28 glückliche Zukunft früher, als wir es erhoffen, die Segnungen des Friedens beſchert. Dieſe Hoffnung können wir heute kaum haben, und ſo wird Herr Kollege Meyer, der damalige Ausſchuß und mit ihm die Stadtwerordnetenwer⸗ ſammlung der Meinung ſein, daß die Prüfung die Bejahung ergeben wird. Ich richte daher namens meiner Freunde an den Magiſtrat die Bitte, uns doch nicht allzu lange auf das Reſultat dieſer Prü⸗ fung warten zu laſſen. 0 Bei dieſer Gelegenheit möchte ich auch auf die Arbeitsloſigkeit hinweiſen, die durch die Maßnah⸗ men der Regierung auf dem Gebiete der Tertilin⸗ duſtrie in dieſem Gewerbe eingetreten iſt. und dabei mitteilen, daß Berlin und Neukölln bereits eine be⸗ ſondere Erwerbsloſenunterſtützung für die Erwerbs⸗ loſen der Tertilbranche eingeführt haben. Ich möchte anregen, daß auch Charlottenburg dieſen Punkt in Erwägung zieht. Im übrigen können wir ja natürlich als Stadt⸗ gemeinde bei der Geſtaltung unſerer Ernährungs⸗ verhältniſſe nicht das leiſten, was in mehr oder minder temperamentvoller Weiſe, je nach der Ver⸗ anlanung des einzelnen, von denjenigen, die ihrem gepreßten Herzen in Verſammlungen Luft machen und die durch die Not des Tages, dazu gedrängt werden, verlangt wird. Denn letzten Endes kann die Stadtverwaltung auf dem Gebiete der Lebens⸗ mittelverſorgung ja doch nur eine Verteilung vor⸗ nehmen; ſie iſt, wie es der Herr Oberbürgermeiſter einmal bei einer der letzten Debatten darüber aus⸗ gedrückt hat, eigentlich weiter nichts als der Brief⸗ träger übergeordneter Behörden. Die Stadtverwal⸗ tung kann eben nur das verteilen, was ihr zuge⸗ wieſen wird. Freilich ſoll ſie für eine möalichſt ge⸗ rechte Verteilung ſorgen, und zu dieſem Zwecke iſt eine ſtarke Kontrolle notwendig. Aber auch da kön⸗ nen wir ja nur ſagen: wenn Ich Mißſtände heraus⸗ ſtellen — und es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Beſchwerden —, ſo müſſen ſie zur Kenntnis der zuſtändigen Inſtanzen gebracht werden, und es ſoll nach Möglichkeit für Abhilfe geſorgt werden. Freilich gebe ich mich nicht der frohen Hoffnung hin, daß auch beim beſten Willen der zuſtändigen Be⸗ hörden des Magiſtrats alle Beſchwerden verſchwin⸗ den werden. Mit welchen Schwierigkeiten die Stadtwerwal⸗ tung zu rechnen hat, dafür iſt ja auch ein kleines Beiſpiel das Schickſal unſerer Kakaobeſtände, die die Stadtverwaltung ſchon vor einigen Jahren zu einem noch mäßigen Preiſe aufgekauft und jetzt auch zur Verſorgung von Schulkindern mit Kakao abge⸗ geben hat, eine außerordentlich nützliche und ſegens⸗ reiche Einrichtung, die aber dadurch ſtark in Frage geſtellt iſt, daß der Stadtverwaltung 80% des von ihr aufgekauften Vorrats beſchlagnahmt worden ſind, eine Maßregel, die ich zwar außerordentlich bedaure, bei der ich mich aber bei dem gegenwärtigen Stand der Verhältniſſe und meiner Kenntnis durchaus jeder Kritik enthalten muß. Ich weiß nicht, ob nicht dieſe Beſchlagnahme in Berückſichtigung höhe⸗ rer Intereſſen durchaus notwendig war. Das ent⸗ zieht ſich meiner Kenntnis. Deswegen kann ich eine ſolche Maßnahme zwar bedauern: aber einer Kritik würde ich mich im gegenwärtigen Stadium durch⸗ aus enthalten. , Man ſagt ja freilich und nicht mit Unrecht, wenn man den Magiſtrat in bezug auf Mängel, die