124 Was die Rechtsfrage in bezug auf die Wahl der Deputationsmitglieder betrifft — nun, meine Herren, in dem Punkte ſind wir doch wohl einig: wenn wir uns auf den Buchſtaben des ſogenannten Rechtes ſtellen wollen, dann iſt die ganze Vorlage hinfällig, dann dürfen Frauen nur in einzelnen Fällen und von Fall zu Fall gewählt werden. Das geht aus dem Buchſtaken der Inſtruktion ganz deut⸗ lich hervor. Wenn man aber in neuerer Zeit in den maßgebenden Behördenkreiſen geneigt geweſen iſt, dieſe Inſtruktion weitherziger auszulegen, wenn die bisherige Durchbrechung jenes Buchſtabenwortlauts in keiner Weiſe geſtört worden iſt, ſo dürfen wir es auch jetzt, glaube ich, ruhig darauf ankommen laſſen, ob gerade in dieſer Beziehung das Miniſterium oder die Verwaltungsgerichte Veranlaſſung nehmen wür⸗ den, deshalb, weil die Stadtverordneten ſelbſt das Wahlrecht in Anſpruch nehmen wollen, die Vorlage als ungeſetzlich und unzuläſſig zu erklären. Wenn der Herr Oberbürgermeiſter meinte, der Magiſtrat könnte das Recht der Wahl auch in An⸗ ſpruch nehmen —, nun, wir haben nichts dagegen, daß der Magiſtrat auch noch Frauen in die Depu⸗ tationen hineinwählt. Dann werden es noch einige mehr ſein. Wenn der Herr Oberkürgermeiſter zu Eingang ſeiner Ausführungen geſagt hat, es handle ſich hier um einen Wettlauf zu Gunſten der Frauen — meine Herren, die Frauen, die hier in erſter Linie in Frage kommen, die eine rührige Agitation getrieben haben, ſtehen unſerm Gedankenkreiſe ſo fern, daß da ein Wettlaufen nicht in Frage kommen kann, und ein Wettlaufen um die Gunſt der proletariſchen Frauen brauchen wir nicht zu veranſtalten. Im übrigen möge ſich der Herr Oberkürgermeiſter ein für allemal ge⸗ ſagt ſein laſſen: mir und meinen Freunden liegt ein Wettlauf um die Gunſt irgendeines, mag dieſer Ge⸗ danke dem einen oder anderen auch noch ſo nahe liegen, unendlich fern; wir handeln nach dem, was wir für Recht erkannt haben! (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren! Einem großen Teil meiner Freunde geht der Antrag des Ausſchuſſes ebenfalls nicht weit genug, und dieſer Teil hätte gewünſcht, daß den Frauen ein erheb⸗ licherer Teil an Möglichkeit zur Mitarbeit einge⸗ räumt worden wäre. Wir erkennen zwar an, daß kei dem grundſätzlichen Aufbau, auf dem die Ma⸗ giſtratsvorlage beruht, wonach die Zuwahl von Frauen mit dem Recht auf Zuziehung von Sach⸗ verſtändigen begründet wird, es richtig iſt, daß die Wahl derjenigen Frauen, die in die Deputationen zugelaſſen werden ſollen, durch die Deputationen ſelbſt erfolgt. Hierzu haben wir keine Bemänge⸗ lungen zu erheben und auch keine anderen Wünſche auszuſprechen. Dagegen folge ich den beiden Herren, die ſich bisher für eine weitherzige Auslegung der in Betracht kommenden Beſtimmungen ausgeſprochen haben, auch namens eines großen Teiles meiner Fraktionsfreunde. Meine Herren, es iſt ja wahr: wenn man for⸗ maliſtiſch und ſtreng juriſtiſch die beſtehenden Be⸗ ſtimmungen der Städteordnung auslegt, ſo iſt der einzig formal richtige Weg derjenige, den uns die Magiſtratsvorlage weiſt. Demgegenüber ſtehen aber doch größere und wichtigere Intereſſen, eine Zeit⸗ ſtrömung, die nicht zu verkennen iſt und der zu fol⸗ gen meiner Anſicht nach jeder praktiſche Kommunal⸗ Sit ung an 7. Juri 1917 politiker ſich angelegen ſein