Sitzung am 27. Februar 1918 Vorſteher Dr. Frentzel: Die Bemerkung des Herrn Oberbürgermeiſters veranlaßt mich, ſoweit meine Perſon in Frage kommt, feſtzuſtellen, daß ich in keinem Stadium der Verhandlungen jemals aufge⸗ hört habe, ein grundſätzlicher Gegner zu ſein, daß ich das nach meiner Meinung auch hier im Rat⸗ haus deutlich genug zum Ausdruck gebracht habe. Ich habe ſchließlich verzichtet, immer dasſelbe zu ſagen, als ich ſah, daß ich mit meinen Gründen bei den anderen Herren keinen Widerhall fand. Ich möchte das aber doch hier ausdrücklich feſtſtellen. Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Die grundſätzliche Gegnerſchaft gegen einen Laſtenaus⸗ gleich, der leiſtungsfähigere Gemeinden belaſtet, um die leiſtungsſchwachen und bedrückteren in etwas Iu erleichtern, ſcheint mir in keiner Weiſe gerechtfer⸗ figt. Wohl aber kann es die Sachlage mit fich bringen, daß eine Art der Löſung verworfen wird, die weitergehende, nicht minderberechtigte und nicht mindernotwendige Forderungen in den Hintergrund zu drängen geeignet iſt. Und über Motive wird nicht abgeſtimmt; Motive laſſen ſich nicht immer leicht nachweiſen, aber es ſcheint mir doch ſehr nahe⸗ liegend zu ſein, daß bei der ſehr beſchleunigten Ak⸗ tion der Provinz gerade auf dieſem Gebiete die Ab⸗ ſicht, der dringend notwendigen engeren Gemein⸗ ſchaft Groß⸗Berlins, die in weiten Kreiſen als ſolche anerkannt wird, Schwicrigkeiten zu bereiten, eine ſehr erhebliche Rolle geſpielt hat. Nun noch ein Wort zu der hier von zwei Seiten betonten Notwendigkeit der möglichſt raſchen Wieder⸗ herſtellung des freien Spiels der Kräfte. Es iſt ja neulich an anderer Stelle geſagt worden, daß eine rührige Minderheit wohl in der Lage iſt, den An⸗ ſchein zu erwecken, daß ſie die Mehrheit und die allgemeinen Intereſſen vertrete. Ich möchte das Wort auf die ſehr eifrigen und ſehr intereſſierten Bemühungen eines beträchtlichen Teils unſeres Handels gegenüber den Notwendigkeiten, die die Kriegswirtſchaft mit ſich gebracht hat, anwenden. Ich kann natürlich auf den ſehr weit ausgedehnten Gegenſtand hier nur ganz kurz eingehen, und ich will dabei gern zugeben, daß unſere Kriegswirtſchaft weit entfernt iſt, ideal zu ſein, auch weit entfernt, wenigſtens auf dem größten Teil ihrer Wirkſamkeit, auch nur Ausreichendes und Erfreuliches zu leiſten. Das liegt an Dingen, die zum Teil Mängel der Or⸗ ganiſation ſind, die man hätte beheben können, wenn man ſachverſtändige Vorſchläge von anderer Seite befolgt hätte. Zum andern liegt es daran, daß Beamte, Leute, die dem praktiſchen Leben, ſagen wir: dem Geſchäftsleben, bis dahin zum großen Teil ferngeſtanden haben, über Nacht gezwungen worden ſind, Dinge zu unternehmen, in die ſie ſich erſt haben einarbeiten müſſen. Daß unter normalen Verhält⸗ niſſen im allgemeinen der freie Handel mit ſeiner Fachkunde und ſeinem n E Bürokratie auf wirtſchaftlichem Gebiete überlegen iſt, das wird, glaube ich, niemand, der den Dingen näher geſtanden hat, beſtreiten können. Und wenn wir trotzdem genötigt geweſen ſind, von dieſem Syſtem abzugehen