201 Antragſteller Stedtv. Hirſch: Meine Herren! Der Antrag iſt ein alter Bekannter. Wir haben ihn in dieſer oder in ähnlicher Form bereits Wiederholt kingebracht. Meine Freunde haben überhaupt der Wohnungsfrage von jeher ihre Aufmerkſamkeit ge⸗ widmet, nicht nur vor dem Kriege, ſondern ganz be⸗ ſonders auch während des Krieges. Es dürfte die Herren, die in dieſe Verhältniſſe nicht ſo genau ein⸗ geweiht ſind, vielleicht intereſſieren, wenn ich einen kurzen Rückblick über die Beſchlüſſe gebe, die wir ſeit Kriegsausbruch in der Wohnungsfrage gefaßt haben. Meine Freunde haben vor zwei Jahren, am 21. Dezember 1915, beantragt, den Magiſtrat zu er⸗ ſuchen, in Beratungen darüber einzutreten, welche Mittel anzuwenden ſind, um dem aller Vorausſicht nach bevorſtehenden Mangel an Kleinwohnungen rechtzeitig vorzubeugen und mit möglichſter Be⸗ ſchleunigung Vorſchläge in dieſer Richrung zu machen. Der Antrag iſt von der Stadtverordneten⸗ verſammlung zu Beginn des Jahres 1916 einſtimmig angenommen worden. Aber es iſt nichts darauf ſeitens des Magiſtrats erfolgt. Wir haben uns dann etwa ein halbes Jahr ſpäter, am 7. Juni, nach dem Schickſal des Antrags erkundigt. Der Herr Oberbürgermeiſter antwortete: Die Ange⸗ legenheit werde dauernd von den zuſtändigen De⸗ putationen verfolgt, aber die ſtatiſtiſchen Er⸗ hebungen für Groß⸗Berlin ſeien noch nicht akgeſchloſſen, die Reſultate würden in ſechs bis acht Wochen vorliegen, und erſt dann wäre eine weiiere Förderung der Angelegenheit zu erwarten. Pir geduldeten uns wiederum ſechs Monate und haben uns am 19. Dezember aufs neue erkundigt, was Denn auf dem Gebiete der Fürſorge für Wohnungen geſchehen wäre. Der Magiſtrat hat uns damals eine längere Antwort erteilt, die den Herren als beſondere Druckſache zugegangen iſt. In dieſer Antwort vom 3. Januar heißt es, daß es bisher noch nicht utöglich geweſen ſei, in dieſer Angelegenheit endgültige Be⸗ ſchlüſſe zu faſſen und der Stadtverordnetenverſamm⸗ kung entſprechende Mitteilung zu machen. Zunächſt bedürfte es näherer Unterlagen zur Prüfung der Vor⸗ frage, ob nach dem Kriege in unſerer Stadt eine Kleinwohnungsnot zu erwarten wäre, zumal da die Anſichten hierüber nach wie vor erheblich auseinander⸗ gehen. — Das war zu Beginn dieſes Jahres! Weiter ſagte dann der Magiſtrat: was die möglichen Mittel zur Förderung des Kleinwohnungsweſens be⸗ treffen, ſo lägen dieſe zu einem erheblichen Teile außerhalb der Zuſtändigkeit der Stadwerwaltung. Er verwies auf die Aenderungen, die durch das Schätzungsamtsgeſetz und durch das Stadtſchaften⸗ geſetz, ferner durch das Wohnungsgeſetz und durch das Bürgſchaftsverſicherungsgeſetz zu erwarten ſind, und meinte, daß dadurch eventuell neue rechtliche Grundlinien geſchaffen werden, nach denen wir uns u richten haben. Sch ießlich betonte er, daß auch de ſonſtigen öffentlich⸗rechtlichen Unterlagen für die Erſchließung neuer Anſiedlungsgebiete in unſerer, Stadt noch nicht feſtſtehen, vielmehr erſt von den zuſtändigen Staatsbehörden feſtgeſtellt werden. „Wir haben die zuſtändigen Stellen ſchon wiederholt unter Hinweis auf das Wohnungsbedürfnis um Be⸗ ſchleunigung ihrer Entſchließung gebeten“. Wir haben uns über dieſe Antwort des Ma⸗ giſtrats ſehr eingehend