108 Vorſteher Dr Frentzel zu Punkt 8. Meine Herren, hagen hat gebeten, Vorlage zu verſchieben, nehmen möchte, augenblicklich aler noch verhindert iſt. Wenn Sie damit einverſtanden ſind, würden wir dieſe Vorlage am Ende der Tagesordnung behan⸗ deln. — Widerſpruch erfolgt nicht; dann werden wir ſo verfahren. Punkt 9: Vorlage betr. Verſtärkung der Mittel für Pflege⸗ gelder. — Druckſache 77. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Zur Verſtärkung des Haushaltsplananſatzes Ord. Verwaltung v—1—2b für 1917 — Pflegegelder für Kinder in Familienverpfle⸗ gung in Charlottenburg — werden 19 000 i aus dem Dispoſitionsfonds bewilligt.) Herr Kollege Dr Stadt⸗ Das Protokoll vollziehen heute die Herren Dr Liepmann, Peeſch und Dr PNerl. Punkt 10: Borlage betr. Errichtung eines ſtädtiſchen Arbeits⸗ amtes. — Druckſache 78. Stadto. Dr Rothholz: Meine Herren! Die Entwicklung des Arbeitsnachweiſes hat die Stadt⸗ verordnetenverſammlung ſtets mit großem Inter⸗ eſſe verfolgt und die Mittel, die für ihn angefor⸗ dert wurden, glatt bewilligt. Auch im Kriegsjahre ſind wir mit dem Magiſtrat den gleichen Weg ge⸗ gangen, haben die Kriegsbeſchädigtenfürſorge ins Leben gerufen und daran bekanntlich die Fachaus⸗ ſchüſſe angegliedert. Thoretiſch konnten wir voraus⸗ ſetzen, daß dieſe Fachausſchüſſe Glänzendes leiſten würden. Aber wie iſt es mit ihnen in der Praris ergangen? Gewiß, die Mitglieder der Fachaus⸗ ſchüſſe ſind im Rathaus zuſammengekommen und haben über die Kompentenzen der Fachausſchüſſe be⸗ raten; aber bis zum heutigen Tage iſt, glaube ich. noch kein Fachausſchuß zuſammengetreten, um praktiſche Arbeit zu leiſten; Erfahrungen auf dieſem Gebiete ſind nicht geſammelt, und ich glaube, dieſes Organ, das ſich nicht betätigt, wird vollſtändig ver⸗ kümmern. Deshalb kann ich mir nicht denken, daß wir auf dieſem Gebiete Erfahrungen, die wir im Kriege gemacht haben ſollten, für den Frieden ver⸗ werten können. Meine Herren, daraus können Sie erſehen, wie ſich die Dinge theorethiſch und praktiſch manchmal ſehr ſcharf gegenüberſtehen; ebenſo ſcheint es mir bei mancher Fordernna der heutigen Vorlage der Fall zu ſein, z. B. hinſichtlich der Schaffung eines Archivs. Eine ſolche Forderung iſt in der Lite⸗ ratur und in der Preſſe ſchon oft aufgeſtellt wor⸗ den. Die Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen der Ar⸗ beiter zu durchleuchten, iſt ſicherlich des Schweißes der Edlen wert. Es ſind in dieſer Beziehung ja Vorgänge vorhanden, z. B. hat die Leipziger Orts⸗ krankenkaſſe die Löhne ihrer Mitglieder zuſammen⸗ geſtellt, und ich würde der hieſigen Ortskranken⸗ kaſſe auch ſehr empfehlen, dieſem Beiſpiele zu fol⸗ gen. Einzelne Arbeitsnachweiſe haben ebenfalls die Löhne der Vermittelten in Statiſtiken zuſammenge⸗ Wir kämen nunmehr wenn möglich die Beratung dieſer da er gern dazu das Wori Sitzung am 13. Juni 1917 ſtellt. Aber ſo weit zu gehen, ein Archiv einzurich⸗ ten, in dem ſämtliche Berufe, wie ſich die Vorlage ausdrückt, geſammelt werden ſollen, unter Angabe der Bedingungen, die ſie an beſondere körperliche