Sitzung am 27. Juni 1917 Meine Herren, ich ſage: wenn es dringend not⸗ wendig wäre, dann müßte man die Mittel aufbrin⸗ gen, um auf anderem Wege den Hauskeſitzern zu helfen oder den Mietern, den bedürftigen Mietern wenigſtens, dieſe Mehrbelaſtung zu erſparen. Wenn zahlloſe Milliarden vorhanden ſind, um den Exiſtenzkampf für die Unverſehrtheit unſeres Landes zu ſühren, wenn Milliarden und Abermilliarden vorhanden geweſen ſind, die man den Kriegsſpeku⸗ lanten und Lebensmittelwucherern hat zuwenden müſſen, dann werden auch die Millionen vorhanden ſein müſſen, um den bedürftigen Schichten der Be⸗ völkerung dieſe ſchwere Belaſtung zu erſparen. Wenn man ſagt: auch der Hausbeſitz iſt in einer Notlage, — ja, meine Herren, wir haben da einen großen Kampf, der ſeit vielen Jahrzehnten zwiſchen der Bodenrente und den Konſumenten, d. h. hier der Mieterſchaft, geführt worden iſt. Wenn in dieſem Kampfe nun einmal die Stellung des Bodenbeſitzes einen Schritt zurückgedrängt wird, ſo kann das im Intereſſe der Allgemeinheit nicht bedauert werden. Ich verſtehe die Notlage eines beträchtlichen Teiles der Hauswirte durchaus; ich halte aber die Maß⸗ nahme einer ſo ziemlich allgemein durchgeführten Mietſteigerung ohne Rückſicht auf die Leiſtungsfähig⸗ keit des Mieters für durchaus unangebracht. Ich halte es für dringend geboten, daß die öffentlichen Organe, daß alſo in erſter Linie die Verwaltungen der nächſtbeteiligten Städte alles tun, was in ihrer Macht ſteht, um die nötigen Maßnahmen dagegen ins Werk zu ſetzen. Oberbürgermeiſter Dr Scholz: Meine Herren! Ich darf zunächſt in formeller Beziehung das feſtſtellen, was ich vorhin ſchon auf die Anfrage des Herrn Vorſtehers wegen Beantwortung dieſer Inter⸗ pellation geſagt habe, daß nämlich der Magiſtrat mit dieſer Angelegenheit noch nicht befaßt geweſen iſt. Ich bitte Sie alſo, meine Aeußerungen mit der ſich daraus ergebenden Reſervation aufnehmen zu wollen. Zweitens darf ich — auch formell — feſt⸗ ſtellen — in dieſer Beziehung befinde ich mich durch⸗ aus im Einverſtändnis mit dem Herrn Vorredner —, daß der Magiſtrat ſelbſtändig in dieſer Sache vor⸗ zugehen nicht in der Lage iſt. Es würde ſich alſo nur darum handeln — das iſt ja auch der Wunſch des Hern Vorredners —, daß der Magiſtrat bei den zuſtändigen Behörden entſprechende Anträge ſtellt und ihnen zur Durchführung verhilft. Was die Materie betrifft, ſo glaube ich feſt⸗ ſtellen zu dürfen, daß gernde bei der Behandlung dieſer Frage äußerſte Vorſicht angebracht erſcheint. Es würde zunächſt, wenn man den Wünſchen des Herrn Vorredners in materieller Beziehung folgte, ein außergewöhnlich ſtarker Eingriff in die Privat⸗ wirtſchaft erfolgen. Wir ſind ja allerdings an der⸗ artige Eingriffe gewöhnt; aber ſie auf ein Gebiet auszudehnen, das bisher davon verſchont war, be⸗ deutet immer einen beſonders ſtarken Schritt, den an nur dann mitmachen ſoll, wenn die Notwendig⸗ keit ihn erfordert. Dazu kommt, daß wohl nirgends die Verhältniſſe des Einzelfalls ſo außerordentlich verſchieden liegen wie gerade auf dieſem Gebiet. Eine generelle Regelung nach irgendwelcher Richtung ſcheint mir abſolut ausgeſchloſſen. Das einzige, was überhaupt erwägenswert wäre, wäre, die örtlichen