegen, die ihre großen Wohnungen in ſolche von 3, 4 und 5 Zimmer geteilt haben, daß dieſe Wohnungen ſehr ge⸗ ſucht ſind. 5 Nun möchte ich gern einmal erfahren, wie ſich die Freunde der Herren Hirſch und Katzenſtein über⸗ haupt die Ausführung des Baues von Kleinwohnun⸗ gen denken. Arbeiter ſind nicht zu haben, da ſie für ganz andere notwendige Zwecke gebraucht werden, und ſelbſt kurz nach dem Kriege wird es nicht viel anders ſein. Aber eins wird mit aller Sicherheit eintreten, nämlich eine außerordentliche Erhöhung der Preiſe nach dem Kriege. Sachverſtändige Leute ſchätzen dieſe Erhöhung auf nicht weniger als 30 bis 50%. Und was wird die Folge ſein? Die Stadt, die das Wagnis unternehmen ſoll obwohl es ihr eigentlich nicht zuſteht, da es in erſter Reihe Sache des Staates iſt, dafür zu ſorgen —, müßte dieſe Wohnungen zu hohen Preiſen ausbieten, ſelbſt wenn ſie das Geld zinslos hergäbe. Oder es müßte der andere Fall eintreten, daß die Stadt ſagt: ich ver⸗ miete die Wohnungen ſehr billig. Und was wäre dann die Folge? Die jetzigen Hausbeſitzer, die auf das Vermieten angewieſen ſind, würden in ſchwere Bedrängnis kommen, wenn jetzt die Stadt als Kon⸗ furrent aufträte. Alſo ich meine, wir ſollten uns doch vorſehen und keinesfalls den Magiſtrat drüngen, in dieſem Augenblick vielleicht unüberlegte Beſchlüſſe zu faſſen, da wir ſelbſt nicht wiſſen, wie es in Zu⸗ kunft werden wird. Meine Herren, es kann auch noch ein anderer Fall eintreten. Es iſt möglich, daß wir nach dem Kriege eine Induſtrie nach Charlottenburg bekämen, was ich von Herzen wünſchen würde. Dann wäre es ja auch möglich, daß große Geſellſchaften für ihre Arbeiter ſelbſt bauen, was außerordentlich wünſchens⸗ wert wäre. Aber ſelbſt wenn das nicht geſchähe, wäre es immer noch Zeit, daß die Stadt die Sache in die Hand nähme. Ich kann von einer akuten Wohnungsnot, von der der Kollege Hirſch ſpricht, abſolut nichts wahr⸗ nehmen, und ob ſie nach dem Kriege ſein wird, iſt doch zum mindeſten ſehr zweifelhaft. Das ſind doch nur Vorahnungen, auf die hin wir doch nicht bauen und uns in ungeheure Unkoſten ſtürzen können, wir, die einzige Stadt von Groß⸗Berlin. Eine Klein⸗ wohnungsnot iſt hier nicht vorhanden, und nach dem, was ich gehört habe, glaube, ich, daß in der Stadt Berlin ſelbſt eher ein Ueberfluß an Kleinwohnungen u verzeichnen iſt. Ich würde eben deshalb im Gegen⸗ 25 zu den beiden Herren den Magiſtrat bitten, ſich von dem Wege ruhiger Ueberlegung in keiner 4 ſe abbringen zu laſſen. , (Ein erneut geſtellter Antrag auf Schluß der Debatte wird genügend unterſtützt und angenommen.) 4