und geiſtige Eigenſchaften, Körperkraft, Geſundheitszu⸗ ſtand, Vorbildung, Ausbildung, erforderliche Zeit und Geldmittel ſtellen, ſowie der Verdienſtmöglich⸗ keiten und der Ausſichten für die Zukunft, — alles dieſes für ganz Deutſchland durch unſer Archiv zu beſchaffen, das halte ich direkt für eine reine Un⸗ möglichkeit. Es iſt denkbar, daß der Staat, daß das Kaiſerliche Statiſtiſche Amt, beſonders die Arbeits⸗ abteilung, einer ſolchen Aufgabe gewachſen iſt. Aber wie eine Stadt wie Chartottenburg das einſchlä⸗ gige Material beſchaffen, es aufarbeiten und noch zu⸗ letzt auf dem laufenden halten ſoll, iſt mir nicht recht klar, es ſei denn, daß ein ganz großes Büro mit einem Direktor an der Spitze ins Leben gerufen wird. Denn Hilfskräfte allein können ein ſolches umfangreiches Material nicht aufarbeiten, ſondern es müßte zweifellos ein akademiſch gebildeter Herr an der Spitze eines ſolchen Büros ſtehen, um den Aufgaben gerecht zu werden, die die Vorlage im Auge hat. Aber ſelbſt unter der Annahme, daß das Archiv durchführbar wäre, — glaubt man denn in der heutigen Zeit Material zu bekommen, das wirklich für die Beurteilung der Verhältniſſe in der Frie⸗ denszeit als Maßſtab dienen kann? Meine Herren, die Löhne ſind gegenwärtig ſo hoch, daß man ſie gar nicht normalen Zeiten zu Grunde legen kann, es ſind Ausnahmelöhne; wollte man jetzt Lohn⸗ ſtatiſtiken machen, wollte man jetzt Statiſtiken über die Arbeitsverhältniſſe aufnehmen und daraus nach⸗ her Schlüſſe in bezug auf die Friedensverhältniſſe ziehen, ſo würde man, glaube ich, den größten Irr⸗ tum begehen. Aber ganz abgeſehen davon, leiden wir alle, jede Behörde, jeder Kaufmann uſw., an einem Mangel an Arbeitsperſonal. Wie man nun hier ſich die Arbeitskräfte beſchaffen will, um ein ſolches Archiw in Zeiten des Krieges ins Leben tre⸗ ten zu laſſen, iſt mir nicht recht verſtändlich. Eine andere Frage, die in der Vorlage aufge⸗ worfen wird, iſt die Berufsberntung. Keiner von uns wird leugnen, daß wir in dieſen ernſten Zei⸗ ten, wo Tauſende und aber Tauſende Deutſche ge⸗ fallen ſind, wo zu befürchten ſteht, daß in Friedens⸗ zeiten ein Mangel an Arbeitskräften eintreten wird, Menſchenökonomie treiben und danach trachten müſſen, den Arbeiter an die nichtige Stelle zu brin⸗ gen, dorthin, wo er am meiſten leiſten kann. Aber wir müſſen uns immer veraegenwärtigen, daß Vor⸗ ausſetzung einer richtigen Bernfsberatung iſt, daß der Arbeitsnachweis in dem Gebiet, für das er ein⸗ gerichtet iſt, den Arbeitsmarkt beherrſcht, daß er in Fachahteilungen gealiedert, daß er organiſiert iſt, ſo daß wir die Möglichkeit haben, diejenigen, die wir zu beraten haben, auch in die richtige Stellung zu bringen. Aber die Vorlage iſt gerade da am ſchwächſten, wo wir eiaentlich am meiſten von ihr hätten er⸗ warten müſſen. Ueber den Arbeitsnachweis ſagt ſie nur folgendes: 4 Seine Organiſation iſt ſeit Jahren den örtlichen Bedürfniſſen entſprechend ausaebaut. Die etwa notwendig werdenden Veränderun⸗ gen werden ſich weiterhin aus der Geſtaltung der wirtſchaftlichen Verhältniſſe ergeben.