Sitzung am 19. September 1917 die Stadt ihren Vertragsparteien gegenüber nicht allein auf den Standpunkt des buchſtäblichen Rechts zu ſtellen hat, ſondern wie ein vornehmer Kaufmann Billigkeitsgründe mit maßgebend ſein laſſen muß. (Zuruf des Stadtv. Dr Liepmann.) — Jawohl, damit kann man vieles begründen, da⸗ mit kann man vor allem das begründen, daß man auch den Hausbeſitzerr (Erneuter Zuruf des Stadtv. Dr Liepmann.) — Wenn Sie die Güte haben wollen, mich ausreden zu laſſen, werden Sie die Zurufe am Schluß des Satzes vielleicht ſparen —, falls gewiſſe Härten vor⸗ liegen, einzelne Leiſtungen und Abgaben erlaſſen kann, zu denen ſie ſtreng rechtlich verpflichtet wären. (Sehr gut!) Meine Herren, von dieſem Geſichtspunkt aus würdige ich die Sachlage, und wenn ſich im Ausſchuß er⸗ geben hat, daß Billigkeitsgründe ſchwerwiegender Art die vorgeſchlagene Beſchlußfaſſung rechtfertigen, dann erſcheint mir das vollſtändig ausreichend auch der Bürgerſchaft gegenüber. Wenn Herr Kollege Dr Liepmann einer Ge⸗ wohnheit gemäß, die wir ja an ihm kennen, dieſen Anlaß wahrnimmt, um die bewilligungsluſtige Mehr⸗ heit anzugreifen, dann darf ich ihm erwidern, daß es unſeres Erachtens eben nicht die Aufgabe der Stadtvertretung iſt, Sparſamkeit unter allen Um⸗ ſtänden zu treiben, ſondern daß wir es für unſere Pflicht halten, die Sparſamkeit am richtigen Orte zu üben, (Sehr gut!) und daß wir es nicht als eine vernünftige Erſpar⸗ nis anſehen, einer Vertragspartei der Stadt ein ge⸗ ringeres Entgelt zu gewähren, als ſie ihren Leiſtun⸗ gen nach verdient, und damit vielleicht ſogar die ordentliche Ausführung der Leiſtungen, die ganz ge⸗ wiß im dringendſten Intereſſe der Stadt liegt, zu gefährden. (Bravo!) Stadtv. Zielenziger: Meine Herren! Im Aus⸗ ſchuß war von zwei Seiten der Antrag eingegangen, dieſe Forderung des Fuhrherrn nicht zu bewilligen. Dieſer Antrag iſt von beiden Antragſtellern während der ſehr ſachlichen Verhandlungen im Ausſchuß zu⸗ rückgezogen worden. In erſter Reihe waren dafür Gründe der Billigkeit maßgebend. Aber auch die Herren, die durchaus für die Streichung des Be⸗ gehrens waren, ſind anderen Sinnes geworden dieſe Empfindung hatte ich wenigſtens —, nachdem wir die ſachlichen Verhältniſſe näher dargelegt hatten. Wir müſſen uns aus Gründen, die ich hier nicht näher darlegen möchte, jetzt im Kriege über die vor⸗ handenen prinzipiellen Bedenken hinwegſetzen. Herr Kollege Dr Stadthagen ſagte: wie kommen wir dazu, einem Manne, der erſt im dritten Kriegs⸗ jahre mit uns den Kontrakt abgeſchloſſen hat, eine Aufbeſſerung in ſo ſtarkem Maße zu gewähren? Und im Ausſchuß wurde geſagt, daß ſeit November v. I. die Steigerung der Futterpreiſe keine ſo be⸗ trächtliche geweſen ſei, um die Zulage rechtfertigen zu können. Das mag an ſich richtig ſein. Es han⸗ delt ſich aber gar nicht um eine Preisfrage beim Futter, ſondern um eine Mengenfrage. Der Mann 171 kann die Mengen, die er zur ausreichenden Ernäh⸗ rung und zum Durchhalten ſeiner Pferde gebraucht, nicht beſchaffen. So geht es Hunderten von Fuhr⸗ herrn und daher kommt es, daß die Leiſtungsfähig⸗ keit der Pferde verringert wird und überdies große Verluſte im Pferdebeſtande nicht zu vermeiden ſind, Verhältniſſe, die im November vorigen Jahres in ihrer Tragweite nicht zu überſehen waren. Das hat uns im weſentlichen bewogen, die For⸗ derung nach ſehr langen Verhandlungen zu bewilli⸗ gen, zumal nachdem wir von mehreren und maß⸗ gebenden Seiten eine Berechnung darüber erhalten hatten, die wir auch nachprüfen konnten, daß auch unter Bewilligung dieſer 38 000 ℳ für uns noch der Satz, zu dem wir die Fuhrleiſtungen erhalten, ein relativ nicht zu teurer iſt. Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Herr Kollege Meyer hat bei mir eine Gewohnheit feſtge⸗ ſtellt. Ich glaube, aus größerer Berechtigung kann ich ihm die Gewohnheit nachſagen, daß er hier als mein Lehrmeiſter für das auftritt, was ich im Inter⸗ eſſe des Anſehens der Stadt zu tun hätte. Ich glaube, ich habe eine derartige Belehrung nicht not⸗ wendig. Eher wäre das Gegenteil der Fall, daß Herr Kollege Meyer belehrt werden müßte. Ich möchte nur gegen ein Argument, das er angeführt hat, meine beſcheidene Gegenanſicht äußern. Wenn Herr Kollege Meyer als Beiſpiel für Anwendung von Billigkeit und Milde im Gegenſatz zum Rechtsſtand⸗ punkt auf die Behandlung der Hausbeſitzer ſeitens der Stadtverwaltung hinwies und meinte, daß den Hausbeſitzern gegenüber ein derartiger Billigkeits⸗ ſtandpunkt eingenommen und von mir gebilligt worden iſt, ſo will ich mich über dieſe Frage, in der ich anderer Anſicht bin als Herr Kollege Meyer in der Debatte nicht weiter auslaſſen. Wenn ſeine Be⸗ urteilung der Behandlung aber richtig und den Haus⸗ beſitzern Entgegenkommen aus Billigkeit gewährt iſt, ſo handelt es ſich dabei um eine ganz andere Sache wie in dem vorliegenden Falle, wo es ſich um die Stellungnahme einem einzelnen gegenüber handelt, während bei den Hausbeſitzern ein notleidender Stand von vielen Tauſenden in Betracht kommt. (Sehr richtig!) Außerdem handelt es ſich hier — und inſofern iſt das im vorliegenden Fall etwas anderes — darum, daß mit einem durchaus potenten und, wie ich be. richtet bin, durchaus intelligenten Herrn ein Vertrag geſchloſſen worden iſt. Wir verlangen, daß dieſer Vertrag, wenn er ſelbſt verluſtreich für den Betreffen⸗ den iſt, für die kurze Dauer der Vertragszeit durch⸗ gehalten wird. In dem Falle der Hausbeſitzer han⸗ delt es ſich um Laſten, die die Stadt den Haus⸗ beſitzern mit Zuſtimmung dieſer Verſammlung auf⸗ bürdet, ohne daß ſie um ihre Zbſtimmung gefragt werden. Wenn in der Kriegszeit, in einer Zeit der harten Not dieſem Stande gegenüber meine Freunde gewiſſe Rückſichten walten laſſen wollen, ſo iſt das eine ganz andere Sache, als wenn wir hier einem Unternehmer 38 000 ℳ aus dem Säckel der Stadt zum Geſchenk machen. f (Sehr richtig!) (Hierauf wird ein von den Stadtv. Jaſtrow und Bernhard erneut geſtellter Antrag auf Schluß der Debatte angenommen.) 4