unterhalten, ohne daß irgend⸗ ein poſitives Ergebnis erzielt worden wäre. Meine Freunde haben mit Rückſicht auf die Wichtigkeit der Sache und mit Rückſicht darauf, daß die Frage ſchon Situng am 12. Dezember 1917 ſo lange hingezogen wurde, beantragt, die Mitteilung einem beſonderen Ausſchuß zur Vorberatung zu über⸗ weiſen. Aber die Mehrheit hat unſeren Antrag äab⸗ gelehnt und hat ſich mit bloßer Kenntnisnahme der Magiſtratsmitteilung begnügt, dadurch alſo indirekt zu berſtehen gegeben, daß ſie gegen die Haltung des 2 Magiſtrats nichts einzuwenden hat. , Inzwiſchen haben ſich die Verhältniſſe geklärt⸗⸗ Wenn der Magiſtrat in ſeiner Mitteilung ſagte, daß die Anſichten darüber, ob nach dem Kriege in unſerer Stadt eine Kleinwohnungsnot zu erwarten iſt, nach wie vor erheblich auseinandergehen, ſo, glaube ich, dürfte es heute wohl kaum noch jemand geben, der etwa der Meinung wäre, daß wir nach dem Kriege nicht mit einem Mangel an Kleinwohnungen zu rechnen haben. Heute beſteht bereits ein großer Mangel an Kleinwohnungen (Zuruf) — in Charlottenburg, ich rede ja von Charlottenburg! Wir haben überhaupt ſeit Jahren, ſchon lange vor dem Kriege, mit einer Wohnungsnot in Charlotten⸗ burg zu kämpfen gehabt. I(Zuruf.) — Die Zahl der leerſtehenden Kleinwohnungen betrug immer nur einen ganz geringen Prozentſatz, einen viel geringeren, als zur Befriedigung des Ber ürf⸗ niſſes erforderlich iſt. Jetzt aber hat die Woh⸗ nungsnot einengeradezubedrohlichen Charakter angenommen. Wer heute eine kleine Wohnung innehat und wem der Wirt die Kündigung zuſchickt, der iſt kaum imſtande, eine neue Wohnung in derſelben Güte und zu demſelben Preiſe zu finden. Das ſind Erſcheinungen, die einem täg⸗ lich begegnen. Daß ſich die Wohnungsnot nicht auf Charlotten⸗ burg allein erſtreckt, ſondern daß ſie ſich auf ganz Groß⸗Berlin ausdehnt, darüber, meine Herren, dürfte auch kein Zweifel mehr obwalten. (Zuruf: Doch!) —Daran dürfte kein Zweifel mehr obwalten, nachdem erſt kürzlich, im vorigen Monat, in einer Zuſammen⸗ kunft der Vertreter der zum Regierungsbegirk Po.⸗⸗ dam gehörigen Gemeinden des Verbandes Groß⸗ Berlin unter Vorſitz des Herrn Regierungspräſidenten die Frage, ob in Groß⸗Berlin nach dem Kriege eine ernſtliche Wohnungsnot zu erwarten ſei und mit welchen Mitteln ihr geſteuert werden könnte, be⸗ ſprochen und bejaht worden iſt. In den Notizen, die darüber durch die Preſſe gegangen ſind, heißt es: Die Groß⸗Berliner Gemeinden glauben durchweg mit einer recht empfindlichen Not an kleinen Wohnungen rechnen zu müſſen; die von ihnen bereits vorgenom⸗ menen tatſächlichen Feſtſtellungen haben dieſe Auf⸗ faſſung beſtätigt. — Das iſt alſo eine amtliche Feſt⸗ ſtellung, und ich glaube, wir haben keine Veranlaſſung, daran zu zweifeln, ſolange uns nicht der Beweis vom Gegenteil erbracht worden iſt. Hier für Charlotten⸗ burg kann jemand, der auch nur ganz oberflächlich die Verhältniſſe beobachtet, den Mangel, die Woh⸗ nungsnot, ſoweit es ſich um kleinere Wohnungen handelt, doch im Ernſt nicht mehr ableugnen. Auch die zuſtändige Deputation, unſere nungsdeputation, hat ſich nicht auf den Stan Woh, unkt geſtelt anf den üch einige Herren, nach en Iwiſchen. rufen zu urteilen, zu ſtellen ſcheinen, als ob wir keine 0