Sitzung am 14. März 1917. Vorſteher Dr Frentzel: Wir kommen ſchließlich zu dem Kapitel Außerordentliche Verwaltung des Hauptplans. Berichterſtatter Stadtv. Meyer: Ich beantrage die Annahme. (Die Verſammlung ſtellt den Voranſchlag für die außerordentliche Verwaltung des Hauptplans in Einnahme und Ausgabe ohne jegliche Aenderung feſt.) Vorſteher Dr Frentzel: Damit, meine Herren, iſt der Haushaltsplan in Einnahme und Ausgabe von Ihnen erledigt. Wir gehen zu Punkt 4 der Tagesordnung: Antrag der Stadtv. Bergmann und Gen. betr. An⸗ ſchaffungsamt. Druckſache 13. (Der Antrag lautet: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr in gemiſchter Depu⸗ tation zu beraten, ob und nach welchen Grundſätzen ſich die Einrichtung eines An⸗ ſchaffungsamts empfiehlt.) Antragſteller Stadtv. Bergmann: Meine Herren! Die Beſchaffung der von unſerer Verwal⸗ tung benötigten Gebrauchsgegenſtände erfolgt nach den Vorſchriften für das Verdingungsweſen vom Jahre 1903,04. Sie ſind mit großer Sorgfalt zu⸗ ſammengeſtellt und durch Mitteilung an die Stadt⸗ verordnetenverſammlung vom 18. April 1904 in Kraft getreten. Die dort niedergelegten Grundſätze beſtimmen die Art der Ausſchreibung, ob begrenzt oder unbegrenzt. Sie erſtrecken ſich ſelbſtredend in erſter Reihe auf die großen Objekte des Hoch⸗ und Tiefbaues. Sie regeln die Beſtimmungen über die Zuſchläge, ſie ſehen auch den freihändigen Einkauf bei fleineren Mengen vor. Soweit wäre, ſollte man meinen, alles in Ordnung, und bei der Tüchtigkeit und Zuverläſſigkeit unſerer Beamten darf man wohl annehmen, daß die Vorſchriften auch ſtreng befolgt werden — ich möchte beinahe ſagen: zu ſehr nach dem Buchſtaben des Geſetzes. Meine Freunde ſiind deshalb der Meinung, daß dieſe Vorſchriften mit den Jahren an Brauchbarkeit nicht gewonnen haben und dringend einer Erneuerung in der Weiſe bedür⸗ fen, daß dieſen ſtarren Verordnungen neues Leben eingehaucht werden müßte. Der Herr Oberbürger⸗ meiſter hat auf Wunſch meiner Freunde bereiwilligſt eine Aufſtellung des Verbrauchs in allen Abteilun⸗ gen der Verwaltung anfertigen laſſen und uns ſo⸗ dann zur Verfügung geſtellt. Die Sichtung und ein⸗ gehende Prüfung des Materials erbrachte für meine Freunde die Gewißheit, daß in der Art der Be⸗ ſchaffung des nach Millionen zählenden Verhranchs eine grundlegende Aenderung notwendig ſei, und zwar eine Zuſammenfaſſung des Einkaufs und deſſen lebertragung auf eine kaufmänniſch geſchulte Leitung. Ich will mir verſagen, in dieſem Augenblick auf . der bisherigen Warenbeſchaffung einzu⸗ gehen. u gen legenheit bieten, da ich annehme, daß die Devuta⸗ tion zuſtande kommt. Vorweg muß ich aber ſchon Ich hoffe, es wird ſich dazu genügend Ge⸗ 53 4 ſagen, daß die nach dem Kriege ſicher noch be⸗ tehende große Teuerung — von den großen Kriegs⸗ aufſchlägen ſehe ich ſelbſtverſtändlich ab — uns um ſo mehr zu vorſichtigem, eingehendem, ſtets recht⸗ 1% und fachmänniſchem Einkauf verankaſſen ſollte. Meine Herren, der Beamte hat bei vollſter An⸗ erkennung ſeiner Leiſtungen ſicher