62 Antrag der Stadtv. Otto und Gen. betr. Laſten⸗ ausgleichspläne. Der Antrag lautet: Die Stadtverordnetenverſammlung möge beſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, bei der Königlichen Staatsregierung und den geſetz⸗ gebenden Körperſchaften geeignete Schritte gegen die ſchwebenden Laſtenausgleichspläne zu tun, deren Ausführung eine ſchwere Beein⸗ trächtigung der Selbſtverwaltung der Groß⸗ Berliner Gemeinden und eine ungerechte Be⸗ laſtung des Finanzweſens eines Teiles dieſer Gemeinden bedeuten würde. Antragſteller Stadtv. Meyer: Meine Herren! Bei der Schlußberatung unſeres Haushaltes habe ich als Berichterſtatter des Steuerkapitels bereits Ge⸗ legenheit gehabt, auf die Gefahren hinzuweiſen, die unſerer Selbſtverwaltung durch den von den öſtlichen Groß⸗Berliner Gemeinden angeſtrebten Laſtenaus⸗ gleich drohen. Seitdem iſt die Angelegenheit noch dringlicher geworden, da die Mehrheit des Preußi⸗ ſchen Abgeordnetenhauſes eine diesbezügliche Pe⸗ tition jener Gemeinden der Königlichen Staats⸗ regierung zur Berückſichtigung überwieſen hat. In⸗ folgedeſſen haben ſich, wie Sie ſehen, Vertreter aller Fraktionen dieſer Verſammlung zu dem Ihnen vor⸗ liegenden Antrage vereinigt, Demzufolge der Ma⸗ giſtrat erſucht werden ſoll, gegen die gekennzeichneten Beſtrebungen vorzugehen. Die vielen Erörterungen, die in letzter Zeit ſtattgefunden haben, geſtatten es mir, mich auf eine ganz kurze Begründung zu be⸗ ſchränken. Ich möchte vorweg betonen, daß es uns natür⸗ lich fern liegt, durch den Antrag Stellung zu nehmen gegen den Wunſch notleidender Gemeinden, ihre Laſten zu verringern. Wenn öſtliche Vorortge⸗ meinden ſich in einer Notlage befinden und deshalb Zuſchüſſe von der Regierung verlangen, ſo iſt das ihr gutes Recht, und wir werden ſie hieran niemals hindern. Ob ſich öſtliche Gemeinden und gegebenen⸗ falls welche ſich in einer Notlage befinden, das brauchen wir nicht zu prüfen, das können wir dahin⸗ geſtellt ſein laſſen. Dagegen bedauern wir und müſſen wir entſchieden dagegen Verwahrung ein⸗ legen, daß die Gemeinden ihre Lage auf Koſten anderer Gemeinden Groß⸗Berlins zu verbeſſern ſuchen. Es iſt ja nicht gerade erſtaunlich, daß dieſes Beſtreben eine freundliche Geneigtheit ſo⸗ wohl bei der preußiſchen Staatsregierung als auch bei der Mehrheit des Abgeordnetenhauſes findet. Die preußiſche Regierung wird es nur angenehm empfin⸗ den, wenn ihr von den Gemeinden ſelbſt der Vor⸗ ſchlag gemacht wird, ihnen eine Gabe zu geben, die den Staat nichts koſtet, und die Mehrheit des Abge⸗ ordnetenhauſes hat es ja leider immer gern begrüßt, wenn es ihr möglich war, dem Waſſerkopfe Berlin einen neuen Zopf anzubinden, und es iſt nur ſehr betrüblich, daß in dem vorliegenden Falle dieſer Zopf von den Gemeinden Groß⸗Berlins ſelber ge⸗ flochten wird. (Sehr richtig!) Es iſt ganz beſonders zu bedauern, daß dieſe Ge⸗ meinden damit, wie ich glaule, ohne zwingende Noi eine tiefgreifende Uneinigkeit in die Geſamtheit der Berliner Gemeinden bringen, SSehr richtig!) 