Sitzung am 28. März 1917. für die Dauer berechnet ſein ſoll, aufzuſtellen, als der gegenwärtige Zeitpunkt des Krieges. (Sehr richtig!) Denn darüber kann gar kein Zweifel ſein — da braucht man bloß beiſpielsweiſe die Steuerverhält⸗ niſſe von Spandau und Charlottenburg zu ver⸗ gleichen —, daß nichts zu falſcheren Schlüſſen ver⸗ leitet als die augenblickliche ſteuerliche Geſtaltung und Belaſtung. Auf dieſer augenbicklichen Lage ſoll nun eine Aktion aufgebaut werden, die doch ſelbſtverſtändlich den Zweck der Dauer in ſich trägt. Wie geſagt, es gibt eine ſo große Anzahl von Gründen, die man dagegen ins Feld führen kann, daß ich darauf verzichte, dieſen Kreis noch zu er⸗ weitern. Aber eins möchte ich ganz allgemein ſagen. Der Laſtenausgleich an ſich, wie er auch ausſehen möge, bedeutet für die Selbſtverwaltung auf alle Fälle etwas völlig Unerträgliches. (Sehr richtig!) Es iſt — auch hier möchte ich einen ſtarken Ausdruck gebrauchen — eine Kaſtration der Selbſtverwaltung. (Heiterkeit.) Aber ich gehe noch weiter, ich ſage: auch eine ver⸗ ſtändige Verwaltung an ſich, wobei ich gar nicht von Selbſtverwaltung ſpreche, muß alles, was Laſtenausgleich heißt, eigentlich perhorreszieren. Denn der tiefſte Kern der Verwaltung iſt die Ver⸗ antwortung. Ich habe immer den Standpunkt ver⸗ treten, daß in unſerer Verwaltung nur der etwas leiſtet, der für eine richtige Verteilung der Verant⸗ wortung ſorgt, und daß diejenige Verwaltung dic beſte iſt, die ſich ſelbſt und ihren Mitarbeitern das höchſte Maß der Verantwortung aufbürdet. Von dieſem Standpunkt der allgemeinen Verwaltung, nicht nur der Selbſtverwaltung aus, möchte ich auch glau⸗ ben, daß der Laſtenausgleich etwas verwaltungs⸗ mäßig durchaus und von Grund auf Falſches iſt, denn er bedeutet nichts mehr und nichts weniger, als daß die Verantwortung der Gemeinde in dieſem Falle für ihr Tun und Laſſen nicht allein ihr zu⸗ gewieſen wird, ſondern daß eine höhere Hand in das wichtigſte Subſtrat eingreift, das die Gemeinden für ihre ganze Tätigkeit haben, in die Gemeinde⸗ finanzen. Meine Herren, Sie werden aus dieſen Ausfüh⸗ rungen erkennen können, daß der Magiſtrat mit Ihnen der Anſicht iſt, daß vom Standpunkt der Selbſtverwaltung aus der Laſtenausgleich etwas ſo Unerträgliches iſt, daß er von uns in Gemeinſchaft mit Ihnen aufs ſchärfſte bekämpft werden wird. (Lebhaftes Bravo.) Stadtv. Hirſch: Meine Herren! In der Sache ſelbſt ſtimmen alle Fraktionen mit dem Magiſtrat darin überein, daß wir nichts unverſucht laſſen dür⸗ fen, um den drohenden Laſtenausgleich zu bekämp⸗ ſen, insbeſondere deshalb, weil dadurch die Selbſt⸗ verwaltung aufs ſtärkſte gefährdet werden würde. Ich unterſcheide mich aber von dem Herrn Ober⸗ bürgermeiſter inſofern, als ich ſeinen Optimismus nicht teilen kann. Der Herr Oberbürgermeiſter hofft die Einſicht der Königlich Preußiſchen Staats⸗ 65 Wer den Verhandlungen in der Kom⸗ miſſion des Abgeordnetenhauſes beigewohnt hat, und wer den Verhandlungen im Plenum des Abgeord⸗ netenhauſes gefolgt iſt, der wird ſich ſagen müſſen, daß dieſe Hoffnung vergeblich