nicht immer die erforderlichen Fachkenntniſſe, es fehlt ihm auch die kaufmänniſche Gewandtheit, und ich glaube, er wird ſelbſt froh darüber ſein, wenn man die ihn drückende Laſt von ſeinen Schultern nimmt. Ebenſo wenig können wir dieſe fachmänniſche Erfahrung bei den Mitgliedern der einzelnen Deputationen voraus⸗ ſetzen, und ſchließlich können ſie bei der jetzigen Ein⸗ richtung auch nur einen geringen Einfluß auf die Beſchaffung ausüben. Der Konſum aber, den unſere Verwaltung ſchon heute hat, wird nach dem Kriege ſicherlich eine ungeheure Ausdehnung deshalb er⸗ fahren, weil die aufgebrauchten Läger in großem Maße erſetzt werden müſſen, vielleicht auch dadurch, daß einzelne Artikel, für die jetzt die Verwaltung während des Krieges ſorgt, auch nachher von ihr be⸗ ſchafft werden müſſen: mindeſtens ſollte eine ein⸗ gehende Erwägung darüber ſtattfinden. So ſind meine Freunde einſtimmig zu der Anſicht gekommen, daß die Einrichtung eines Beſchaffungsamtes unter kaufmänniſcher Leitung eine Notwendigkeit iſt. Welche Waren hierunter fallen und fallen ſollen, braucht heute nicht Gegenſtand der Erörterung zu ſein. Annehmen kann man wohl, daß die großen Objekte, wie ich vorhin ſchon erwähnte, des Hoch⸗ und Tiefbaues, Kohlen, Holz und dergleichen hier⸗ unter nicht fallen werden. Meine Herren, wir er⸗ warten hiervon nicht nur eine vorteilhafte Beſchaf⸗ fung der Verbrauchsgegenſtände, die zu großen Er⸗ ſparniſſen führen wird, ſondern auch eine, wenn auch nur beſcheidene Verminderung des Bedarfs, und zwar durch die große kontrollierende Tätigkeit der Leitung, die Hand in Hand mit den Dezernenten der einzelnen Aemter gehen wird; wir erwarten hier⸗ von, daß Artikel, die an einer Stelle nicht gebraucht werden, an einer anderen ihre Auferſtehung feiern werden; wie erwarten von einer ſolchen Leitung, daß ſie rechtzeitig zufaſſen wird, wenn ſich zu vorteil⸗ haftem Einkauf, wenn auch auf lange Zeit im vor⸗ aus, Gelegenheit bietet, und wir erwarten ſchließlich bei unſerm großen Bedarf den Einkauf bei aller⸗ erſten Bezugsquellen. Ob Läger in größerem oder kleinerem Umfange zu unterhalten ſein werden oder ob die Verteilung gleich von vornherein an die ein⸗ zelnen Stellen erfolgen ſoll, das braucht heute nicht crörtert zu werden, das wird ſich ſpäter praktiſch beſſer erledigen laſſen. Das Beſchaffungsamt ſelbſt dürfte mit einer erſten kaufmänniſchen Kraft, der zwei ebenſo fach⸗ männiſch gebildete Angeſtellte zur Seite ſtehen, und vielleicht mit zwei bis drei Perſonen für den Büro⸗ dienſt hinlänglich beſetzt ſein. Die hierfür erforder⸗ lichen, nicht zu hohen Koſten werden wohl zum großen Teil einmal ausgeglichen durch eine Er⸗ ſparung von Beamten oder durch eine anderweitige Verwendung der Beamten, die ſich jetzt mehr oder weniger mit dem Einkauf beſchäftigen. Denn dar⸗ über, glaube ich, wird wohl keine Meinungsverſchie⸗ denheit ſein, daß durch die Einrichtung eines der⸗ artigen Apparats Beamte erſpart werden können; da⸗ zu war denn doch der Krieg ein viel zu guter Lehr⸗ meiſter. 4 2 1