8² vorziehen. Ich glaube, daß die Gruppenunterbrin⸗ gung ſich für die kurzzeitige Anweſenheit der Ferien⸗ foloniſten ſehr gut bewährt hat. Bei einer längeren Dauer von vielen Monaten ſollte man jedoch den Kindern das Familienleben oder den Erſatz des Familienlebens nicht entziehen. Ich glaube auch, daß die Anſtaltspflege ein gutes Familienleben nicht erſetzen kann. Daß dieſes Familienleben gut iſt, daß die Kinder nicht als billige oder unentgeltliche Ar⸗ beitskräfte ausgenutzt werden, dafür zu ſorgen, iſt ſelbſtverſtändlich eine Pflicht unſerer ſtädtiſchen Ver⸗ waltung. Ebenſo ſollten wir ſtark in den Vordergrund. ſtellen, daß, wie es hier heißt, auf die unterricht⸗ liche Verſorgung der Kinder tunlichſt Bedacht zu nehmen iſt. Es ſind ja unter den jetzigen Verhält⸗ niſſen leider ſchon ſo viele Kräfte am Werke, die einer Ausbildung der Kinder entgegenſtehen, daß nicht auch noch durch dieſe Entſendung, die der kör⸗ perlichen Ausbildung der Kinder hoffentlich ſehr wohltätig ſein wird, weitere Schwierigkeiten hinzu⸗ treten dürfen. Unter dieſen Vorausſetzungen begrüße ich, wie geſagt, nochmals dieſe Vorlage und hoffe, daß ſie unſeren Kindern, und zwar den Kindern verſchiede ner Schichten, ſelbſtverſtändlich unter Berückſichti⸗ gung der Bedürftigen in erſter Linie ſegensreich ſein wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Schwarz: Meine Herren! Die Kontrolle, die der Herr Kollege Katzenſtein wünſcht, iſt bereits vorgeſehen. In der Schuldeputation iſt das ſchon beſprochen worden. Es ſoll beſonders für Streitfälle eine Kontrolle in Aktion treten. Was den Wunſch des Herrn Katzenſtein betrifft, die Kinder in Privatpflege unterzubringen, um ſie dadurch gut zu verſorgen, ſo ſind auch da mancherlei Schwierigkeiten rorhanden, auf die hier in der Stadt⸗ verordnetenverſammlung weiter einzugehen, vielleicht nicht richtig iſt. Ich möchte beiſpielsweiſe nur kurz darauf hindeuten, daß uns empfohlen wurde, Kinder möglichſt in Familien unterzulringen, die ihren Dialett ſprechen, ſonſt ſäße Abends z. B. ein einzeln unteraebrachtes Kind vollſtändia vereinſamt. Was die unterrichtliche Fürſorge betrifft, ſo wird es außerordentlich ſchwierig ſein, hier von Anfang an planmäßig vorzugehen, weil wir Neuland be⸗ treten. Ich meine, die Hauptſache iſt, daß ſich die Kinder erholen. Wenn es zu machen iſt, wird ſelbſt⸗ verſtändlich auch die unternichtliche Fürſorge ein⸗ treten. Das iſt allerdings da leichter, wo die Kinder gruppenweiſe in Schulen zuſammengelegt ſind, als da, wo ſie auf die einzelnen Beſitzer verteilt ſind. Eine ärztliche Fürſorge iſt ſehr ernſtlich ins Auge zu faſſen. Bei dem Mangel an Aerzten auf dem Lande wird es ſich empfehlen — mag immerhin der Kreis, der die Stellen zu vergelen hat, zunächſt die Auslagen tragen — auch mit den Militärbehörden ſich ins Benehmen zu ſetzen, um ſich auch militär⸗ ärztliche Hilfe in der Nähe zu ſichern, damit doch irgendeine Hilfe vorhanden iſt. Es wurde dann geſagt, daß ſich die Kinder be⸗ tätigen ſollten, daß ſie eventuell zu landwirtſchaft⸗ lichen Arbeiten herangezogen werden ſollten. Ich möchte darauf hinweiſen, daß in der uns zuge⸗ gangenen Vorlage ſogar die Höhe des Arbeitsver⸗ dienſtes beziffert wurde, und demgegenüber daran erinnern, daß die militäriſch