96 rechnet wird, in Zukunft ein Unterſchied gemacht werden ſoll einmal zwiſchen kinderloſen Frauen, dann zwiſchen Frauen mit ein und zwei Kindern und dann zwiſchen Frauen mit drei und mehr Kindern. Das iſt die eine Aenderung. Die zweite Aenderung, die der Magiſtrat beantragt hatte, geht dahin, daß von dem Arbeitsverdienſt mehr als bis⸗ her freigelaſſen werden ſoll, und zwar bei kinderloſen Ehefrauen 40 ℳ, bei Frauen mit ein bis zwei Kindern 60 ℳ und bei Frauen mit drei und mehr Kindern 80 ℳ. Mit dieſem Antrag folgte der Magiſtrat einem Beſchluß einer Verſammlung der Vertreter der Unterſtützungskommiſſionen. Ihrem Ausſchuß war nun der Antrag Meyer und Genoſſen überwieſen, der den Magiſtrat um eine Prüfung erſuchte, ob es ſich empfiehlt, von einer Anrechnung des Arbeitsverdienſtes ganz abzuſehen, ſofern dieſer nicht ſo erheblich iſt, daß eine Be⸗ dürftigkeit überhaupt nicht in Betracht kommt. Der Antrag geht auf den erſten Blick weiter als das, was der Magiſtrat Keantragt hat, und es könnte ſo ſcheinen, als ob im Falle ſeiner Annahme die Fa⸗ milien der Kriegerfrauen beſſer wegkommen. In der Praxis aber dürfte das nicht zutreffen. Das Geſetz vom 28. Februar 1888 bezw. 4. Auguſt 1914 ſchreibt bekanntlich vor, daß in allen Fällen die Be⸗ dürftigkeit geprüft werden muß. Und wenn wir ſagen: der Arbeitsverdienſt ſoll überhaupt nicht an⸗ gerechnet werden, ſo könnte es leicht dahin kommen, daß dieſe oder jene Unterſtützungskommiſſion ſagt: die Frau verdient ſo viel, daß wir die Bedürftigkeit nicht anerkennen können, ſo daß wir ihr gar keine Unterſtützung geben. Die Frau würde ſich dann in der Praxis ſchlechter ſtehen, als wenn Sie die Ma⸗ giſtratsvorlage annehmen würden, und die weitere Folge würde die ſein, daß die Frauen, wenn ſie ſehen, daß ſie, weil ſie arbeiten, keine Unterſtützung kekommen, ihre Arbeit aufgeben würden. Dieſer Gefahr wollen wir entgegentreten. Der Ausſchuß hat in dieſem Punkte die Magiſtratsvorlage unverändert angenommen. In Wirklichkeit, meine Herren, wird ja ſehr wenig von dem Arbeitsverdienſt der Frauen angerechnet. Einer Frau ohne Kinder, die nach Ab⸗ zug der Verſicherungsbeiträge und koſten monatlich 100 %ℳ Reinverdienſt hat, würden von den 100 ℳ volle 70 %ℳ frei bleiben; einer Frau mit drei Kindern, die monatlich 100 ℳ verdient, würden von dem Verdienſt 90 frei bleihen. Alſo der Teil, der angerechnet wird, iſt ganz gering, und in ſolchen Fällen, wo auch die Anrechnung dieſes geringen Teils eine Härte bedeuten würde, haben ja die Unterſtützungskommiſſionen immer die Mög⸗ lichkeit, auch über den Beſchluß, den wir jetzt faſſen werden, hinauszugehen. Ich erinnere da an die Fälle, die in der Praxis ſehr häufig vorkommen, wo Frauen mit mehreren Kindern auf Arbeit gehen, aber gezwungen ſind, zur Pflege ihrer Kinder eine fremde Perſon anzunehmen oder ihre Kinder irgendwo unter⸗ubringen, damit ſie nicht verwahr⸗ loſen. In ſolchen Fällen wird natürlich jede Unter⸗ ſtür