laſſen ſollte. Es handelt ſich auch auf kommunalpolitiſchem Gebiete um das Drängen nach einer Neuordnung, dem man ſich nicht entziehen ſollte. Die Neuordnung in der vorliegen⸗ den Frage iſt praktiſch ſchon in ſehr vielen Kom⸗ munen eingeführt, ohne daß die Aufſichtsbehörden Anlaß genommen hätten, gegen dieſe vielleicht nicht auf ganz ſtreng formaliſtiſch⸗juriſtiſcher Grundlage beruhende Einrichtung Einſpruch zu erheben. Viel⸗ mehr iſt ihr, Herr Oberkürgermeiſter, wenn Sie auch den Kopf ſchütteln, ſchon in vielen Städten, wo Frauen in die allerverſchiedenſten Deputationen hineingekommen ſind, die Sanktion erteilt worden, ohne daß die betreffenden Regierungspräſidenten da⸗ gegen Einſpruch erhoben haben. Es handelt ſich hier anſcheinend um eine ſtillſchweigende Duldung. Ich habe das Schriftenmaterial hierüber leider nicht mit⸗ gebracht, weil ich nicht dachte, daß ſich an den Aus⸗ ſchußantrag eine Diskuſſton anſchließen würde, und weil, wie ich erklären kann, meine Freunde. ent⸗ ſchloſſen ſind„ dem Antrag Katzenſtein nicht zuzu⸗ ſtimmen. Wir nehmen dieſe Stellung, weil wir der Anſicht ſind, daß der Ausſchußantrag auf Grund eines Kompromiſſes zwiſchen dem Magiſtrat und dem Ausſchuß zuſtande gekommen iſt, und wir wün⸗ ſchen, die Sache weiter zu bringen und die Frage der Mitarbeit der Frauen endlich einem praktiſchen Anfang entgegenzuführen. 2 Aus dieſem Grunde werden wir dem Ausſchuß⸗ antrag zuſtimmen und enthalten uns der Geltend⸗ machung unſerer weitergehenden Wünſche. Stadtu. Bernhard: Meine Herren! Ich muß mich entſchieden dagegen verwahren, daß der Herr Oberbürgermeiſter mit einigem Erſtaunen plötzlich erſt heute mein wahres Geſicht kennen gelernt halen will. Ich habe auch bisher keine Maske getragen, ſo daß mein Geſicht ſtets ſehr deutlich zu erkennen geweſen iſt und daß es dem Herrn Oberbürgermeiſter, wenn er gewollt hätte, ſehr leicht geweſen wäre, mein wahres Geſicht zu erkennen. Ich verwahre mich weiter dagegen, daß ich nicht aus ſachlichen Gründen die Stellung einnehme, die ich eingenommen habe. Ich könnte genau ſo gut dem Herrn Oberbürgermeiſter zurückgeben, daß ich eigentlich keinen ſachlichen Grund erſehen kann, aus dem, wenn wir heute wirklich beſchließen würden, zwei Frauen ſtatt einer in die Deputation zu wäh⸗ len, dann der Magiſtrat gezwungen wäre, ſeinen Antrag zurückzuziehen. IIch halte aber die ganze Erklärung, die der Herr Oberbürgermeiſter hier abgegeben hat, um des⸗ willen für beſonders ſonderbar, weil, wie Herr Kol⸗ lege Dr Liepmann eben mit Recht geſagt hat, der Antrag des Ausſchuſſes, der uns heute vorliegt, einen Kompromiß zwiſchen Stadtverordnetenverſamm⸗ lungs⸗Ausſchuß und Magiſtrat darſtellt. Dann war es doch wohl wirklich nicht notwendig, heute noch gewiſſermaßen mit der Zurückziehung der Vorlage und der damit mindeſtens doch verknüpften Ver⸗ ſchleppung zu drohen. Ich war urſprünglich geneigt, mit dem Kollegen Katzenſtein zu ſtimmen; ich hatte mich auch, um dieſer Meinung Ausdruck zu geben, vorher ſchon z m Worte gemeldet und meinen Kollegen gegenüber gar kein Hehl daraus ge⸗ macht, daß ich gegen die Mehrheit meiner Fraktionsfreunde zu ſprechen beabſichtige. Ich hatte alſo von vornherein ſchon beabſichtigt, aus einwandfrei ſachlichen Gründen dieſe Stel⸗ lung einzunehmen. Ich hatte mich dann ent⸗