1 Sitzung am 28. März 1917 eine Uneinigkeit, die nicht ohne nachteilige Wirkung für ſpäteres ſachliches Zuſammenarbeiten ſein kann. Meine Herren, wir wenden uns gegen die Pläne in erſter Reihe, weil ihre Durchführung mit der Selbſtverwaltung, mit dem, was wir unter Selbſtverwaltung verſteh en, ſchlechterdings un⸗ pereinbar iſt. Dieſe Tatſache wird auch nicht aus der Welt geſchafft durch das Schlagwort, mit dem man neuerdings die Beſtrebungen zu kennzeichnen pflegt, mit dem „abſtrakten Ausgleiche der geſetzlichen Laſten“. Es iſt ſchon wiederholt ausgeführt worden und braucht deshalb nicht wiederholt zu werden, daß. es nicht möglich iſt, die geſetzlichen Laſten, vor allen Dingen die Gemeindeſchullaſten und die Armenlaſten, durch beſtimmte Definitionen zu erfaſſen. Es iſt nicht feſt zu begrenzen, was unter Gemeindeſchul⸗ laſten, was unter Armenlaſten fällt, und es wäre nichts anderes als rein menſchlich, wenn Gemeinden, ſobald ihnen ein Anſpruch auf Ausgleich dieſer Laſten geboten würde, beſtrebt ſein würden, den Be⸗ griff dieſer Laſten ſo weit wie möglich auszudehnen. Deshalb iſt eine Bezahlungsgemeinſchaft ohne eine Verwaltungsgeme nſchaft ein Dingder Unmöglichkeit. Und da kann ich nur die Worte wiederholen, die aus dem Munde eines konſervativen Abgeordneten in der Gemeinde⸗ kommiſſion des Landtages geſagt worden ſind: W as bliebe von der Selbſtverwaltung, wenn man ihr das Schulweſen un d das Armenweſen wegnähme Das zweite, was für uns maßgebend iſt, iſt die Ungerechtigkeit dieſer Pläne. Es iſt ein Unding, Schul⸗ und Armenlaſten aus⸗ gleichen zu wollen, ohne auch die anderen Ausgaben der verſchieden en Gemeinden zu berückſichtigen. Selbſt wenn wir zugeben, daß die Gemeindeſchullaſten und die Armenlaſten in jenen öſtlichen Gemeinden im Verhältnis zu den weſtlichen und zu Berlin ſelbſt hoch ſind, ſo haben doch auf der anderen Seite die weſtlichen Vororte und Berlin eine große Reihe von Ausgaben, die weſentlich höher ſind als diejenigen, die für die betreffenden Dinge in den öſtlichen Ge⸗ meinden aufgewendet werden müſſen. Aus der Denkſchrift Berlins und der weſtlichen Vororte von 1914 iſt beiſpielsweiſe erſichtlich, daß im Jahre 1913 für das höhere Schulweſen die Laſten auf den Kopf der Bevölkerung betragen haben in Berlin 1,92 %ℳ, in Charlottenburg 1,94 %ℳ, in Neukölln dagegen 20 und in Lichtenberg 13 5. (Hört 1 hört!) Ein anderes ſehr intereſſantes Beiſpiel würde man gewinnen durch einen Vergleich der Mietzuſchüſſe, welche in den weſtlichen Vororten einerſeits und in den öſtlichen Vororten andererſeits den Kriegerfrauen gewährt werden. Dieſes Beiſpiel wäre deshalb be⸗ ſonders bemerkenswert, weil ja bekanntlich die öſt⸗ lichen Gemeinden in ihrer Petition gerade als einen Beweis ungerechter Belaſtung die Kriegsaufwen⸗ dungen angegeben haben. Meine Herren, wenn wir für das höhere Schul⸗ weſen verhältnismäßig das Vielfache aufwenden wie die öſtlichen Gemeinden, wenn wir unſeren Krieger⸗ frauen größere Mietszuſchüſſe geben, als es in den öſtlichen Gemeinden der Fall iſt, dann geſchieht das bei uns nicht aus Verſchwendung, ſondern weil wir den beſonderen Bedürfniſſen der Bevölkerung, wie⸗