Sitzun) am 27. Juni 1917 Ein weiterer Kampf entſpann ſich bei der Frage der Zuwahl von Frauen in die Deputation für höhere Lehranſtalten für die männliche Jugend. Ein Teil der Mitglieder Ihres Ausſchuſſes ſtand auf dem Standpunkt, daß zu einer Einbeziehung neuer De⸗ putationen in die Vorlage des Magiſtrats überhaupt fein Anlaß wäre, da ja die Frauenvereine ſelber in ihrer Eingabe einen entſprechenden Wunſch gar nicht ausgeſprochen hätten. In der Kommiſſionsberatung wurde feſtgeſtellt, daß die Führerin der Frauenver⸗ eine erklärt hätte, daß es ihnen vollkommen fern ge⸗ legen habe, auf dieſen Wunſch verzichten zu wollen, die Frauenvereine hätten nur in erſter Linie, da die Vorlage ſich mit beſtimmten Deputationen beſchäf⸗ tigte, hierfür den Wunſch auf Zuwahl mehrerer Frauen ausgeſprochen, ſie legten aber Wert darauf, daß auch die Zuwahl von Frauen in weitere Depu⸗ tationen erfolgte. — Bezüglich der Deputation für die höheren Lehranſtalten für die männliche Jugend wurde noch von ſachverſtändiger Seite erklärt, daß die Tätigkeit dieſer Deputation in der Oeffentlichkeit und auch wohl in Stadtverordnetenkreiſen, die der Deputation nicht angehörten, teilweiſe falſch beurteilt würde. Dieſe Deputation hat nichts mit dem inneren Schulbetrieb, mit der Auswahl des Lehrſtoffs, mit der Behandlung der Schüler und ähnlichem zu tun, ſondern hat im weſentlichen die Aufgabe, die Wahl der Lehrer vorzunehmen und ſich mit der äußeren Schulordnung zu befaſſen. Unter dieſen Umſtänden hat die Mehrheit der Kommiſſion — ich glaube ſo⸗ gar, es war die Geſamtheit des Ausſchuſſes, aber ich kann mich in dieſem Punkte irren — in der zweiten Leſung den in der erſten Leſung angenommenen Be⸗ ſchluß wieder aufgehoben. Ebenſo hat der Ausſchuß, um zu einem einmütigen Beſchluſſe zu kommen, nach⸗ dem der Magiſtrat erklärt hatte, der Zuwahl von zwei Frauen in die Deputation zur Hebung der Volksſchulen und in die Deputation für das höhere Mädchenſchulweſen vorausſichtlich zuſtimmen zu können, auch den Beſchluß wieder aufgehoben, zwei Frauen in die Deputation für Geſundheitspflege zu entſenden. So iſt der Beſchluß, den Sie auf Seite 118 der Druckſachen als Ergebnis der zweiten Leſung vorfinden, zuſtande gekommen. Meine Herren, mit Rückſicht auf die Wichtinkeit der Vorlage für die Frauen und die Gemeinde, fer⸗ ner in Anbetracht deſſen, daß dieſe Vorlage nun auch ſchleunigſt von beiden Körperſchaften in gleicher Weiſe zum Beſchluſſe erhoben werden ſellte, möchte ich Sie bitten, von Abänderungsanträgen Abſtand zu nehmen und der Vorlage, wie ſie aus dem Ausſchuſſe h.rrorgegangen iſt, zuzuſtimmen. Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Daß die Vorlage auch in der Faſſung, wie ſie uns vorliegt, einen Fortſchritt bedeutet, haben wir nicht beſtritten. Wir haben aber betont und betonen es noch, daß dieſer Fortſchritt in durchaus unzulänglichem Maße erfolgen ſoll. Nachdem die Notwendigkeit anerkannt worden iſt, die Sachkunde und die Arbeitsfreudig⸗ keit weiterer Frauenkreiſe in den Dienſt der Ge⸗ meindearbeit zu ſtellen, ſollte man mit der Heran⸗ ziehung der entſprechenden Kräfte weitherziger ſein, als es die Magiſtratsvorlage und ebenſo die Be⸗ ſchlüſſe der Kommiſſion Ihnen empfehlen. (Stadtv. Bernhard: Sehr richtig!) Wenn wir hier Abänderungsanträge geſtellt haben, ſo ſind wir uns wohl bewußt, daß die Vor⸗ 121 lage des Ausſchuſſes auf einer Art Kompromiß mit dem