iſt. Der Herr Oberbür⸗ germeiſter meint, gerade der Umſtand, daß überall in Preußen ſolche und noch ſchlimmere Zuſtände herrſchen wie in Groß⸗Berlin, ſollte für die Regie⸗ rung eine Warnung ſein, nicht einſeitig ein Geſetz für Groß⸗Berlin zu ſchaffen. Die Regierung ſteht gerade auf dem entgegengeſetzten Standpunkt. Die Regierung ſtellt ſich auf den Boden der Petenten, die darauf hinweiſen, daß in Groß⸗Berlin die Zu⸗ ſtände ganz beſonders ſchlimm ſeien, während das tatſächlich nicht der Fall iſt. Die Regierung hat ſelbſt anerkannt, daß in anderen Teilen des Staates die ſteuerliche Belaſtung weit, weit ſchlimmer iſt als in den öſtlichen und ſüdlichen Vororten Berlins. Trotzdem will ſie von einem allgemeinen Laſtenaus⸗ gleich für den ganzen Staat nichts wiſſen, ſondern ſie plant vorläufig ein geſetzgeberiſches Vorgehen gegen Berlin und die weſtlichen Vororte. Und warum? Einmal aus der, ich möchte ſagen Ab⸗ neigung, die überhaupt in gewiſſen Kreiſen gegen Groß⸗Berlin beſteht, ſodann aber ſcheint es ihr be⸗ ſonders ſchmackhaft zu ſein, daß ſie dieſen Laſten⸗ ausgleich durchführen zu können glaubt, ohne daß der Staat finanziell dadurch irgendwie in Mitleiden⸗ ſchaft gezogen wird. Das iſt für die Regierung das Maßgebende. Sie erkennt an, daß überall ſchlimme Zuſtände herrſchen, daß überall etwas geſchehen muß, und ſie plant auch vielleicht ein Geſetz, das ſtaatliche Zuſchüſſe für die Zeit nach dem Kriege vorſieht; aber hier ſagt ſie: für Groß⸗Berlin können wir ſo⸗ fort vorgehen, und zwar deshalb, weil der Staat nichts dazu beizutragen braucht, ſondern weil die weſtlichen Vororte und Berlin ſelbſt die Laſten für die öſtlichen Vororte zu tragen haben. Nun, meine Herren, es iſt ganz ſelbſtverſtänd⸗ lich für uns alle, und es iſt nicht etwa ein Zeichen von Partikularismus, wenn wir uns gegen einen ſolchen Vorſchlag erklären. Wir ſind gern bereit, die nofleidenden Gemeinden mit zu unterſtützen, und wir haben dieſen Gemeinſinn jederzeit betätigt. Aber wir wenden uns mit Entſchiedenheit dagegen, daß etwa durch Geſetzesvorſchrift uns Laſten aufgebürdet werden, daß wir verpflichtet werden, für beſtimmte Ausgaben anderer Gemeinden einzutreten, ohne daß wir irgendwie die Möglichkeit haben, auf dieſe Aus⸗ gaben einen Einfluß zu üben. (Sehr richtigl) regierung. Wir würden ja dann mit unſeren eigenen Finanzen vollkommen in Unordnung geraten. Der Herr Stadtv. Meyer und der Herr Oberbürgermeiſter haben mit Recht darauf hingewieſen, daß die Selbſt⸗ verwaltung auf das ſchwerſte durch den Laſtenaus⸗ gleich gefährdet iſt. Ich kann mich nicht genug wundern, daß in der Petition, die vielleit den Mit⸗ gliedern der Verſammlung demnächſt zugeſtellt wer⸗ den wird — ich ſelbſt bin einer der wenigen, die in der Lage geweſen ſind, ſie zu leſen —,ich kann mich nicht genug darüber wundern, daß in der Petition von der Selbſtverwaltung wenig die Rede iſt, ſon⸗ dern daß nur immer davon geſprochen wird, daß die Gemeinden ihre Selbſtändigkeit wahren wollen. Es ſcheint hier eine Begriffsverwechſelung vorzuliegen. Uns liegt daran, daß die Selbſtver⸗