bei unſerer Leebnsmittelbeſchaffung vorhanden ſind, Sitzung am 21. Febru ir 1917 entlaſten will: der Schuldige iſt nicht der Magiſtrat, der Hauptſchuldige iſt die Regierung. Die Regie⸗ rung hat viel zu lange gezögert, ehe ſie überhaupt Maßnahmen ergriff, und ſie hat viel zu ſehr auf die Intereſſen der Agrarier bei ihren Maßnahmen Rück⸗ ſicht genommen. Nun, meine Herren, ich werde das keineswegs beſtreiten, obwohl ich auch da ſagen muß: der Regierung kann ich es nicht verdenken, daß ſie zu Beginn des Krieges nicht mit einer ſo langen Dauer gerechnet hat. Aber ſicherlich wiſſen wir auch, daß die Regierung bei allen ihren Maß⸗ nahmen ſehr ſtarke Rückſichten auf die Intereſſen der Agrarier walten läßt, und daß gegenüber dieſer Rückſichtnahme der Regierung eine ſcharfe Kritik außerordentlich angebracht wäre; aber freilich iſt dazu nicht gerade dieſer Saal die geeignete Stelle. Vergeſſen ſollen wir aber doch nicht, wenn wir dieſe Kritik auch an der Regierung üben und ſie für einen der weſentlich Schuldigen an den mißlichen Verhält⸗ niſſen auf dem Lebensmittelmarkt in Anſpruch nehmen, daß letzten Endes der Hauptichuldige doch noch wo anders ſitzt. Letzten Endes iſt der Haupt⸗ ſchuldige doch der auswärtige Feind und der Kriea, der uns aufgezwungen worden iſt. (Hört! hört! und Sehr rictigl) Ohne die Kriegsverhältniſſe, deren dauer uns gerade durch den auswärtigen Feind aufgezwungen iſt, würde dieſe ganze Lebensmittelnot nicht einge⸗ treten ſein. I möchte alſo doch, ſo ſcharf ich auch die Regierung wegen ihrer Rückß⸗btnahme auf die Intereſſen der Agrarier angreifen möchte, empfeh⸗ len, darüber nicht den eigentlichen Hauptſchuldigen, den auswärtigen Feind, zu vergeſſen. (Zurufe: England!) — Wir führen nicht nur mit England Krieg, wenn allerdings auch England die Führerrolle in ihm hat. Nun, meine Herren, die Gegenſätze, die zwiſchen unſeren Erwerbsſtänden in Deutſchland beſtehen, werden und können durch die Kriegsverh Itniſſe nicht ausgelöſcht werden; ſie werden nach Eintritt des Friedens wieder in verſchärfter Form auftreten und zum Austrag gebracht werden müſſen. Es wird da⸗ bei ſehr ſcharfe Kämpfe geben, weil es ſich ja hier nicht um Fragen handelt, die mit mehr oder minder großem Verſtand oder Intellekt zu löſen ſind, ſondern weil es ſich um Intereſſengegenſätze und Machtgegen⸗ ſetze hondelt, weil es Intereſſengegenſätze ſind, die durch Macht entſchieden und zum Austrag gebracht werden. Bei den gegenwärtigen Verhäſtniſſen aber müſſen dieſe Gegenſätze ſchweigen, ſie können nicht in voller Schärfe zum Austrag gebracht werden. Wir müſſen ſie zurückſtellen, um gemeinſam erſt ein⸗ mal das zu erringen, was den Austrag der Gegen⸗ ſätze ermöglicht: den Frieden. Das Bewußtſein der Gemeinſamkeit freilich wird in einem Gemein⸗ weſen um ſo ſtärker ſein, je demolratiſcher ſeine ge⸗ ſamten Einrichtungen ſind. Deshalb haben wir ein großes Intereſſe an der demokratiſchen Ausgeſtal⸗ tung aller unſerer Einrichtungen, vor allem an einem demokratiſchen Wahlrecht zu den ſtaatlichen und kommunalen Parlamenten. 2/ Damit, meine Herren, möchte ich mich zum Etat zurückwenden, — oder vielmehr ich möchte mich nicht mehr zum Etat und ſeinen Einzelheiten zu⸗ rückwenden; denn über viele der Einzelheiten werden