Sitzung am 28. Marz 1917 naliſation zu bearbeiten und zu bauen. Auf einem Ausflug, den ich in einer Tagesreiſe von Berlin nach hierher unternahm, ſuchte ich das zukünftige Feld meiner Tätigkeit einer nähren Prüfung zu unterziehen. Bei dieſer Gelegenheit habe ich die Zuſtände kennen gelernt, die ich mir Ihnen zu ſchil⸗ dern erlaubte. Aus dieſem Grunde ſind ſie mir auch ſo gut im Gedächtnis haften geblieben. Die Zuſtände aber machten auf mich einen derartig ab⸗ ſchreckenden Eindruck, daß ich lange zögerte, das Angebot anzunehmen. Wir gingen, nachdem ich hierher gekommen war, ſofort an die Arbeit. Schon im folgenden Jahr war der Schwarze Graben verſchwunden; denn wir hatten die erforderlichen Kanäle, die im übrigen der endgültigen Kanaliſation dienten, hergeſtellt. und in dieſe leiteten wir den Schwarzen Graben hinein. Damit war die durch ſeinen Anblick und ſeinen Geruch hervorgerufene Beläſtigung beſeitigt. Nach einem ferneren Jahre hatten wir die Freude, die Kanaliſation mit ihrem ſtädtiſchen Kanalnetz, ihrem Pumpwerk und ihrer Druckrohrleitung und dem Rieſelfeld dem Betrieb zu übergeben, und ſeit jener Zeit hat der Schwarze Graben erſt wieder auf unſerm Rieſelfeld das Licht der Welt erblickt. Mit der Herſtellung unſerer Kanaliſation war der Grundſtock zur weiteren Entwicklung unſerer Stadt gelegt; denn ohne Kanaliſation konnte ſich die Stadt unmöglich entwickeln. Dieſe Entwicklung ſetzte prompt und mit einem koloſſalen Erfolg ein. Seit dem Jahre 1890 bis zum Kriege hin hat ſich die Einwohnerzahl Charlottenburgs im großen Durchſchnitt um fährlich 10 000 Einwohner ver⸗ mehrt. 10 000 Einwohner ſtellen die Einwohner⸗ zahl einer mittleren Provinzialſtadt dar. Unſere Aufgabe beſtand alſo darin, für die Aufnahme einer ſolchen Einwohnerzahl fährlich die Vorbedingunaen zu ſchaffen. Die Arbeit war ganz gewaltig; aber ich muß ſagen: ich war in meinem Element. Denn je mehr Arbeit ſich mir bot, deſto ſchöner war es für mich, und ich habe denn auch leichten Herzens einige Lockungen, die an mich von außen heran⸗ traten, ausgeſchlagen, um hier in meinem Beruf zu bleiben. Mit der Vermehrung der Einwohnerzahl Char⸗ lottenburgs wuchs auch ſein Wohlſtand und die Steuerkraft, und das ermöglichte uns, unſeren Wer⸗ ken auch einen entſprechenden äußeren Anſtrich zu geben. So ſehen Sie denn heute das Charlotten⸗ burg vor ſich, das während meiner kommunalen Tätigkeit au gebaut worden und bis zu einer Ein⸗ wohnerzahl von 325 000 angeſchwollen iſt. Seit einiger Zeit hat die Entwicklung von Charlottenburg ihren Höhepunkt überſchritten. Der Krieg hat mit eiſerner Fauſt dazwiſchengegriffen und unſerer Entwicklung Stillſtand geboten. Es ent⸗ ſteht die Frage, wie es mit der Entwicklung in der Zukunft beſtellt ſein wird. Meine Herren, was uns die ferne Zukunft bringen wird, können wir unmöglich überſehen. Wir wollen nur hoffen und wünſchen, daß auch da Charlottenburg wachſen, blühen und gedeihen möge. Aber die nächſte Zukunft, die abſehbare Zeit, liegt vielleicht doch nicht ſo ganz dunkel vor uns, als wir es uns einbilden mögen. Ich ſetze dabei voraus, ja, ich weiß es ſicher, daß wir den Krieg