40 Hier möchte ich nun einen Satz zitieren, der vielleicht dem Herrn Kollegen Dr Borchardt ſehr angenehm klingen wird, das iſt der Satz: „Jeder trage ſeine eigene Laſt“, und ihn anwenden auf das Verhältnis von Kommune zum ſo großem Umfange Wohlfahrtspflege im Kriege übt und ſie damit dem Staate abnimmt, ſo hat ſie auch das gute Recht, zu verlangen, daß ihr alles dasjenige, was ſie an Stelle des Staates geleiſtet hat, auch auf Heller und Pfennig erſtattet wird, und zwar mit den Zinſen, die im vorliegenden Falle, wie Sie ge⸗ hört haben, 155 Millionen ℳ betragen. Um aber dieſe Erſtattung, insbeſondere dieſe Zinserſtattung, die ja für die Geſamtheit der Kommunen im Staate eine ungehener hohe Summe erreichen wird, vom Staate mit Erfolg verlangen zu können, müſſen wir doch auch beſtrebt ſein, dafür zu ſorgen, daß der Staat diejenigen Mittel in die Hand bekommt, die nötig ſind, um den finanziellen Ausgleich nach be⸗ endetem Kriege herbeizuführen. Und da zeigt es ſich, wie falſch der Satz iſt, den Herr Scheidemann mit den Worten geprägt hat: „Jeder trage ſeine eigene Laſt“, wenn man ihn auf das Verhältnis nach außen anwendet, ſtatt wie ich es eben mit Bezug auf unſere inneren Verhältniſſe getan habe. Meine Herren, wenn dieſer Ausſpruch in die Wirklichkeit übertragen würde, dann würde hauptſächlich die breite Maſſe der Be⸗ völkerung, und am meiſten die Arbeiter, darunter leiden, da ſie ja natürlich mit ihren wirtſchaftlich ſchwächeren Schultern dann auch die Laſt mit tragen helfen müßten, von der Herr Scheidemann will, daß ſie allein auf Deutſchland genommen werden ſoll. Ich hoffe, daß die Herren, die hier die ſozialdemokrati⸗ ſchen Ideen vertreten, nicht der Anficht ſind, daß dieſer Satz in der Anwendung auf unſere Feinde ge⸗ recht und richtig iſt, und bin ſicher, daß unſere ſozial⸗ demokratiſch denkenden Bürger nicht mit dieſem Satz übereinſtimmen werden. Meine Herren, die viel ſtärkere Belaſtung der einzelnen, insbeſondere die Belaſtung der breiten Volksſchichten von Staats wegen, wird und muß ein⸗ treten, wie Sie das ja auch ſchon aus einigen Steuer⸗ vorlagen erſehen, die heute veröffentlicht worden ſind. Anders wird, ſelbſt wenn wir die erheblichſten Ent⸗ ſchädigungen in Geld und Land von unſeren Feinden erringen, die Geſundung in unſerm Finanzleben nicht herbeigeführt werden. Für die Städte und für den Kommunalpolitiker kommt dann aber, wenn die Quellen, aus denen die Städte bisher geſpeiſt wur⸗ den, in erhöhtem Maße von Staat und Reich in An⸗ ſpruch genommen werden, die ſchwierige Frage: wo⸗ von ſoll die Kommune weiter ihr Leben friſten, wo⸗ her ſoll ſie diejenigen Mittel nehmen, die nötig ſind, um zu einer Balance gegenüber den Anforderungen zu kommen, die der Krieg und die Kriegswirtſchaft an ſie geſtellt haben. Da werden wir verlangen müſſen, daß eine Aenderung des Kommunalabgabengeſetzes beſchloſſen wird, damit den Kommunen neue Quellen für ihre Einnahmen zur Verfügung geſtellt werden. Was die Werke betrifft, meine Herren, ſo hat Herr Dr Frentzel die Sachlage ſo klar und überſicht⸗ lich dargelegt, daß ich mich enthalten kann, mich hier⸗ über noch weiter zu verbreiten. Ich wende mich nur noch kurz zu den Ausfüh⸗ rungen des Herrn Kollegen Dr Borchardt über die 7. Da glaube ich, der Stadtverwal⸗ 19 Sitzung am 21 Zeugnis ausſtellen zu können, daß ſie voll und ganz ihre Pflicht 980 hat, um die Härten und Schwierigkeiten für die Staat. Wenn die