Sitzung am giſtrat auch weiter der Sache annimmt. Hierbei verweiſe ich auf den Antrag, der heute hier einge⸗ bracht worden iſt. Auch da wird es zweckmäſſig ſein, daß der Magiſtrat Fühlung nimmt, damit die Verordnungen nicht wieder von oben oktroyiert werden. Meine Herren, dieſe der Bürgerſchaft aufge⸗ zwungene Verordnung hat aber eine tiefere Be⸗ deutung. Die tiefere Bedeutung erkenne ich darin, daß die Sebſtverwaltung vollkommen ausgeſchaltet wurde. Es ſind ja zwar ſtädtiſche Beamte als Ver⸗ trauensmänner ernannt worden; aber die Selbſtver⸗ waltungsorgane ſind nicht einmal gefragt worden, und es iſt nicht zu billigen, daß die ſtaatlichen In⸗ ſtanzen ohne Rückſicht auf die Selbſtverwaltungs⸗ organe, die Jahrzehnte die Gaswerke mit Erfolg ver⸗ waltet haben, hier in dieſer Weiſe autokratiſch vor⸗ gegangen ſind. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Der Antrag, der zur Verhandlung ſteht, ſagt in erſter Linie, daß der Magiſtrat erſucht wird, die maß⸗ gebenden Stellen auf die dringliche Notwendigkeit der beſſeren Kohlenbelieferung Groß⸗Berlins hinzu⸗ weiſen. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ausgeführt, daß von maßgebender Seite dargelegt worden iſt, daß mit einer beſſeren Kohlenbelieferung nicht zu rechnen iſt, und Herr Kollege Wöllmer hat ſich in ſeinen Ausführungen damit ſchließlich abfinden zu müſſen erklärt und gemeint: wenn das nun einmal feſtſteht, dann wird die Bevölkerung ſich damit ab⸗ finden müſſen und wird im allgemeinen vaterlän⸗ diſchen Intereſſe eben weiter zuſehen, aufs beſte durchzuhalten, um das auch in der Heimat zu er⸗ füllen, was notwendig iſt. Herr Kollege Wöllmer meinte: wenn eben im Intereſſe der Rüſtungsin⸗ duſtrie die Belieferung der Gasanſtalten mit Kohlen abſolut unmöglich erſcheint, ſo müßten wir uns da⸗ mit abfinden, und die Bevölkerung muß und wird dann den notwendigen Opfermut aufbringen. Meine Herren, ſo ganz kann ich mich dieſer Meinung nicht anſchließen. Ich vermag vor allem nicht recht einzuſehen, wie eine Vernachläſſigung in der Belieferung der Gasanſtalten gerade im Intereſſe der Rüſtungsinduſtrie geboten ſein ſoll. Herr Kol⸗ lege Wöllmer wies darauf hin, daß auch die Gas⸗ anſtalten in gewiſſem Sinne, wie er ſagte, rüſtungs⸗ induſtrielle Betriebe ſind, weil ſie das Gas ent⸗ benzolieren. Aber das allein macht es doch nicht, ſondern die Groß⸗Berliner Gasanſtalten verſorgen eine außerordentlich große Anzahl von umfang⸗ reichen Betrieben, die in unmittelbarem Zuſammen⸗ hange mit der Rüſtungsinduſtrie ſtehen und die ausſchließlich für den Heeresbedarf arbeiten, mit Gas. Wenn dieſe Betriebe in der Gasbenutzung eingeſchränkt werden, dann leidet eben in allererſter Linie gerade auch die Rüſtungsinduſtrie, und dieſem Zuſammenhange wird man ſich doch wohl an maß⸗ gebender Stelle nicht verſchließen können. Aber es kommt noch ein Weiteres hinzu. Zu dem Rüſtungsbetrieb gehört doch nicht nur das Abſtraktum Betrieb, ſondern auch das Konkretum der Arbeiter, der im Rüſtungsbetriebe tätig iſt, und wie Rüſtungsbetriebe aufrecht erhalten werden ſollen, wenn die darin beſchäftigten Arbeiter phnſiſch zu⸗ ſammenbrechen, iſt mir auch durchaus ſchleierhaft. Wenn alſo die Gründe, die dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter angeführt worden ſind, er ſein ſollten, daß abſolut keine beſere Kohlenbeliefe⸗ derart durchſchlagend 22. Auguſt 1917 141 rung der Groß⸗Berliner Gasanſtalten