214 den lann, daß tatſächlich die Not, die ſich heute ſchon anzeigt, dann hoch aufſchlägt und alle Erwartungen überſteigt. Herr Kollege Meyer hat in mancher Hinſicht die Tatſachen, die ja nun nicht mehr beſtuttten werden können, zugegeben, er hat auch manche ganz freund⸗ liche Worte gefunden, um dann einen Vorſchlag zu begründen, der, wie ich fürchte, die Löſung der Sache weit hinausſchieben muß. Herr Stadtſyndikus Semoritzti, der ja die ernſte Gefahr, die er früher nicht hat zugeben wollen, jetzt anerkennt, hat ſchon betont, daß er in bezug auf eine freiwillige Verein⸗ bavung der Groß⸗Berliner Gemeinden über die Löfung dieſer Frage ſtarke Zweifel hege, und wie ſich die Dinge bisher geſtaltet haben, muß ich leider dieſe Zweifel teilen. Ich bin mit Herz und Seele ein An⸗ hänger der Idee Groß⸗Berlin; aber dieſe Idee ſoll nicht als Hemmſchuh, nicht als Ruhebett wirken, ſondern ſie ſoll eine treibende Kraft ſein, die uns zu prattiſcher Arbeit führt. Nun iſt es zweifellos mög⸗ lich, daß von Groß⸗Berlin unendlich viel auf dieſem Gebiete geſchehen kann, und ich gebe ruhig zu, daß eine durchgreifende Löſung in großem Stile nur von (Froß⸗Berlin geleiſtet werden kann. Ich habe ſelbſt vor zwei Jahren bei der Beſprechung den Ge⸗ danken einer Koloniſation, der Schaffung neuer Groß⸗Berliner Wohngemeinden im Sinne der Gar⸗ tenſtädte hier hineingeworfen. Ja, das könnte aller⸗ dings eine einzelne Gemeinde allein nicht gut ſchaffen, das gebe ich ruhig zu; aber um dieſe grund⸗ legende und durchgreifende Löſung handelt es ſich im Augenblick nicht, ſondern darum, der dringenden Gefahr augenblicklicher ſchwerſter Notlage entgegen⸗ zuarbeiten. Es liegen Vorſchläge mancher Art vor. Ich erinnere hier nur an das Programm, daß ein ſo her⸗ vorragender Fachmann wie Herr Stadtbaurat Beuſter entwickelt hat, ein Mann, deſſen ſchätzbare Kraft wir hoffentlich für unſere Wohnungsdeputa⸗ non werden gewinnen können, der beſonders betont hat, wie es möglich iſt, durch die Verwendung fiska⸗ iſchen Geländes die Unterlagen zu ſchaffen, um ohne übermäßig hohe Preistreibereien die notwendigen und für den Augenblick vielleicht beſcheidenen Woh⸗ nungsgelegenheiten zu finden. Herr Kaufmann hat andere Vorſchläge gemacht, er hat auf den Terrain⸗ beſitz der Geſellſchaften hingewieſen, ebenſo auf die Frage der Kapitalbeſchaffung; und ſo wäre noch gar manches zu tun. Ich meine, in einer Zeit, in der man nicht nur Dutzende, ſondern am Ende hundert Milliarden für die Kriegführung flüſſig macht, da fann es auch nicht unmöglich ſein, nötigenfalls noch eine Milliarde, dieſe verhältnismäßig heute ſo be⸗ ſcheidene Summe, die für den Wiederaufbau unſerer Volkswirtſchaft und unſerer Volksgeſundheit, für die ganze Zukunft unſeres Volkslebens von entſcheiden⸗ der Bedeutung iſt, zu beſchaffen. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß eine ernſte Gefahr in ungeheurem Maße beſteht. Herr Kollege Dr Byk hat hier einige Notſtände ungeführt, die man ſonſt in den Kreiſen ſeiner Ire nicht gern erwähnt; er hat von den unge⸗ heuren Menſchenverluſten und von all dem Schweren geſprochen, was im Augenblick auf unſerer Volksge⸗ ſundheit und unſerer Volkswirtſchaft laſtet. Aber, meine Herren, vergeſſen wir keinen Augenblick: wenn dieſe Notſtände nicht nach Möglichkeit in dem Augenblick, wo die Unterlagen vorhanden ſind, wo da Kriegsnot nicht mehr beſteht, behoben werden, Sitzung am 15. Dezemder 1917 dann gehen wir ungeheuren inneren Erſchütterun⸗ gen entgegen, und Sie dürfen gar nicht glauben, daß ein ſolches Ereignis, wie es ſich nach dem Kriege 1871 abgeſpielt hat, daß die heimkehrenden Land⸗ mehrleute nachher einer ungeheuren Steigerung 1 Wohnungsmieten gegenüberſtanden und zum Teil genötigt waren, auf dem Müllanger zu leben, heute verhältnismäßig leicht und ſpurlos an der Bevölke⸗ rung vorübergehen würde, wie es damals der Fall geweſen iſt. Sie wiſſen, es ſind Spannungen in unſerm Volksleben vorhanden, mit denen Sie rech⸗ nen müſſen, auch diejenigen, die nicht durch ihr Herz, durch ihre Empfindung getrieben werden, hier Abhilfe zu ſchaffen, ſondern die rein nüchtern wägend die Dinge betrachten und die vor allen Dingen das, was ſie als im ſtaatserhaltenden Inter⸗ eſſe liegend erachten, in den Vordergrund ſtellen. Verlaſſen wir uns nicht darauf, daß vielleicht von Groß⸗Berlin irgendeine Löſung kommt. Ich ſage es nochmals: in großem Maße kann es nur Groß⸗ Berlin machen; aber es handelt ſich zunächſt für uns um das Dringendſte und Notwendigſte, und da müſſen wir ſelbſt eingreifen. Charlottenburg iſt auch im Rahmen Groß⸗Berlins noch eine Großſtadt, es iſt eine überaus leiſtungsfähige Stadt; infolge⸗ deſſen muß, wenn ſich Groß⸗Berlin nicht raſch genug bewegt — und die Ausſicht, daß es ſo raſch geſchieht, wie es jetzt im Augenblick notwendig iſt, iſt nicht ſehr groß —, jede Gemeinde für ſich vorangehen, und ſo auch Chralottenburg. Meine Herren, die Frage, inwieweit eine Schuld an der bisherigen Verzögerung beſteht, will ich nicht mehr lang und breit erörtern; es hat ja jetzt keinen Zweck. Wir wollen nicht über die Vergangenheit rechten, ſondern wir wollen den Gefahren, die uns bevorſtehen, vorbeugen, und deshalb möchte ich drin⸗ gend wünſchen, daß der Magiſtrat nunmehr Hand in Hand mit uns geht und daß er mit aller Kraft und Entſchiedenheit dahin arbeitet, dieſe ſo not⸗ wendigen Dinge zu fördern. Es iſt jetzt die Zeit für Erwägungen beinahe abgelaufen, jetzt iſt die Zeit für Entſchlüſſe und für Taten gekommen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) (Abſtimmung.) Stadtv. Katzenſtein (zur Frageſtellung): Meine Polemik richtete ſich nicht gegen den Antrag der Herren Meyer und Genoſſen. Ich habe gegen den Antrag nicht ſprechen wollen; ich möchte Sie nur bitten, auch unſerm Antrag zuzuſtimmen. Vorſteher Dr Frentzel: Das war abſolut nicht zur Frageſtellung; es gehört eine Lammsgeduld dazu, das zuzulaſſen. 7 (Heiterkeit.) Ob jemand für beide Anträge ſtimmen will, iſt ſeine Sache. Tatſächlich liegt die Sache ſo, daß nach meiner Auffaſſung der Antrag der Herren von der Sozial⸗ demokratiſchen Fraktion der weitergehende iſt, weil er unverzüglich Maßnahmen verlangt, und daß er deswegen zunächſt zur Abſtimmung kommen muß. (In der Abſtimmung wird der Antrag der Stadtv. Bade und Gen. abgelehnt und darauf der Antrag der Stadtv. genommen.) Meyer und Gen. einſtimmig an⸗