Sitzung am 27. Juni 1917 ich nicht umhin, gerade im Intereſſe des Hausbe⸗ ſitzes, das hier zu vertreten ich ja oft die Ehre hatte, ein Bedenken dagegen zu äußern, daß von Hausbe⸗ ſitzervereinen Beſchlüſſe ergehen, die eine ſche ma⸗ tiſche Steigerung der Wohnungsmieten emp⸗ fehlen. Ich ſtehe — ich wiederhole und unterſtreiche das nochmals — auf dem Standpunkte, daß von Fall zu Fall, wo es ſeine Lage erfordert, der Haus⸗ beſitzer Mietsſteigerungen vornehmen kann, daß in dieſen Fällen ihm keinerlei Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden dürfen, daß aber auf der andern Seite eine allgemeine Steigerung, die ſich auch auf Fälle erſtreckt, in denen ein beſonderes Bedürfnis des Hausbeſitzers nicht vorliegt, im Kriege nicht gerechtfertigt und bedenklich iſt. Meine Herren, wenn ich mich nun zu der eigent⸗ lichen Frage wende: was ſoll und kann unſererſeits geſchehen —, dann bin ich der Meinung, daß, um überhaupt irgendwelche Schritte zu rechtfertigen, doch ganz andere Erfahrungen vorliegen müßten, als ſie hier vom Herrn Vertreter der Interpellanten vorgetragen ſind. Die Einzelbeobachtungen in dieſen Dingen ſind ja alle wenig beweiskräftig. Wir erfahren zwar oft — ich nehme an, daß der Herr Kollege Katzenſtein dabei insbeſondere von ſeinen Tätigkeit an der Spitze einer Unterſtützungskom⸗ miſſion profitiert hat —, daß Mietſteigerungen vor⸗ genommen werden, aber wir wiſſen nicht, ob nicht auch die zwingenden Gründe vorliegen, die ich vorhin angeführt habe, und wir vergeſſen leicht aus Mitleid mit. den von uns unterſtützten Hilfs⸗ bedürftigen, daß eben meiſt ſolche Gründe vor⸗ handen ſind. Es gibt auch Beobachtungen anderer Art. Ich kann Ihnen aus meiner Unterſtützungs⸗ kommiſſion berichten, daß wir verſchiedentlich ge⸗ nötigt ſind, Hausbeſitzer zu unterſtützen, Haus⸗ beſitzer, die nicht in der Lage ſind, notdürftig ihr Leben zu friſten. (Zuruf: Weil ſie ſo hoch beliehen haben!) Einzelbeobachtungen nach der einen Seite ſind ſo wenig wertvoll wie Beobachtungen nach der andern Seite. Deshalb hat das Oberkommando in den Marken dem Schutzverband der Geſchäfts⸗ und Pri⸗ vatmieter von Steglitz und Umgegend, welcher das Verbot einer allgemeinen Mietsſteigerung wünſchte, mit Recht geantwortet, daß ſich bei den eingehenden Beratungen der Angelegenheit ergeben habe, daß eine befriedigende Regelung der Angelegenheit für das Wirtſchaftsgebiet Groß⸗Berlin auf Grund der Zu⸗ ſtändigkeit der militäriſchen Befehlshaber nicht mög⸗ lich iſt; die Frage, ob dem Bundesrat der Erlaß ent⸗ ſprechender Beſtimmungen vorzuſchlagen ſei, unter⸗ liege noch der Prüfung der zuſtändigen Zivilbehör⸗ den. — Ich ſtimme dem durchaus zu, daß es keinesfalls erwünſcht iſt, daß auf Grund von Einzelerſcheinungen, die ohne genaueſte Nach⸗ prüfung nicht überzeugend ſind, für eine be⸗ ſtimmte Stadt oder für ein beſtimmtes Wirt⸗ ſchaftsgebiet ſofort obrigkeitliche Maßnahmen getroffen werden. Allerdings warne ich Intereſſe der Hausbeſitzer dringend davor, daß man die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen durch den Hinweis auf die Bekantmachung des Bundesrats vom 23. Juli 1915 beiſeite ſchiebt. Herr Kollege Dr Liepmann hat geſagt, es würde niemand daran zweifeln, daß Wohnungen unter die Gegenſtände des täglichen Bedarfs fallen. Danach wird es mir nicht leicht, zu bekennen, daß ich nicht nur daran zweifle, ſondern