Sioung am 13. Junt 1917 Meine Herren, betrachten Sie doch einmal, wie es ſich in Wahrheit mit unſerm Arbeitsnachweis verhält. Leſen Sie ſich einmal die Monatshefte durch, die wir regelmäßig vom Statiſtiſchen Amt zugeſtellt bekommen, und da werden Sie ſehen, daß der Charlottenburger Arbeitsnachweis im großen ganzen nur ungelernte Arbeiter vermittelt. Auch bei den weiblichen Abteilungen finden Sie, daß ſich die größte Zahl der Vermittlungen auf Aufwärte⸗ rinnen, Reinemachefrauen und Dienſtmädchen er⸗ ſtreckt. Nur ganz kleine Anſätze ſind ſowohl bei den Männern wie bei den Frauen in bezug auf eine Facharbeitervermittlung vorhanden. Daher glaube ich, daß wir, bevor wir die FIrige des Arbeitsamtes löſen, erſt an die Frage der Organiſation des Ar⸗ beitsnachweiſes herangehen müſſen. Wir ſollten bei der Organiſation des Arbeitsnachweiſes den Lokal⸗ patriotismus und Lokalpartikularismus vollſtändig hinantſtellen, wir ſollten uns beſtreben, einen Fach⸗ arbeitsnachweis für Groß⸗Berlin zu ſchaffen Meine Herren, auch mit der Lehrlingsvermitt⸗ lung, die auch in der Vorlage geſtreift iſt, ſteht es in Charlottenburg nicht günſtig. Die jährliche Ver⸗ mittlung von 100, 200 oder vielleicht auch 300 Stellen iſt nicht ſo bedeutſom, daß man darauf einen ſo großen Bau errichten kann, wie es die Vor⸗ lage erfordert. 2 Ich komme nun zu einem dritten Punkt der Vorlage, der auch ſehr wichtig iſt, nämlich die Orga⸗ niſation der Deputation. Vorgeſchlagen wird in der Vorlage, daß die Deputation aus fünf Magi⸗ ſtratsmitgliedern, vier Stadwerordneten, ſechs Herren vom Gewerbegericht und einer Reihe von Sachverſtändigen beſtehen ſoll. Ich nehme an, daß die Sachverſtändigen, beſonders auch die Frauen, die mit hineingewählt werden, nicht bloß mit raten, ſondern auch mit taten ſollen. Daraus ergibt ſich das Verhältnis, daß Magiſtrat und Stadtverordnete, die die Verantwortung für die Einrichtung der Stadt tragen, gegenüber den Sachverſtändigen und ſonſtigen Vertretern eventuell in die Minderheit geraten können. Das iſt meines Erachtens ein Mangel der Organiſation, der nicht wünſchenswert erſcheinen kann. Ich glaube auch nicht, daß die Rechte der Stadtverordneten, wenn ſie nur mit vier Mandaten bedacht werden, aenügend gewahrt ſind. Die geringe Vertretung der Stadtverordneten in der Deputation ſcheint mir auch mit Rückſicht auf die kommenden Zeiten nicht angebracht. Denn wenn auch gegenwärtig für den Arbeiter gute Zeiten in⸗ ſofern gekommen ſind, als ein großer Arbeiterman⸗ gel beſteht, wenn auch unter dem Zwana des Zivil⸗ dienſtgeſetzes keine Streiks und Lohnſtreitigkeiten ausbrechen werden, ſo muß man doch darüber nach⸗ denken, wie ſich eventuell im Frieden die Arbeits⸗ lage entwickeln wird. Da glaube ich, daß infolge von Lohn⸗ und Arbeitsſtreitigkeiten den Arbeitsnach⸗ weis Fragen beſchäftigen werden, an deren Austra⸗ gung die Stadtverordnetenverſammlung ſich ganz erheblich beteiligen dürfte. Meine Herren, man könnte ſagen: ja, jetzt iſt die Beteiligung der Stadtverordneten an den Ver⸗ handlungen der Deputation für den Arbeitsnachweis doch verhältniemäßig gering. Ich gebe zu, daß manchmal in der Deputation nur ein Stadtwerord⸗ neter vertreten war. Aber das erklärt ſich aus den Kriegszeiten, durch die die Arbeitstätigkeit des Ein⸗ zelnen oft allzu ſehr in Anſpruch genommen iſt, und zweitens kann noch ein