66 waltung aufrecht erhalten wird. Den Gemeinden, die die Petition eingereicht haben, liegt in erſter Linie an ihrer Selbſtändigkeit. Aus dieſem Grunde widerſetzen ſie ſich auch mit Händen und Füßen einer etwaigen Eingemeindung in Groß⸗Berlin, wovon allerdings — ich muß ſagen von meinem Standpunkt aus: leider — augenblicklich garnicht die Rede ſein kann. Die Verhältniſſe in Groß⸗Berlin ſind nun einmal ſo, daß es auf die Dauer ſo wie bisher nicht weiter gehen kann. Das hat der Land⸗ tag anerkannt, das erkennt auch die Regierung an. Aber die geſetzgebenden Körperſchaften ſcheuen davor zurück, ganze Arbeit zu machen, ſie ſuchen ſich da⸗ durch zu helfen, daß ſie wieder ein neues Ausnahme⸗ geſetz für Groß⸗Berlin ſchaffen, (Sehr richtig!) zu dem Zweckverbandsgeſetz für Groß⸗Berlin noch ein Laſtenausgleichsgeſetz für Groß⸗Berlin, ein Ge⸗ ſetz, das vielleicht dieſelben unheilvollen Wirkungen hat wie das Zweckverbandsgeſetz oder das günſtigſten⸗ falls auf dem Papiere ſtehen bleibt. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagt, es ſei noch nicht klar, was ausgeglichen werden ſoll, ob es ſich um einen rohen Laſtenausgleich handelt oder um den Ausgleich beſtimmter Laſten, vielleicht der Schul⸗ laſten und der Armenlaſten. In der Kommiſſion des Abgeordnetenhauſes iſt auch darüber verhandelt worden. Die Regierung hat erkl rt, daß ſie die Ar⸗ beiten für das Geſetz ſchon vor dem Kriege in die Hand genommen habe, ſie habe ſie dann einige Zeit ruhen laſſen, habe die Arbeiten jetzt jedoch wieder aufgenommen, und es ſei in erſter Linie zu er⸗ wägen, was ausgeglichen werden ſolle, etwa nur die Schullaſten oder auch die Armenlaſten, oder ob ein, allgemeiner Laſtenausgleich ſtattfinden ſoll. Darüber iſt alſo noch keine Klarheit geſchaffen. Ferner ſchweben Erwägungen darüber, nach welchem Maß⸗ ſtabe Mittel von den reichen Gemeinden eingezogen und auf die anderen Gemeinden verteilt werden ſollen, und endlich darüber, wie weit man die räum⸗ lichen Grenzen ziehen darf. Wenn man ſich dieſe beſtimmten Fragen, die von dem Regierungsvertreter aufgeworfen worden ſind, vor Augen hält und die weiteren Debatten darüber verfolgt, ſo kann man keinen Augenblick im Zweifel ſein, daß das Geſet⸗ eigentlich ſchon fir und fertig iſt. Ich alaube, alle, die den Verhandlungen beigewohnt haben, haben den Eindruck gewonnen, daß die Regierung nur darauf lauert, bis ſie vom Abgeordnetenhauſe, viel⸗ leicht auch vom Herrenhauſe gedrängt wird, geſetz⸗ geberiſch vorzugehen. Ich geſtehe ganz ffen, meine Herren, ich habe ſo das Gefühl — beweiſen kann ich es nicht —, als ob auch die Petition keine ganz freiwillige Arbeit der Oberhäupter derjenigen Ge⸗ meinden iſt, von denen ſie ausgegangen iſt, ſondern als ob ſie gewiſſermaßen ein Stück beſtellte Arbeit iſt, als ob alles ſchon fix und fertig iſt und die Re⸗ gierung nur darauf wartet, eine Aufforderung zu energiſchem Vorgehen zu bekommen. Das Abge⸗ ordnetenhaus hat ja dieſe Aufforderung an ſie er⸗ gehen laſſen. Es iſt weiter gegangen als die Kom⸗ miſſton; es hat unter Führung derienigen, die bis⸗ her immer für Ausnahmegeſetze für Groß⸗Berlin geweſen ſind, einen Beſchluß durchaeſetzt, der die Pe⸗ tition der Regierung zur