Inſtanzen mit einer ganz differenziellen Prüfung des Einzelfalles zu betrauen und ihnen eine ſchoidung zuzuſchieben, die ſie tatſächlich mit dem Ent⸗ 127 beſten Willen und Gewiſſen vor ſich ſelbſt kaum ver⸗ antworten können. (Sehr richtig!) Ich will mit dieſen allgemeinen Ausführungen nur begründen, daß es außerordentlicher Vorſicht be⸗ darf, wenn man überhaupt an die Beſprechung dieſer ſehr ſchwierigen Materie herantritt, und daß man nicht einfach aus dem Gefühl heraus, nun mal Mieter zu ſein — das bin ich nämlich auch —, den Wunſch hat, daß der Hausbeſitzer einen möglichſt nicht ſteigern ſoll — einen Wunſch, den ich auch teile —, und daraus nun Schlüſſe oder beſſer Sentiments herleitet, die einer genauen Prüfung kaum ſtand⸗ halten. Meine Herren, ich darf Ihnen zunächſt in ſach⸗ licher Beziehung mitteilen, daß über dieſe ohne Zwei⸗ fel augenblicklich lebhaft diskutierte Frage auch in unſerem Kreiſe bereits zwei Beſprechungen ſtattge⸗ funden haben, d. h., daß alſo eigentlich der Wunſch des Herrn Vorredners in formeller Beziehung bereits erfüllt iſt. Die eine Beſprechung fand bei dem Oberkommandierenden in den Marken unter Beteili⸗ gung ſämtlicher Groß⸗Berliner Gemeinden und einer Reihe anderer Perſönlichkeiten ſtatt. Sie endigte damit, daß die Verſammlung im Augenblick eine ſo ſtarke Notlage auf dieſem Gebiet, daß ſie zu rück⸗ ſichtsloſem Eingreifen nötigte, nicht anerkennen konnte, daß im Gegenteil feſtgeſtellt wurde, daß, ob⸗ wohl hier und da natürlich Mietsſteigerungen, vielleicht auch einmal unangebrachte — das kommt aber auch im Frieden vor —, ſtattgefunden hätten, doch eine allgemeine Kalamität auf dieſem Gebiet nicht anerkannt werden könne. Man war allgemein der Anſicht — der Oberbefehlshaber in den Marken hat ſich natürlich ſeine Schritte vorbehalten —, daß zur Zeit ein geſetzgeberiſches oder verwaltungs⸗ mäßiges Einſchreiten auf dieſem Gebiete nicht zweck⸗ mäßig erſchiene. Zweitens hat eine Konferenz innerhalb unſerer Gemeindeverwaltung ſtattgefunden, die der Herr Stadtſyndikus als Vorſitzender des Mieteinigungs⸗ amtes einberufen hat und die die Vorſitzenden und Beiſitzer des Mieteinigungsamtes umfaßte. Der Schlußeffekt dieſer, wie man doch wohl feſtſtellen darf, aus Sachverſtändigen beſtehenden Verſammlung war der, daß, wie ſich hier aufgezeichnet findet, die Ver⸗ ſammlung einſtimmig der Auffaſſung war, „daß ſich der Erlaß einer Verordnung, wonach Steigerungen des Mietzinſes nur unter be⸗ hördlicher Aufſicht zuläſſig ſeien, nicht empfehle.“ Meine Herren, ich darf wohl auf Ihre Zuſtim⸗ mung rechnen, wenn ich ſage, daß die formellen Wünſche des Herrn Vorredners durch dieſe beiden Verſammlungen nahezu erfüllt ſind. Denn wir haben diejenigen Inſtanzen, die in Frage kommen, damit befaßt. Die Inſtanzen haben ſich allerdings in einem Sinne geäußert, wie er vielleicht dem Herrn Vorredner nicht paßt; aber es ſind jedenfalls die Inſtanzen geweſen, die in erſter Linie zuſtändig und ſachverſtändig ſind. Man wird aus dieſen Feſtſtellungen, und ich glaube auch, objektiv, folgendes ſagen können. Die Frage wäre erwägenswert, wenn ſich Zuſtände auf dieſem Gebiete herausgeſtellt hätten, die ſo himmel⸗ ſchreiend ſind, daß ſie eine Gefährdung der öffent⸗