anderer Umſtand die geringe 109 Beteiligung der Stadtverordneten erklären. Neben dem Arbeitsnachweis beſteht noch die Kriegsfürſorge, und faſt dieſelben Gegenſtände, die in der Kriegs⸗ fürſorge behandelt werden, haben auch die Deputa⸗ tion für den Arbeitsnachweis beſchäftigt, was zur Folge hatte, daß die Herren, die nicht gern dieſelben Gegenſtände in zwei Deputationen behandelt wiſſen wollen, ſich von den Arbeiten einer Deputation zu⸗ Ackgezogen haben. Sicher aber iſt, daß, wenn große Fragen der Arbeitsvermittlung und der Arbeitsbe⸗ Dingungen verhandelt werden, auch die Luſt zur Mit⸗ arbeit bei den Stadtverordneten wieder erwachen wird, und ich glaube beſtimmt, daß wir dann nicht über den ſchlechten Beſuch der Arbeitsnachweisdepu⸗ tation zu klagen haben werden. Meine Herren, aus allen dieſen Umſtänden er⸗ ſehen Sie, daß theoretiſche Möglichkeiten ſehr hart mit den praktiſchen Wirklichkeiten aneinander gera⸗ ten können, und deshalb glaube ich, daß die Ver⸗ handlungen über dieſe Vorlage, die wir doch höchſt⸗ wahrſcheinlich einem Ausſchuß überweiſen werden, ſehr eingehend und ſehr ſachgemäß geführt werden müſſen. Ich gebe zu, daß der Verfaſſer der Vor⸗ lage den Arbeiterfragen ein warmes Herz entgegen⸗ bringt; aber das ſoll mich nicht davon abhalten, zu ſagen, daß hier viel gewünſcht wird, was noch ſehr der Prüfung bedarf, und deshalb bitte ich Sie, die Vorlage einem Ausſchuß von 15 Mitgliedern zu überweiſen. Stadtv. Gebert: Meine Herren! Meine Freunde ſtehen im Prinzip auf dem Standpunkt, daß es außerordentlich notwendig ſei, für Charlotten⸗ burg eine Einrichtung ins Leben zu rufen, die die allgemeinen Fragen der Arkeiterbevölkerung be⸗ arbeitet, und daher die Schaffung eines Arbeits⸗ amts ein unbedingtes Erfordernis iſt. Allerdings können meine Freunde der Vorlage des Magiſtrats in ihrer jetzigen Geſtalt nicht zuſtimmen. Sie iſt nach meiner Auffaſſung einem Gebäude vergleichbar, das weder ein Dach noch einen Grundſtein beſitzt und deshalb unbedingt in ſich ſelbt zuſammenſtürzen muß. Es kommen aber auch hierkei Fragen in Be⸗ tracht, die nach meinem Dafürhalten der Magiſtrat nicht in Erwägung gezogen hat, ich meine die Fra⸗ gen, die mit dem allgemeinen Wirtſchaftsgebiet für Groß⸗Berlin zuſammenhängen. Meine Herren, in Berlin hat man ſich mit der Schaffung eines Arbeitsamts beſchäftigt, und man iſt zu der Ueberzeugung gekommen, daß dieſe Frage jetzt gar nicht als akut bezeichnet werden kann. Der Herr Oerpräſident hat Herrn Stadtrat Fiſchbeck gegenüber erklärt, es wäre wohl weit beſſer, die Be⸗ handlung dieſer Frage bis nach dem Kriege zu ver⸗ tagen. Herr Kollege Dr Rothholz hat ja auch auf verſchiedene Mängel der Vorlage hingewieſen; aber ſie läßt noch weit wichtigere Geſichtspunkte unberück⸗ ſichtigt. So ſind Arbeitsnachweis und Arbeits⸗ loſenfürſorge nicht von einander zu trennen, ſie ge⸗ hören unbedingt zuſammen, und es ſteht nun einmal feſt, daß die Arbeitsloſenverſicherung, die wir hier in Charlottenburg eingeführt haben, beileile nichr eine ideale Einrichtung darſtellt. Es kommt noch hinzu, daß lange Verhandlungen nach dieſer Rich⸗ tung gepflogen worden ſind, und leider hat es der Charlottenburger Magiſtrat nicht über ſein Herz bringen können, mit den ausſchlaggebenden Fak⸗ toren, den Gewerkſchaften, gemeinſam die Arbeits⸗ loſenfürſorge auf ähnlicher Grundlage wie Berlin