ungskommiſſion ſo weitherzig wie möglich ver⸗ fal ren und den Frauen es ermöglichen, ihren Kin⸗ dern eine wirklich vernünftige und aute Erziehung zu teil werden zu laſſen, und unter Umſtänden den Arbeitsverdienſt gar nicht anrechnen. Ich bin aus⸗ drücklich ermächtigt, die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung zu bitten, daß die Kommiſſionen darauf hinge⸗ wieſen werden, in den Fällen, wo die Anrechnung auch eines Teils des Arbeitsverdienſtes nicht gerecht⸗ ſonſtigen Un⸗ Sitzung am 2. Mai 1917 fertigt erſcheint, von der Anrechnung überhaupt Ab⸗ ſtand zu nehmen. Im übrigen ſtand die Kommiſſion einmütig auf dem Standpunkt, daß wir auf keinen Fall irgendwelche Schritte ergreifen dürfen, die den Frauen die Luſt an der Arbeit nimmt. Ich möchte Sie bitten, die Beſchlüſſe, die Ihnen in der Vorlage gedruckt vorliegen, unverändert an⸗ zunehmen. Vorſteher Dr Frentzel: Wir kommen zur Ab⸗ ſtimmung. Ich darf annehmen, daß, wenn Sie die Vorlage nach dem Antrage des Ausſchuſſes an⸗ nehmen, Sie ſich damit gleichzeitig die Auslegung zu eigen machen, die Herr Kollege Hirſch eben aus⸗ geführt hat. (Die Ver ammlung beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Ausſchuſſes, wie folgt: Die für die Angehörigen der Kriegsteil⸗ nehmer für die Wintermonate feſtgeſetzten erhöhten Familienſätze bleiben als Richt⸗ ſätze auch für die Sommermonate beſtehen. Von dem Arbeitsverdienſt der Ehefrauen bleiben vom 1. Mai ab frei: bei alleinſtehenden Ehefrauen monatlich 40 ℳ, bei Ehefrauen mit 1 und 2 Kindern monat⸗ lich 60 ℳ, 2 bei Ehefrauen mit 3 und mehr Kindern monatlich 80 ℳ. Der überſteigende Betrag wird wie bisher in der Regel nur mit der Hälfte angerechnet.) Damit iſt unſere Tagesordnung erſchöpft. Wir kommen nunmehr zur Beratung des Antrages der Stadtv. Brode und Gen. betr. Ver⸗ ſorgung der Bevölkerung mit Brennmaterial. Der Antrag lautet: Stadtverordnetenverſammlung wolle beſchließen: Der Magiſtrat wird erſucht — gegebenen⸗ falls im Zuſammenwirken mit den Magi⸗ ſtroten der anderen Gemeinden Groß⸗Ber⸗ lins — die erforderlichen Maßnahmen bold⸗ möalichſt zu treffen, um die Verſorgung der Bevölkerung mit Brennmaterial für die nächſte Heizperiode ſicher zu ſtellen. Charlottenburg, den 2. Mai 1917. Brode, Haack, Otto, Wöllmer, Meyer, Mosgau, Ruß.) Antragſteller Stadtv. Brode: Meine Herren! Die Erfahrungen im letzten Winter haben es uns zur Pflicht gemacht, daß wir uns rechtzeitig mit der Frage der Verſorgung der Bevölkerung mit Brenn⸗ material befaſſen müſſen. Wenn es uns gelungen iſt, über den letzten Winter einigermaßen glimpflich hinwegzukommen, ſo iſt das nur auf den Umſtand zurückzuführen, daß die Händler und diejenigen Ge⸗ noſſenſchaften, die ſich mit der Verſorgung mit Brennmaterial befaſſen, in richtiger Erkenntnis der Lage rechzeitig für die Anſammlung großer Vor⸗ räte im vorigen Jahre geſorgt haben. Als im Januar die Kalamität in bezug auf die Verſorgung mit Brennmaterial eintrat, werden Sie