Magiſtrat beruht, aber auf einem Kompromiß, an dem wir uns nicht beteiligt haben. Wenn ferner unter unſeren Anträgen einer iſt, den unſere Ver⸗ treter im Ausſchuß ſelbſt nicht geſtellt haben — nun, meine Herren, Sie werden⸗ ja wiſſen, wie das geht: wenn bei dem bekannten bethlehemitiſchen Kinder⸗ mord, wo ein Antrag nach dem andern abgelehnt wird, einem ſchließlich die Luſt vergeht, weitere An⸗ träge zu ſtellen, ſo iſt damit eine Fmktion in keiner Weiſe verbunden, ebenfalls dieſe Entſagung zu üben. Wenn wir beantragen, in jede Deputation, zu der die Zuwahl von Frauen erfolgen ſoll, zwei Frauen zu nehmen — wir ſind uns dabei bewußt, daß die ſchon lange beſtehende Rechtslage es zur⸗ zeit noch verbietet, unſerm allgemeinen Antrage, einfach in jede Deputation Frauen zu entſenden, ſtattzugeben —, ſo ſind die Gründe dafür ſchon mehrfach erörtert worden. Ich will nur darauf hinweiſen, daß Verhinderungen nicht nur beruf⸗ licher, ſondern auch geſundheitlicher Natur die Mit⸗ arbeit eines einzelnen Mitgliedes gewiſſermaßen vom Zufall abhängig machen. Wir dürfen auch nicht vergeſſen: wenn eine Frau herangezogen wird, ſo wird in den ſeltenſten Fällen eine Frau genom⸗ men werden, die nicht den Kreiſen angehört, denen die froſt Mehrheit unſerer Verſammlung zuzu⸗ zählen iſt; die breite Schicht der Bevölkerung, in der ebenfalls ſachkundige und arbeitsfreudige Frauen vorhanden ſind, wird ſeltener, vielleicht auch 80. nicht herangezogen werden. Ich glaube, dieſer Ge⸗ ſichtspunkt, der verlangt, daß man den Frauen der breiten Maſſe, der Arbeiterklaſſe, obenfalls die Mit⸗ arbeit an unſerer Gemeindearbeit möglich macht, ſollte berückfichtigt werden und Sie veranlaſſen. unſerm allgemeinen Antrage, überall zwei Frauen hinzuzuwählen, zuzuſtimmen. Wenn wir weiterhin fordern, daß die Wahl nicht durch die Deputation, ſondern durch dieſe Ver⸗ ſammlung erfolgt, ſo ſollte dieſes Verlangen eigent⸗ lich für eine Verſammlung wie die unſrige ſelbſtver⸗ ſtändlich ſein. Ich ſehe wirklich nicht ein, weshalb die Stadtwerordnetenverſammlung, die doch die Mehrheit der Deputationsmitglieder ſonſt wählt, auf dieſes Recht dort verzichten ſoll, wo ein neuer Ge⸗ danke, die Erweiterung des bisherigen Mitarbeiter⸗ kreiſes durch Zuwahl von Frauen, durchgeſetzt wer⸗ den ſoll. Es ſcheint mir gerade wünſchenswert, daß dieſe Wahlen ſich nicht gewiſſermaßen in der ge⸗ heimen Kammer der Deputationen, ſondern in dem Lichte der Oeffentlichkeit, wie es dieſe Verſammlung darſtellt, vollzichen. Wie wird es denn ſein? Es wird irgend eine Dame vorgeſchagen werden, die durch ihre praktiſche Tätigkeit den maßgebenden Kreiſen der Deputation bekannt iſt, während es durchaus wünſchenswert iſt, daß auch weitere Frauen⸗ kreiſe herangezogen werden. Wenn in der Aus⸗ ſchußſitzung die Befürchtung geäußert worden iſt, die Wahl durch die Verſammlung könnte etwa dahin führen, daß nur die Vertreterinnen der Frauenver⸗ eine, alſo die Damen, die in der Oeffentlichkeit das große Wort führen, zugezogen werden — nun, meine Herren, ich glaube zunächſt, daß im allgemeinen unſere Frauenbewegung, bürgerliche oder proleta⸗ riſche, auf der Höhe ſteht, daß auch dort ſachkundige Frauen maßgebend ſind. Sollte im übrigen die Verſammlung in dem einen oder andern Punkte anderer Meinung ſein als die betreffenden Frauen⸗ vereinigungen, ſ5 ſteht ja dem nichts im Wege, andere Frauen zu wählen, als dort vielleicht genehm ſind.