130 Ich möchte zunächſt davon ausgehen, daß gegenwärtig die Teuerung aller Lebensmitel und alles ſonſtigen Lebensbedarfs einen ſo hohen Grad erreicht hat, daß jeder Hausbeſitzer zunächſt einmal für ſich und ſeinen Haushalt ſehr erheblich erhöhte Aufwendungen gegen früher nötig hat. Wenn die Feſtbeſoldeten — ich denke hiertei insbeſondere an die Beamten und Arbeitar unſerer Stadt — unter der Teuerung leiden, ſo hilft ihnen die Kommune, in anderen Fällen der Staat oder das Reich durch Erhöhung ihrer Bezüge, damit ſie die Aufwendungen leichter beſtreiten können. und in den Großſtädten muß ja der Hausbeſitzer⸗ beruf auch als ein Beruf, ein Gewerbe gelten — iſt eine ſolche Hilfe nicht zu leiſten; ſie ſind darauf angewieſen, durch Steigerung ihrer Preiſe ihre Exiſtenzmöglichkeit zu erhalten. Ob das im Krieg auch kerechtigt iſt — über die Berechtigung im Frie⸗ den verliere ich kein Wort, das iſt ſelbſtverſtändlich —, will ich dahingeſtellt ſein laſſen. Worauf aber unbedingt Gewicht zu legen iſt und was außer jedem Zweifel ſteht, das iſt, daß der Hausbeſitzer ber eſch⸗ tigt iſt, zu verſuchen, die Mehraufwendungen und Ausfälle, die ihm unmittelbar aus ſeinem Grundſtück entſtehen, durch Steigerung der Mieten herauszu⸗ bekommen. Doß die Mehraufwendungen in üler⸗ aus zahlreichen Fällen außerordentlich erheblich ſind, das hat der Herr Kollege Dr Liepmann mit zu⸗ treffenden Darlegungen ausgeführt. Die Hypotheken⸗ not, von der er ja auch geſprochen hat, erſchöpft ſich nicht darin, daß die Hypotheken teurer geworden ſind, ſonder ſie beruht vor allen Dingen darin, daß die zweite Hypothek überhaupt kaum mehr zu haben iſt (Sehr richtig!) und daß der Hausbeſitzer genötigt iſt, anſtatt einer normal verzinslichen zweiten Hypothek ſich kurzfriſti⸗ ges und hochverzinsliches Geld zu beſchaffen. Daß Heizung, daß Renovationen, daß Ausgaben für den Portier, Ausgaben für Hilfskräfte aller Art das Mehrfache gegen früher koſten, hat der Herr Kollege Dr. Liepmann auch ſchon geſagt; ich will es nicht wiederholen. Aber ich darf doch noch darauf auf⸗ merkſam machen, daß ſelbſt die Zeit der großen Mietausfälle für den Hausbeſitz heute noch nicht itberwunden iſt. Es iſt zwar jetzt eine beſſere Kon⸗ junktur für kleine und mittlere Wohnungen; die großen Wohnungen ſind indes immer noch ſchwer zu vermieten, und namentlich gilt das gleiche von Läden, Reſtaurationsräumen und dergleichen. Die Hausbeſitzer kalen hieran nach wie vor ganz erheb⸗ liche Ausfälle. (Sehr richtig!) Meine Herren, wir werden wohl alle hier, hoffe ich, den Standpunkt einnehmen, daß keinem Men⸗ ſchen, alſo auch nicht dem Hausbeſitzer, zuzumuten iſt, daß er freiwillig an ſeinem Beſitze, von dem er Vorteile haben muß, um leben zu können, Verluſte erleidet, und wir werden es deshalb nur als etwas Natürliches anzuſehen haben, wenn er dieſe Verluſte auf dem normalen Wege der Mietsſteigerung aus⸗ zugleichen ſtrebt. Herr Kollege Katzenſtein hat ja — ich gebe ihm dieſe Objektivität gern zu — die Vorausſetzung meiner Ausführungen einigermaßen anerkannt; er hat nur die Folgerung gezogen: wenn eine der⸗ artige Notlage 4 dann mögen ander⸗ Abhilfsmöglichkeiten von Reich, Staat oder Kom⸗ Den freien Berufen Eitzung am 27. Juni 1917 mune geſchaffen werden, beiſpielsweiſe durch das Verbot der Hypothekenſteigerung. Nun ſind wir ja leider gewohnt, jetzt bei jedem privatwirtſchaftlichen Uebelſtand eine Abhilfe durch Reichsgeſetz oder mindeſtens Bundesratsverordnung zu erwarten. Aber mit der Zeit ſollten wir uns doch über⸗ zeugt haben, daß dieſer Weg nicht immer zum Ziele führt. In dieſem Falle würde er ganz gewiß nicht zu dem erwünſchten Ziele führen, weil die Verluſte, die Nachteile, die der Haus⸗ beſitz gegenwärtig erleidet, ſo vielgeſtaltig ſind, daß ſie mit einzelnen Maßnahmen keineswegs zu be⸗ ſeitigen ſind. Gegen die Zinserhöhung der erſten Hypotheken iſt ſchon einigermaßen ein Riegel vor⸗ geſchoben worden. Aber ich habe 174 — und die Ausführungen des Herrn Kollegen Liepmann verſtärken es —, daß eben das doch nur ein ein⸗ ziger, und bei weitem nicht der ſchlimmſte der heu⸗ tigen Schmerzen des Hausbeſitzes iſt. Und wie Reich, Staat und Gemeinde dem Hausbeſitz dagegen helfen ſollen, daß er zweite Hypotheken überhaupt nicht bekommt, daß er die enormen Mehrkoſten für alle Erneuerungsarbeiten aufzuwenden hat, daß die Heizung ihn ſo viel mehr koſtet als ſonſt — ja, meine Herren, das weiß ich nicht, und ich glaube, auch von anderer Seite wird ein Mittel dagegen nicht ange⸗ geben werden können. Deshalb iſt in allen den Fällen, in denen der Hausbeſitzer nennenswert erhöhte Aufwendungen und große Verluſte zu tragen hat — und ich wiederhole, es wird das der überwiegende Teil ſämtlicher Fälle ſein —, dem Hausbeſitzer nicht der geringſte Vor⸗ wurf daraus zu machen, wenn er die Mieten er⸗ höht. Ich ſehe mit dem Herrn Kollegen Katzen⸗ ſtein ein, daß es für die weiten Schichten der Be⸗ völkerung außerordentlich bedauerlich iſt, daß neben anderen Lebensbedürfniſſen — man kann leider ſagen: neben faſt allen anderen Lebensbedürfniſſen — nun auch die Befriedigung des Wohnbedürfniſſes verteuert wird. Das iſt ſehr traurig. Aber es iſt die notwendige, die ſelbſtverſtändliche Folge der Notiage, in der ſich zahlreiche Hausbeſitzer heute be⸗ finden und der nach meiner Ueberzeugung auf einem andern Wege nicht abgeholfen werden kann. Wenn wir alſo in allen dieſen Füllen jedes Eingreifen einer andern Stelle, jedes Eingreifen von Reich, Staat, Kommune oder gar Militärgewalt un⸗ bedingt von der Hand weiſen, ſo entferne ich mich anderſeits allerdings etwas von dem Herrn Kollegen Dr Liepmann inſofern, als er es mit Rückſicht auf die allgemeinen Verhältniſſe für gerechtfertigt er⸗ achtet, daß in allen Fällen, in denen es durchführ⸗ bar iſt und nicht ein beſonderes Schutzbedürfnis des einzelnen Mieters entgegenſteht, eine ſchematiſche Erhöhung der Mietpreiſe eintritt, wie es ſeitens einiger maßgeblicher Grundbeſitzervereine empfohlen worden iſt. (Sehr richtig!) Wir haben uns nun einmal in dieſem Kriege zu der volkswirtſchaftlich außerordentlich ſchwierig zu ler⸗ nenden Theorie bekennen müſſen, daß bei allen Be⸗ darfsmitteln des täglichen Lebens im Kriege Kon⸗ junkturgewinne nicht erzielt werden dürfen, und wir müſſen an dieſer Theorie, die, wie geſagt, weniger ein Gebot volkswirtſchaftlicher Vernunft als tatſäch⸗ licher Notwendigkeit iſt, auch in bezug auf das Wohnungsweſen unbedingt feſthalten. Deshalb kann