ſiegreich über⸗ ſtehen werden. Dann wird der Glanz des neu zu indenden mitteleuropäiſchen Weltreichs die Haupt⸗ ſtadt Deutſchlands überſtrahlen, und von dieſen 61 Strahlen werden zweifellos auch einige auf Char⸗ lottenburg, die Nachbarſtadt von Berlin, fallen. So werden wir auch nach dem Kriege nach meiner Auf⸗ faſſung eine Vermehrung der Einwohner und damit eine Vergrößerung der Stadt zu erwarten haben. Ganz anders liegen die Verhältniſſe auf dem wirtſchaftlichen Gebiet. Der Krieg hat den Finan⸗ zen aller europäiſchen Staaten viel zu tiefe Wunden geſchlagen, als daß ſie in abſehbarer Zeit geheilt werden könnten. Wir werden uns alſo an Spar⸗ ſamteit gewöhnen müſſen. Aber da mögen wir bei unſeren Vorfahren in Preußen Troſt ſuchen. An dem Herde der preußiſchen Volkswirtſchaft hat viele Jahrhunderte hindurch Schmalhans als Küchen⸗ meiſter geſtanden, und doch hat ſich Preußen, wie wir vor dem Kriege ſagten, groß gehungert. Der Krieg hat uns aber noch eines viel Beſſeren belehrt. Preußen hat ſich mit ſeinen Bundesſtaaten im Deutſchen Reich emporgearbeitet zu der allererſten Nation in der ganzen Welt. Das können wir aus⸗ ſprechen, ohne uns zu überheben und ohne zu über⸗ treiben. Meine Herren, der Wohlſtand hat auch in ge⸗ wiſſer Hinſicht ſeine Nachteile. Auf dem Boden des Wohlſtandes, den wir viele Jahre hindurch vor dem Kriege durchgelebt haben, haben ſich ſchlechte Pflan⸗ zen und Blüten entwickelt, die mit ihrem giftigen Hauch den Volkscharakter, die Gewohnheiten und Sitten des deutſchen Volkes zu verpeſten drohten. Ich glaube, von dieſem Standpunkt aus kann man es vielleicht ſogar begrüßen, daß der Krieg uns ge⸗ zwungen hat und noch zwingen wird, uns auf unſere alte Einfachheit und Schlichtheit zu beſinnen und zu ihr zurückzukehren. Die Einfachheit und Sparſamkeit bietet aber für die Arbeit des ſchaffen⸗ den Menſchen einen ganz beſonderen Reiz. Er hat nicht nur ſein Werk zu planen und es den Bedürf⸗ niſſen entſprechend auszugeſtalten, ſondern er iſt außerdem noch gezwungen, ſeine ganze Intelligenz darauf hinzulenken, mit wenigem Großes zu ſchaf⸗ fen: er muß ſtets das Wort beherzigen: in der Be⸗ ſchränkung zeigt ſich der Meiſter. Ich glaube, meine Herren, wir können, was die weitere Entwicklung unſerer Stadt anbetrifft, guten Muts in die Zukunft ſehen. Schwer wird es uns manchmal werden; aber ich glaube, es wird uns ge⸗ lingen, auch in der Zukunft die weitere Entwicklung unſerer Stadt gedeihlich zu fördern. Ich bitte Sie, meine Herren, bewahren Sie mir auch fernerhin Ihr Wohlwollen. (Andauernder lebhafter Beifall.) Vorſteher Dr Frentzel: Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung: Vorlage betr. Elektrizitätstarif für das-Ledigenheim. — Druckſache 25. (Die Verſammlung leſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 8 Der der Volkshotel⸗Aktiengeſellſchaft Ledigenheim durch Gemeindebeſchluß vom 24. 8.)11. 9. 1907 eingeräumte Elektrizitäts⸗ tarif wird auf weitere 3 Jahre, das heißt bis Ende März 1920, verlängert.) Damit iſt die Tagesordnung bis auf die dring⸗ lichen Anträge, die eingegangen ſind, erſchöpft, und wir kommen nunmehr zum erſten dieſer Anträge: