54 Meine Herren, neben dieſem Anſchaffungsamt wäre eine gemiſchte Deputation einzuſetzen, beſtehend aus Mitgliedern des Magiſtrats, der Stadtverordne⸗ tenverſammlung und vielleicht aus fachmänniſch ge⸗ bildeten Bürgerdeputierten. Dieſe Deputation würde wohl die Art feſtzuſtellen haben, nach der einge⸗ kauft werden müßte. Sie würde für die verſchieden⸗ artigen Gegenſtände Fachausſchüſſe bilden und eine kontrollierende Tätigkeit bei Einkauf der Waren aus⸗ üben können. Meine Herren, es iſt ſelbſtverſtändlich wenigſtens bin ich der Meinung —, daß während des Krieges eine Beſetzung eines derartigen Amtes ſehr ſchwierig, ich möchte beinahe ſagen, unmöglich iſt. Aber die Vorbereitungen zu dieſem Amte ſollten ſo rechtzeitig getroffen werden, daß es automatiſch mit Eintritt des Friedens ſeine Tätigkeit aufnehmen könnte. Meine Herren, der Krieg hat ſelbredend auch auf die finanzielle Lage der Städte eine recht ungünſtige Wirkung ausgeübt; er wird das vielleicht in noch höherem Maße auch ſpäter tun. Dieſe nach Mög⸗ lichkeit auszugleichen, ſollte unſere vornehmſte Pflicht ſein. Auch im Kriege ſollen wir nach dieſer Richtung nicht ruhen noch raſten und nicht etwa alles der Zukunft überlaſſen. Wenn wir voll Bewun⸗ derung und Dankbarkeit auf unſer tapferes Heer, auf unſere prächtige Flotte und auf all das blicken, was von ihnen im heißen Ringen um die Exiſtenz und Freiheit unſeres Vaterlandes geleiſtet wird, ſo iſt es doch nicht überflüſſig, darauf hinzuweiſen, daß auch hinter der Front, zu Hauſe, die Kräfte nicht ſchlummern, ſondern nach Möglichkeit angeſpannt werden, um unſere Wehrtraft zu erhöhen. Um das ſo nötige wirtſchaft⸗ liche Durchhalten zu ermöglichen, haben auch wir Um⸗ ſtellungen vornehmen müſſen, und hier waren es nicht zuletzt die Verwaltungen der Städte, die an neue, nie in Betracht gezogene Aufgaben herantraten und unbekannte Wege mit vollſtem Selbſtvertrauen einſchlugen. Und wenn die Ernährungsfragen nicht reſtlos gelöſt ſind, wenn vielfach Klagen darüber laut wurden, die in jedem Falle nicht unberechtigt waren, ſo möchte ich ſagen, daß die ſtädtiſchen Verwaltungen, auch unſere Charlottenburger, hieran ganz gewiß feine Schuld trifft. Dieſe Schuld liegt anderswo; das haben die Verhandlungen im preußiſchen Land⸗ tag vom 7. März, heute vor acht Tagen, mit voller Dentlichkeit erwieſen. Meine Herren, eine neue Zeit beginnt, der wir uns anpaſſen ſollten. Wir werden zuweilen Altes über Bord werfen und ohne Zagen an die Löſung neuer Probleme herangehen müſſen. Eines dieſer Probleme iſt der Antrag meiner Freunde, dem weitere Reformen auf wirtſchaftlichem (Gebiete zur ſteuerlichen Entlaſtung unſerer Bürger⸗ ſchaft und zur beſſeren Ernährung weiter Volksſchich⸗ ten folgen ſollten. Aus allen dieſen Gründen, meine Herren, emp⸗ fehle ich den Antrag meiner Freunde zur einſtimmi⸗ gen Annahme. Ich hoffe, es wird dazu kommen. und ferner, daß der Magiſtrat dieſer Forderung des Tages ſeine ZJuſtimmung nicht verſagt. (Bravo!) Oberbürgermeiſter Dr Scholz: Meine Herren! Der verehrte Herr Vorredner hat nach meinem Gefühl einen Antrag begründet, der gar nicht geſtellt worden iſt; denn er hat ſeine Begründung ſo gefaßt, als ob Sitzung am 14. März 1917 ſeine Freunde den Antrag geſtellt hätten, den Ma⸗ giſtrat zu bitten, Ihnen eine Vorlage betr. Errichtung eines Anſchaffungsamts zu machen. Wenn der An⸗ trag dieſe Faſſung hätte, ſo würde ich leider genötigt ſein, ihm zu widerſprechen. Glücklicherweiſe braucht man ſich aber bekanntlich bei Geſetzen nicht an die Be⸗ gründung, ſondern lediglich an den Wortlaut zu halten, und der Wortlaut des Antrags iſt etwas anders, als ihn die Begründung des geehrten Herrn Rorredners vermuten läßt: er geht nämlich dahin, den Magiſtrat zu erſuchen, mit der Verſammlung in ge⸗ miſchter Deputation zu beraten, o b und nach welchen Grundſätzen ſich die Einrichtung eines Anſchaffungs⸗ amtes empfiehlt. Da der Magiſtrat zu der Frage materiell noch nicht Stellung genommen hat, würde er an ſich in der Lage ſein — und ich bin bereit, das zu erklären —, auf den Boden dieſes Antrages zu treten. Es darf aber nicht ſchon gleich hier der An⸗ ſchein erweckt werden, als ob der Magiſtrat ohne weiteres bereit wäre, die Errichtung eines Anſchaf⸗ fungsamts vorzunehmen. Ich halte es, da ich, wie geſagt, erklären kann, daß der Magiſtrat dem geſtellten Antrag gern ent⸗ ſprechen wird, nicht für erforderlich, in dieſer Stunde auch die Bedenken hervorzuheben, die gegen die Er⸗ richtung eines Anſchaffungsamts ſprechen, Bedenken, die zum allergrößten Teil in Beſchlüſſen der Stadtverordnetenverſammlung be⸗ ruhen, die ſie immer wieder, und zweifellos mit einem gewiſſen Recht, dem Magiſtrat zur Nachachtung empfohlen hat, und zwar noch in den allerletzten Jahren. Alſo, meine Herren, ſtarke Bedenken ſprechen gegen die Errichtung eines derartigen Amts. Es kommt natürlich ganz darauf an, wie man das macht, und daß in dem Grundgedanken etwas Richtiges liegt. bin ich ohne weiteres anzuerkennen bereit. Das geht ja auch ſchon daraus hervor, daß große Städte, auch in unſerer nächſten Nähe, z. B. die Reichshauptſtadt Berlin, erſt vor kurzem die Errichtung eines der⸗ artigen Anſchaffungsamts beſchloſſen haben, allerdings in Berlin, glaube ich, mit dem Zuſatz, daß das erſt nach dem Kriege geſchehen ſollte. Meine Herren, ich reſümiere mich dahin: eine Stellung ſeitens des Magiſtrats heute Ihnen gegen⸗ über materiell einzunehmen, bin ich nicht in der Lage, da der Magiſtrat nicht darüber beſchloſſen hat. Formell kann ich aber erklären, daß der Magiſtrat heute auf den Boden des von Ihnen geſtellten An⸗ trags, nicht der Begründung, tritt, ihm zuſtimmt und gern mit Ihnen in gemiſchter Depu⸗ tation beraten will, ob und nach welchen Grund⸗ ſätzen ſich die Errichtung eines Anſchaffungsamts empfiehlt. (Die Verſammlung nimmt mit großer Mehrheit den Antrag der Stadtv. Bergmann und Gen. an.) Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen zu Punkt 5. der Tagesordnung: . Vorlage , acbehigi⸗n ſür Kapitel v Armenweſen — für 1916.— Druckſache 19. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 2 Folgende Nummern der Ordentl. Verwal⸗ tung, Kapitel Y für 1916 werden in Höhe der