oraaniſierte Jugend gerade dieſe Landarbeit unentgeltlich ülernehmen Situng am 18. April 1917 wird, als vaterländiſche Ehrenpflicht. Da gibt es alſo gleich eine Konkurrenz, die billiger arbeiter Dann möchte ich mich in derſelben Richtung wie der Herr Kollege Landsberger warm für die Fürſorge für den Mittelſtand äußern. Ich denke da an die Kinder der Beamten, der Lehrer, der Ober⸗ lehrer, die durch die ſchwere Zeit außerordentlich leiden, an die Kinder von Ständen, die ſich ja ſelbſt erganiſieren könnten, um den Verein zu entlaſten, die es aber dankbar empfinden würden, wenn ihnen der Verein Beiſtand leiſtete. Wir haben aus den Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters gehört, daß ſich bis jetzt vier Provinzen zur Verfügung geſtellt halen. Ich will nicht darauf eingehen, welche Provinzen es noch nicht getan haben. Mir iſt zufällig bekannt, daß in einer Provinz bis jetzt ein derartiger Wunſch noch nicht ge⸗ äußert worden iſt. Ich hoffe ja, daß ſich zur Ernte⸗ zeit das ändern wird. Jedenfalls bin ich auch der Meinung, daß es in geſundheitlicher Beziehung über⸗ aus dankenswert iſt, daß dieſe Verbindung zwiſchen Stadt und Land hergeſtellt wird. Alle die Klagen, die ſeit ſo vielen Jahren aus der Lehrerſchaft her⸗ vorgehen, daß die Kinder viel lernfähiger wären, wenn ſie nur geſünder wären, werden auf dieſe Weiſe hoffentlich größtenteils behoben werden können. Stadtv. Dr. Landsberger: Ich habe bloß ein kurzes Nachwort meinen vorherigen Bemerkungen hinzuzufügen. Es ſcheint mir wünſchenswert, daß möglichſt ältere Kinder entſandt werden. Ich will nicht ſagen, daß jüngere Kinder gar nicht entſandt werden ſollen. Wenn ich mich der Gruppierung der Magiſtratsvorlage anſchließen und alſo von den 6 bis 10 jährigen und 11 bis 14 jährigen ſprechen ſoll, ſo ſcheint es mir wünſchenswert, von den letzteren eine größere Zahl zu entſenden, weil „ltere Kinder eine größere Selbſtändigkeit haben und eher zu einer gewiſſen Mithilfe auf dem Lande geeignet ſind, auf die ich doch bei der ganzen An⸗ gelegenheit ein großes ideelles Gewicht lege. Selbſt⸗ verſtändlich verlange auch ich, daß jede Ueberan⸗ ſtrengung verhütet werden muß und daß gegen ihr Vorkommen ſorgfältige Maßnahmen getroffen werden müſſen. Aber eine Betätigung würde ich für ſehr nützlich halten. Natürlich braucht man deshalb von der Entſendung füngerer Kinder nicht ganz abzu⸗ ſehen; das Hauptgewicht ſollte jedoch auf die Ent⸗ ſendung lterer Kinder gelegt werden. Die Familien in der Stadt werden auch gerade ihre jüngeren Kinder ſchwerlich auf längere Zeit fortgeben wollen. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats einſtimmig, wie folgt: 1. Zur vorläufigen Deckung der durch die vor⸗ übergehende Unterbringung von Charlotten⸗ burger Kindern auf dem Lande entſtehenden Koſten wird ein Betrag bis zu 140 000 ℳ aus dem Kriegsvorſchußkonto zur Verfügung geſtellt. Die Deckung dieſer Koſten aus Staatsmitteln nach Maßgabe des ergangenen Miniſterial⸗Erlaſſes vom 16. März 1917 iſt anzuſtreben. II. Die Stadtgemeinde Charlattenburg tritt dem eingetranenen Verein „Landaufenthalt für Stadtlinder“ zu Berlin als Mitalied mit eeinem Jahresbeitrage von 100 ℳ bei. Der Beitrag für das Rechnungsjahr 1917 iſt dem Dispoſitionsfonds zu ertnehmen.)