Berückſichtigung überweiſt. Wir werden alſo mit Beſtimmtheit darauf zu rech⸗ nen haben, daß die Geſetzgebung in der allernächſten Sitzung am 28. März 1917 Zeit, vielleicht ſchon im nächſten Jahre, zu dieſem ſchweren Schlage gegen die Selbſtverwaltung im allgemeinen und zu dieſem Ausnahmegeſetz für Groß⸗Berlin ausholt. Ich möchte dann nur bitten, daß alles aufgeboten wird, um eine ſolche Vorlage zu Fall zu bringen. Im Abgeordnetenhauſe wird das ja bei ſeiner eigenartigen Zuſammenſetzung nicht mehr möglich ſein, aber vielleicht ſind unſere Hoffnungen auf das Herrenhaus nicht ganz vergeblich. (Heiterkeit.) Es wäre doch nicht ausgeſchloſſen, daß im Herren⸗ hauſe die Partei der Oberbürgermeiſter einmal auch nur den zehnten Teil der Energie entfaltet, die die Konſervativen des Herrenhauſes bei Durchſetzung ihrer reaktionären Pläne entfalten. Wenn das ge⸗ ſchieht, dann wäre es doch noch möglich, dort die Vorlage zu Fall zu bringen. Ebenſo wie vernünf⸗ tige Geſetze ſchon häufig durch das Herrenhaus zu Fall gebracht worden ſind, halte ich es nicht für ganz unmöglich, daß auch mal ein unvernünftiges Geſetz an dem Widerſtand des Herrenhauſes ſcheitert. (Heiterkeit und Bravo!) Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Meine Freunde möchten keinen Zweifel darüber laſſen, daß ſie auch ihrerſeits einmütig der Anſicht ſind, daß der jetzt erſtrebte Laſtenausgleich mit aller Entſchieden⸗ heit zurückgewieſen werden muß. Die Gründe, die dagegen ſprechen, ein Geſetzeswerk in die Hand zu nehmen, wie es von den öſtlichen Vororten und vielleicht auch von anderen Stellen beabſichtigt wird, ſind ja von dem Herrn Kollegen Meyer und dem Herrn Oberbürgermeiſter ſo eingehend erörtert wor⸗ den, daß ich mich auf wenige Bemerkungen beſchrän⸗ ken kann. Wenn ich recht bereichtet bin, handelt es ſich um drei Punkte, bei denen die Laſten ausgeglichen wer⸗ den ſollen: um die Armen⸗ die Schull aſten und die Kriegsfürſorgelaſten. Um mit dem letzten anzufangen: für die Kriegsfürſorgelaſten gilt das, was der Herr Oberbürgermeiſter vorhin ſaate: die Laſten, die uns der Krieg für die Kriegsfürſorge auferlegt, müſſen in allererſter Linie vom Reich und vom Staate getragen werden; inwieweit die Kommunen dieſe Laſten zu tragen haben, kann meines Erach⸗ tens erſt überſehen werden, wenn der Krieg zu Ende iſt. Erſt am Friedensſchluß, wenn es feſt⸗ ſteht, ob und wie weit wir eine Kriegsentſchädi⸗ aung bekommen, erſt wenn die ganzen finanziellen Verhältniſſe im Reich, im preußiſchen Staate ge⸗ klert ſein werden, dann wird es Zeit ſein, dieſer Frage näher zu treten. Ich glaube, der jetz ige Augenblick wäre der ungeeignetſte, um eine derartige Frage überhaupt zur Erörterung zu ſtellen. Dieſe Fruge ſpielt aber, ſoviel ich weiß, gerade in Lichtenberger und in Neuköllner Kreiſen eine ziemliche Rolle. Bei den Armenlaſten iſt ſchon eingehend auf die Schwierigkeit einer Begrenzung hingewieſen. Nun aber die Schullaſten! Alſo der gegenſei⸗ tige Wettkampf der bisher zwiſchen den Gemeinden beſtanden hat, ſoll gewiſſermaßen unmöglich gemacht werden durch eine Art Zwangsausgleich. Die Summe, die wir verwandt haben, um ein beſſeres Schulweſen vorzubereiten nicht nur für uns, ſon⸗