möglich iſt, dann befürchte ich als eine Folge das Zuſammen⸗ brechen gerade der Rüſtungsinduſtrie, nämlich das wirtſchaftliche und phyſiſche Zuſammenbrechen der in Berlin nach Tauſenden zählenden Arbeiter, die in der Rüſtungsinduſtrie beſchäftigt ſind, und auch das Zuſammenbrechen der Betriebe, denen nicht genug Gas geliefert wird. Gerade im Intereſſe der Rüſtungsinduſtrie, alſo in ganz hervoragend vater⸗ ländiſchem Intereſſe, ſcheint es mir⸗ notwendig zu ſein, dafür zu ſorgen, daß die Groß⸗Berliner Gas⸗ anſtalten in ſtärkerer Weiſe mit Kohlen beliefert werden. Gerade dieſen Punkt des Antrags möchte ich durch die Ausführungen, die wir von dem Herrn Oberbürgermeiſter gehört haben, keineswegs für er⸗ ledigt halten, und ich möchte die Herren Kollegen von der Fraktion des Herrn Kollegen Wöllmer, die ja dieſen Antrag mit eingebracht haben, bitten, auf dieſen Punkt des Antrags doch einen ganz beſonde⸗ ren Nachdruck zu legen. Was dann noch gegen die Gasverordnung übrig bleibt, iſt, daß, wenn nun einmal die Einſchränkung im Gasverbrauch ſtattfinden ſoll, dieſe Einſchrän⸗ kung, wie der Antrag ſagt, nicht in einer ſolchen ſchematiſchen Weiſe, ſondern unter ſorgfältiger und gleichmäßiger Berüchſichtigung der individuellen Ver⸗ braucherintereſſen erfolgen ſoll. Meine Herren, eine Verordnung, die, wie der Herr Oberbürgermeiſter und Herr Kollege Wöllmer ausgeführt haben, ein Sparen und ein ſtarkes Sparen zum Zwecke hat, wird natürlich in die einzelnen Intereſſen ganz außerordentlich hart eingreifen, und wenn ſtatt der Zugrundelegung der Größe des Gasmeſſers, die all⸗ ſeitig als ungeeignet, wollen wir mal ſagen, bezeich⸗ net worden iſt, eine andere Grundlage genommen wird, ſo werden zweifellos auch eine überaus große Anzahl von Härten im einzelnen ſich ergeben. Es ſoll nach dem, was uns zugeſichert iſt, der vorjährige Verbrauch der Maßſtab der Einſchränkungen werden. Da werden in allererſter Linie alle diejenigen ge⸗ troffen, die im vorigen Jahre ihren Verbrauch ſchon auf das Aeußerſte eingeſchränkt haben, wührend die⸗ jenigen beſſer wegkommen, die ſich im vorigen Jahre der Notwendigkeit des Sparens weniger bewußt ge⸗ weſen ſind. Daraus werden ſich unzweifelhaft auch eine Reihe von beſonderen Härten ergeben. Wenn ferner der vorjährige Verbrauch als Grundlage der Feſtſetzung des diesjährigen Verbrauches gelten ſoll, ſo werden ſich mit Recht alle diejenigen beſchwert fühlen, in deren Verhültniſſe weſentliche Verände⸗ rungen eingetreten ſind, und es gibt gerade bei der Groß⸗Berliner Bevölkerung doch eine ganze Reihe von Umſtänden, die die Verhältniſſe des Vorjahres nicht ohne weiteres mit den Verhältniſſen dieſes Jahres vergleichbar erſcheinen laſſen. Man braucht ja nur auf die Geburt von Kindern hinzuweiſen, auf die Notwendigkeit, für Säuglinge das erforder⸗ liche warme Waſſer und die notwendige Würme zu beſchaffen und dergleichen mehr; Krankheiten uſw. zu erinnern. Deswegen wünſcht ja auch der Antrag eine Regelung der Einſchränkun⸗ gen unter ſorgfältiger und gleichmäßiger Berückſich⸗ tigung der individuellen Verbraucherintereſſen. Es muß auch den mit der Ausführung der Verordnung Betrauten die Vollmacht gegeben werden, ſolchen in⸗ dividuellen Intereſſen Rechnung zu tragen, und wir können ja hoffen, daß das geſchehen wird. ich brauche nur an Die Erſparnis ſelbſt, die erreicht werden joll, iſt eine — ich wiederhole das noch einmal — ſolche,