Sitzung am 22. Auguſt 1917 die jetzt in der Zeit der Kriegsverordnungen nach⸗ gerade typiſch geworden ſind: (Sehr richtig!) Man will irgendeine Materie ordnen, man beruft ſchnell ein paar Leute zuſammen und erläßt, nach⸗ dem man ſie gehört, eine ganz wichtige Verordnung, damit die Sache ins Rollen kommt. Und dann überläßt man es den Betroffenen, ſich hinterher zu beſchweren. Dann verſpricht man die Härten aus⸗ zumerzen. Dabei ſteht nicht einmal, ſoweit ich die Verordnung kenne, ein Härteparagraph darin, ſodaß ſchon von Verordnungs wegen die Möglichkeit gege⸗ ben iſt, den Härten abzuhelfen. Gegen dieſe Art, Verordnungen zu erlaſſen, muß man ſich nicht nur aus den Gründen, die Herr Kollege Wöllmer ſchon ausgeführt hat, ſondern auch wegen dieſer Art der Uebereilung, Oberflächlichkeit und abſoluten Rück⸗ ſichtsloſigkeit gegenüber den Intereſſen des Publi⸗ kums auf das allerſchärfſte wehren. (Sehr richtig!) Schon deswegen begrüße ich es, daß durch unſern Antrag die Angelegenheit hier nun unſererſeits ins Rollen gekommen iſt und daß andererſeits auch be⸗ reits die Magiſtrate von Groß⸗Berlin möglichſt ſchnell verſucht haben, dem Uebel noch abzuhelfen, ſoweit es geht. Meine Herren, wenn es ſich nur darum han⸗ delte, wie Herr Kollege Wöllmer geſagt hat, daß ſich die Bevölkerung mit dem Gas bei ſonſt gleichblei⸗ benden Verhältniſſen um 10 oder um 20% ein⸗ ſchränken ſollte, ſo würde dies ja ſchließlich gar kein Unglück bedeuten. Jeder würde nach Möglichkeit verſuchen, im Intereſſe des Vaterlandes zu ſparen. Aber man überſieht, daß die Verhältniſſe ja ſonſt auch nicht gleich ſind, ſondern daß ſie in der Rela⸗ tion bereits in dieſem Winter viel ungünſtiger werden, als es bei der Notwendigkeit einer Er⸗ ſparnis im vorigen Jahre der Fall geweſen wäre! Zur Beheizung wird weniger Kohle geliefert. Wir können ganz ruhig ſagen, daß es vielen Familien heute noch völlig ſchleierhaft iſt, wie ſie im Winter ihre Wohnungen beheizen ſollen. Sehr richtig!) Die Hauswirte müſſen oder wollen die Warmwaſſer⸗ verſorgung einſchränken. Ja, da muß doch eine Er⸗ gänzung eintreten! Denn wenn auſ, der einen Seite die Leute vor die Notwendigkeit geſtellt ſind, da ſie fein Warmwaſſer haben, ſich mit Gas warmes Waſſer zu bereiten, und da ſie auf der anderen Seite nicht genug Kohlen haben, um ſich die Wohnung dadurch zu wärmen, daß ſie die Oefen gebührend heizen, ſo iſt es doch ganz klar, daß das alles nach einem Ausgleich ſtrebt, der letzten Endes immer wieder au Rechnung des Gaſes geht. Es handelt ſich eben darum, daß die unrichtige Belieferung mit Kohlen an die Gemeinden und überhaupt die meines Er⸗ achtens ganz unmögliche Art der Kohlenverſor⸗ gung für das Reich im Endergebnis dazu führt, daß es uns an allen Ecken und Enden fehlt und deshalb jetzt eine 20%ige, ja ſogar eine 10%ige Gasein⸗ ſchränkung viel härter empfunden wird, als das ſonſt der Fall iſt. Dazu kommt, daß in den Verordnungen auch nach einer andern Richtung hin viel zu wenig indi⸗ f für Ein⸗ und Ausfuhr. 143 vidualiſiert wird. Es kommt doch ſchließlich ſehr auf die Art des Haushaltes an, die von der Gas⸗ einſchränkung betroffen wird. Wenn z. B. jemand bisher Warmwaſſerverſorgung gehabt hat, ſo hat er natürlich im vorigen Jahre bei regulärer Warm⸗ waſſerverſorgung einen verhältnismäßig geringen Gasverbrauch gehabt. Wenn er außerdem noch elek⸗ triſche Beleuchtung hatte, ſo hat er natürlich ganz wenig, vielleicht ſogar überhaupt kein Gas ver⸗ braucht. Wenn ſolch Wohnungsinhaber nun jetzt keine Warmwaſſerverſorgung hat und auch alles andere noch eingeſchränkt wird, ſo kann er unter gar keinen Umſtänden weiter ſeinen Gasverbrauch ein⸗ ſchrämken. Denn er hat im vorigen Jahre null ver⸗ braucht und muß jetzt 0 plus x verbrauchen, d. h. er muß ſeinen Gasverbrauch vermehren, wenn er nicht viel ſchlechter geſtellt ſein will als die anderen. (Sehr richtig!) Von den induſtriellen Verhältniſſen ſpreche ich nicht; darüber hat Herr Kollege I)r Borchardt ſchon die notwendigen Ausführungen gemacht, und ich ſtimme ihm darin zu. Wie Herr Kollege Dr. Borchardt ſchon richtig geſagt hat, iſt die Grund⸗ frage bei der Gasverſorgung die Miſere der Koh⸗ le n verſorgung. Nun hat der Herr Oberbürger⸗ meiſter ausgeführt, ihn habe das, was ihm über die Grundlagen der Kohlenlieferung mitgeteilt worden iſt, überzeugt, daß ſich hier im weſentlichen nicht viel ändern laſſe. Ich zweifle nicht daran, daß die Zahlen, die mitgeteilt worden ſind, ſo geweſen ſind, daß die Herren dieſe Schlüſſe haben ziehew müſſen. Aber ich möchte doch die Vertreter unſerer Ge⸗ meinde bei den demnächſt wieder ſtattfindenden Ver⸗ handlungen dringend bitten, dort einmal die Grund⸗ lagen der Frage der Kohlenverſorgung anzuſchneiden; ich möchte ſowohl die Mitglieder unſeres Kollegiums als auch die Mitglieder des Magiſtrats bitten, da, wo ſie es ſonſt noch in amtlicher Eigenſchaft tun können, auf das Dringendſte darauf aufmerkſam zu machen, daß, wenn die Kohlenverſorgung ſo bleibt, wie ſie iſt, ein Wirtſchaften und, ich möchte beinahe ſagen, ein Leben der Bevölkerung in dieſem Winter über⸗ haupt kaum möglich iſt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Ich bin der Anſicht, daß da doch Verhältniſſe zugrunde liegen, die geändert werden können. Ein Uebelſtand in der Kohlenverſorgung iſt vor allem, daß es an jeder wirklichen Zentraliſation fehlt. Wir haben einen Reichskommiſſar für Gas und Elektrizität, aber das iſt nicht der Reichskommiſſar für Kohle; und wir haben einen Reichskommiſſar für Kohle, das iſt aber nicht der Reichskommiſſar Es wird wie überall in unſerer Kriegsorganiſation dieſelbe Materie unter verſchiedenen Geſichtspunkten an verſchiedenen Stellen bearbeitet, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und die Folge iſt, daß dabei die Organiſation herrſcht, in der die mächtigſten und ſtärkſten Inter⸗ eſſenten ſitzen. 6 (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten)