Sitzung am 14. mando um den ſchleunigen Erlaß von Ausführungs⸗ beſtümmungen vorſtellig zu werden. Meine Herren, einigermaßen verſtändige oder verſtändliche Ausfüh⸗ rungs eſtimmungen wären doch das Allermindeſte, was man bei einer ſolchen Verordnung unbedingt er⸗ warten muß. Meine Freunde ſind aber der Mei⸗ nung, daß auch Ausführungsbeſtimmungen bei der Grundlage dieſer ganzen Verordnung zu irgendetwas (Gutem nicht führen können und werden. Infolge⸗ deſſen beantragen wir, vorſtellig zu werden um eine vollſtändige Aufhe ung des Erlaſſes. Man wird freilich ſagen: wollen wir denn dann nicht auch lieber gleich bei Petrus vorſtellig werden, damit uns im Winter kein Schneefall beſchert wird, oder wie wollen wir uns denn ſonſt die Beſeitigung des Schnees von den Fahrdämmen bei ſtarkem Schneefall denken? Wir können uns doch nicht auf den Standpunkt ſtellen, wir wollen garnichts tun; wenn der Schneefall eintritt, ſo mag die Behörde ſehen, wie ſie den Schnee von den Straßen wegbeſorgt. Das werden wir natürlich nicht wünſchen. Wir können aber doch wohl darauf hinweiſen, wie die Schneebe⸗ ſeitigung im Vorjahre geſchehen iſt. Der Aufruf an die Freiwilligkeit, der Aufruf an die jugendlichen Kräfte zur Beſeitigung des Schnees hat doch im vorigen Jahre ausgereicht. Warum ſoll das in dieſem Jahre nicht auch der Fall ſein? Außerdem leſen wir gerade in den letzten Tagen in den Zeitungen, wie immer mit Stolz und Emphaſe darauf hingewieſen wird, wie außerordentlich die Zahl der Kriegsgefan⸗ genen in der letzten Zeit in Deutſchland zugenommen hat; auf über 2 Millionen iſt die Zahl geſtiegen, 250 000 Italiener ſind nur in den letzten Wochen wiederum gefangen worden. Darunter ſind doch zweifellos eine ganze Anzahl von Leuten, die gerade mit der Schnesarbeit vertraut ſein müſſen. Die Ar⸗ beitskraft der Kriegsgefangenen wird in ganz hervor⸗ ragendein Maße der Landwirtſchaft zur Verfügung geſtellt. (Zuruf: Kohlenbergwerke!) Herr Kollege Erdmannsdörffer, ich weiß, daß die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen auch in ſehr großem Maße der Induſtrie zur Verfügung geſtellt wird, und ſoweit die Kriegsgefangenen in der Induſtrie ar⸗ leiten, können ſie ebenſowenig zum Schneeſchippen herangezogen werden wie die freien Arbeiter und die frcie Bevölkerung Groß⸗Berlins, die ebenfalls an⸗ dauernd ſehr ſchwer arbeitet. Neben den Kriegs⸗ gefangenen, die in der Induſtrie arbeiten, wird aber doch auch die Arleitskraft der Kriegsgefangenen in großem Maße der Landwirtſchaft zur Verfügung ge⸗ ſtellt. Oder iſt Ihnen das unbekannt, Herr Kollege Erdmannsdörffer? Gerade die landwirtſchaftliche Arbeit iſt doch im harten Winter nicht eine ſolche, daß die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen dort ſo unbedingt notwendig iſt. Gerade aus den landwirt⸗ ſchaftlichen Bezirken könnten ſehr wohl, ſcheint uns, Arbeitskräfte von Kriegsgefangenen zur Verfügung geſtellt werden, um der ſehr ſchwer arbeitenden Be⸗ völkerung Berlins dieſe Zumutung zu erſparen. Daß die Berliner Bevölkerung zu derjenigen gehört, die mit am ſchwerſten in Deutſchland arbeitet, wird doch wohl in dieſem Kreiſe niemand bezweifeln. Ich bitte daher, unſerm Antrage zuzuſtimmen. Stadtv. Dr Enck: Meine Herren! Meine Freunde können ſich den Ausführungen des Herrn November 1917 197 Kollegen I). Borchardt im großen und ganzen an⸗ ſchließen. Natürlich kann in einer Zeit wie der gegenwärtigen ſich niemand darüber beklagen, wenn ihm noch irgendweiche Pflichten auferlegt werden, die ja doch immer in keinem Verhältnis ſtehen zu demſenigen, was die Männer draußen an der Front auf ſich nehmen müſſen. (Sehr richtig!) Wohl aber können wir verlangen, daß die Pflichten, die man uns zumutet, ſo abgegrenzt ſind, daß ein jeder weiß, was er zu tun hat. Nun möchte ich zunächſt eine Frage voran⸗ ſchicken, die doch gewiß noch der Prüfung bedarf. Das iſt die Frage, ob die ganze Verordnung über⸗ haupt eine zureichende Rechtsgrundlage hat. Wenn ich recht unterrichtet bin, iſt die Verordnung vom Oberkommando erlaſſen worden auf Grund des § 95 des Belagerungszuſtandgeſetzes, des bekannten Mäd⸗ chens für alles, mit deſſen Hilfe man jetzt, ich weiß nicht, wieviele hundert Verordnungen bereits er⸗ laſſen hat. Ich glaube aber nicht, daß die Befugnis es Oberkommandos auf Grund dieſer Beſtimmung des Belagerungszuſtandsgeſetzes dahin geht, der Be⸗ völkerung poſitive Pflichten aufzuerlegen. Die Befugniſſe des Oberkommandos gehen nur da⸗ hin, ſoweit ich unterrichtet bin tiefergehende Snudien konnte ich bei der Kürze der Zeit nicht machen, ſo ſchnell kann man der Fülle der Verord⸗ nungen nicht folgen ,„ man wird aber ſagen können: die Befugniſſe gehen nur dahin, Ver⸗ bote zu erlaſſen, Handlungen zu verbieten, wenn dieſe Verbote im öffentlichen Intereſſe liegen, nicht jedoch dahin, der Bevölkerung poſitive Pflichten auf⸗ zuerlegen, einfach mit der Begründung, daß die Er⸗ füllung dieſer Pflichten im öffentlichen Intereſſe liege. Man hat jedenfalls bei Erlaß des Hilfs⸗ dienſtgeſetzes dieſen Weg nicht beſchritten, ſondern hat es für richtig erachtet, ein Geſetz zu erlaſſen, d. 9. die geſetzgebenden Faktoren des Deutſchen Reiches in Bewegung zu ſetzen, um der Bevölkerung dieſe Verpflichtung aufzuerlegen, die ſie nach den Friedens⸗ geſetzen nicht gehabt hat. Deshalb ſollre doch wohl dieſe Frage, ob die Verordnung überhaupt zu Recht beſteht, zunächſt einmal einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Ich darf wohl annehmen, daß der Magiſtrat, wenn er der Anregung, die aus der Stadtverordnetenverſammlung an ihn ergeht, nach⸗ kommt, ſich auch mit dieſer Frage befaſſen wird. Der Inhalt der Verordnung iſt von dem Herrn Kollegen Borchardt bereits zutreffend geſchildert und kritiſiert worden. Es iſt in der Tat etwas Unge⸗ wöhnliches, es geht über dasjenige, was man auch in Kriegszeiten bisher erlebt hat, hinaus, daß eine Ver⸗ ordnung ſo gearbeitet iſt, daß zwar niemand recht weiß, was er zu tun hat, daß er ſich aber immer ſagen muß: bei einem Verſtoß gegen eine Anord⸗ nung des Hauswirts oder des Portiers macht er ſich ſtraffällig. Das iſt doch wohl das Schwierigſte an der ganzen Verordnung. Der Hauswirt oder Portier hat das Recht, einen jeden zum Schnee⸗ ſchippen heranzurufen. Er ſoll dabei gleichmäßig ver⸗ fahren. Wenn er nicht gleichmäßig verfährt, iſt das Gebot auch nicht rechtmäßig. Wie ſoll ich nun, wenn an mich ein derartiges Gebot des Portiers oder Hauswirts ergeht, prüfen, ob ich gleichmäßig herangezogen bin, ob andere in gleichem Maße her⸗ angezogen ſind oder nicht? Irre ich mich bei der