daß ich ſogar immer der Meinung war, es im 131 würde niemand daran zweifeln, daß Wohnungen nicht unter die Gegenſtände des täglichen Bedarfs im Sinne jener Bekanntmachung fallen. Denn meiner Anſicht nach zeigt der Wortlaut und der Zu⸗ ſammenhang der Bekanntmachung, daß der Geſetz⸗ geber nur an bewegliche Gegenſtände gedacht hat, die zum Verkaufe, zur Veräußerung feilgehalten werden, und daß vermietete unbewegliche Werte hierunter nicht fallen. Im übrigen hat die Bekanntmachung mit der Unklarheit ihres Wortlauts gerade dem legitimen Handel ſoviel Schwierigkeiten bereitet, daß ich den Hausbeſitzern wahrlich nicht wünſchen kann, daß auch ſie jetzt unter die Fuchtel dieſer Bekannt⸗ machung kommen und dauernd Anzeigen ausgeſetzt werden, ſie hätten durch Steigerung der Mietpreiſe Gegenſtände des täglichen Bedarfs übermäßig ver⸗ teuert und einen unangemeſſenen Gewinn erzielen wollen Meine Herren, ich glaube — und c) ſchließe mich darin vollkommen dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter an —: die bisherigen Feſtſtellungen be⸗ gründen nicht ausreichend die Forderung prohibi⸗ tiver Maßnahmen. Ich ſchließe mich dem Herrn Oberbürgermeiſter auch darin an, daß der Hausbeſitz nach all den ſchweren Schlägen, die ihm der Krieg gebracht, verlangen kann, vorſichtig und behutſam be⸗ handelt zu werden, und daß wir nicht ohne ganz triftigen Anlaß zu einer Parteinahme kommen Dürfen, die wir nachher bereuen könnten. Wenn ſich im weiteren Verlaufe herausſtellen ſollte, daß wirkliche Mißſtände überhandnehmen, Mißſtände, die nicht in bedauerlichen Notwendig⸗ keiten begründet ſind, dann wird es allerdings Aufgabe — nicht einer Militärbehörde, auch nicht einer einzelnen Stadt —, ſondern dann wird es Aufgabe des Bundesrats ſein, ſorgfältig zu unter⸗ ſuchen, wie hiergegen anzukämpfen iſt, mit jener Sorgfalt, mit der eben Geſetze vorbereitet werden müſſen, die tief in das wirtſchaftliche Leben eingreifen. Solange aber eine Klarheit in dieſer Richtung nicht vorhanden iſt, wollen wir den Wunſch danach nicht zum Ausdruck bringen, daß der vielgeprüfte und für die Gemeinde ſo wichtige Hausbeſitz zum Objekte geſetzgeberiſcher Experi⸗ mente gemacht wird. (Bravo!) Frageſteller Stadtv. Katzenſtein: Meine Her⸗ ren! Ob man Wohnungen zu den Gegenſtänden des täglichen Bedarfs im Sinne der Bundesratsverord⸗ nung zählen darf, das iſt eine Rechtsfrage, die ich jetzt wirklich nicht entſcheiden könnte, ſelbſt wenn ich wollte; daß es aber im Sinne jener Verordnung durchaus angemeſſen iſt, einem ſo dringenden Be⸗ darfe wie dem Wohnungsbedarf Rechnung zu tragen, indem man den Mieter vor einer überſtarken Be⸗ laſtung ſchützt, das liegt doch ganz klar auf der Hand. Wenn der Herr Vorredner geſagt hat, es ſei der Grundſatz aufzuſtellen, daß kein Konjunktur⸗ gewinn im Laufe und infolge des Krieges erzielt werden dürfe, — na, der Herr Vorredner iſt in den Tatſachen des geſchäftlichen Lebens ſo erfahren, daß er bei ſeinen Worten eigentlich hätte lächeln ſollen. Denn ich weiß nicht, welcher Geſchäftszweig es heute iſt, der ſich von Konjunkturgewinnen, zum Teil der unerträglichſten und ſchamloſeſten Art, ferngehalten hat. Dieſer Wucher iſt ja wie eine Sturmflut, ich möchte ſagen, wie eine Kloake über uns hereinge⸗ brochen. Er hat die Gelegenheit eines allgemeinen Volks⸗ und Menſchheitsunglücks benutzt, um in de⸗