Kommune in evölkerung auf das möglichſtt Februar 1917 geringſte Maß zu beſchränken. Das, was von der Bevötkerung erlitten werden mußte und erlitten wor⸗ den iſt, iſt zunächſt einmal auf die Knappheit der Lebensmittel zurückzuführen, zweitens auf verfehlte Regierungsmaßnahmen, dann aber auch auf die Un⸗ möglichkeit, daß der Smatsſozialismus oder der Stadtſozialismus dasſelbe leiſten kann wie die Ver⸗ teilung in der regelmäßigen Wirtſchaftsform des In⸗ dividualismus. Die Schwierigteiten und Härten treten ja noch täglich und ſtündlich jedem, der durch die Straßen geht, vor Augen. Auch das Polonäſe⸗ ſtehen iſt, wenn auch in abgeſchwächtem Maße, ſo 200 immerhin noch zu beklagen. Da möchte ich mir do die Frage zu ſtellen erlauben, ob es denn nicht mög⸗ lich iſt, dieſes Polonäſeſtehen dad urch zu verringern, daß man jetzt, nachdem die Kundenliſten eingerichtet ſind, erlaubt, Vorausbeſtellungen anzunehmen, auf die hin dann die beſtellten Rationen zu anderen Zeiten abgeliefert werden können als zu Denjenigen, innerhalb denen das ohne Vorbeſtellung kaufende Publikum zum Wareneinkauf vorgelaſſen wird. Man würde doch dadurch jedenfalls zu einem Teil die Zahl der Wartenden und damit auch die Wartezeit ver⸗ mindern und auf dieſe Weiſe zu einer beſſeren Ab⸗ fertigung der geſamten Kundſchaft beitragen, wenn die Vorausbeſtellung vielleicht auch in erſter Linie einer geringeren Anzahl von kaufkräftigeren Perſonen Vorteile bietet. Dann möchte ich mich noch zu der Schwierigkeit der Müllabfuhr wenden. Es ſind mir in dieſer Be⸗ zichung in den letzten Wochen ſehr viele Klagen zu Ohren gekommen. Schriftlich und mündlich iſt mir mitgeteilt worden, daß vier Wochen der Müll nicht abgeholt worden iſt und unglaubliche Zuſtände auf den Höfen großer Miethäuſer beſtehen, Zuſtände, die auch in geſundheitlicher Beziehung durchaus nicht un⸗ bedenklich ſind. Ich verkenne ja nicht, wie ſchwer es jetzt die Geſellſchaft hat, für vollſtändige und pünkt⸗ liche Abfuhr zu ſorgen. Aber wenn man drei und vier Wochen gewartet hat, ſo iſt damit doch der Müll⸗ abfuhrgeſellſchaft ſchon ſo viel Entgegenkommen be⸗ wieſen, daß nunmehr wenigſtens alle Mittel ange⸗ wandt werden müßten, um dieſe Unratmengen aus den Häuſern zu entfernen. Ich möchte den Herrn Oberbürgermeiſter bitten, hier doch eine Vermittler⸗ tätigkeit zu übernehmen und der Geſellſchaft noch⸗ mals, aber recht ernſtlich ans Herz zu legen, daß ſie nun alle Kräfte aufwendet, um ihren Verpflichtungen gerecht zu werden. Meine Herren, ich komme zum Schluß und möchte gerade im Hinblick auf die großen Opfer, die die Bevölkerung in den letzten Wochen gebracht hat, um die Kohlenknappheit und Ernährungsſchwierig⸗ keiten zu überſtehen, hier doch ein Wort der Aner⸗ kennung für dieſe Opferwilligkeit ausſprechen. Es iſt wirklich großartig, es iſt rührend, mit welcher Geduld, mit welcher Hingabe die Charlottenburger Bevölke⸗ rung dieſe letzten Wochen ertragen hat, Wochen, von denen ich hoffe, daß ſie ſich nicht wiederholen, ſon⸗ dern daß wir nach und nach zu beſſeren Zeiten auch in dieſer Beziehung kommen werden. Ich möchte aber nicht ſchließen, ohne auch noch unſerer Beamten⸗ ſchaft, der höheren wie der niederen, der beſoldeten wie unſeren Ehrenbeamten ein Wort des Dankes für das enorme Maß der Arbeit auszuſprechen, das ſte geleiſtet haben, um unſere Bevölkerung durch dieſe mren Kriegszeit möglichſt ungefährdet hindurchzu⸗ ren. (Bravo1) , 26 14 ,