und ein in mancher Hinſicht recht läſtiges der Bindung auf uns zu nehmen, ſo iſt — das iſt zum Teil von meinem Freunde Hirſch bereits be⸗ rührt worden die Urſache zum guten Teil die geweſen, daß uns nicht bloß die Notwendigkeit, die Knappheit der Vorräte, ſondern auch die antiſogiale Tätigkeit des freien Handels und des ſonſtigen Pro⸗ ſelbſtändigen Entſchluß der 39 duzenten⸗ und Unternehmertums dazu gezwungen hat. Die öffentliche Organiſation iſt mit allen ihren Mängeln dadurch notwendig geworden, daß der Han⸗ del, der freie Betrieb die Gelegenheit, die ihm nun gegeben war, mit wenig Mitteln zu wirtſchaften, im reichſten Maße benutzt hat, um der Geſamtheit Daumſchrauben aufzuſetzen. Dann aber noch ein anderes. Es iſt gar kein Zweifel, daß die künftigen Verhältniſſe wieder an⸗ dere Geſtaltungen bringen werden, und ich glaube, es wird niemand wünſchen, daß man nun irgendwie auf geſetz ichem Wege die jetzigen Notbehelſe in der Art, wie ſie beſtehen, ewig aufrechterhalten ſoll. Aber trotzdem halte ich es für notwendig, darauf hinzuweiſen, daß ein ſehr beträchtlicher Teil öffent⸗ licher Wirtſchaft, öffentlicher Organiſation auch künf⸗ tig eine Notwendigkeit bleiben wird, nicht bloß für die großen Bedürfniſſe der Uebergangszeit, ſondern auch für die Dauer. Es hat ſich gezeigt, daß die öffentliche Organiſation manches geleiſtet hat, daß ſie noch vieles leiſten kann, daß ſie eine ganze Reihe von Dingen in die Hand nehmen und erfüllen kann, an die der freie Betrieb niemals herangetreten iſt. Wir haben in dieſem Kreiſe hier und bei ande⸗ ren Gelegenheiten ſchon vor dem Kriege oft genug die Notwendigkeit betont, in der Verſorgung der Be⸗ völkerung z. B. mit Wohnungen, mit Milch und mit manchen anderen Dingen die öffentliche Organi⸗ ſation auszubauen oder zu ſchaffen, wo ſie nicht be⸗ ſtand, und wir haben hier manchmal kritiſteren müſſen, daß die Vorausſetzungen für eine derartige Wirtſchaft gefehlt haben, als die Notwendigkeit ein⸗ getreten iſt, ſie einzuſetzen. Solche Notwendigkeiten, ſolche zwingenden Einflüſſe können ſich auch in Zu⸗ kunft wieder einſtellen, und ich möchte ſchon jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, mich entſchieden dagegen auszuſprechen, mit einem Federſtriche alles zu le⸗ ſeitigen, was der öffentlichen Organiſation unter⸗ liegt. Ich halte es für notwendig, das eingehend zu prüfen. Eine große Menge von dem, was geſchaffen iſt, iſt zu erhalten, allerdings umzugeſtalten, aber auch auszubauen. (Stadtv. Bernhard: Sehr richtig!) Stadtv. Meyer:: Meine Herren! Ich ſtelle zunächſt mit Befriedigung feſt, daß der Herr Ober⸗ bürgermeiſter zugeſtanden hat, daß wir über die Zweckmäßigkeit deſſen, was wir hier beſprechen wollen, ſelbſt zu entſcheiden haben; ich ſehe das Miß⸗ verſtändnis damit als befriedigend gelöſt an. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß, wenn wir nicht nachträglich über die Sache ſprächen, ſich die Frage ergäbe, wann wir zu dem Beſchluſſe Stellung nehmen ſollen; denn vorher war eine Gelegenheit dazu nicht gegeben. Wenn ich nochmals das Wort nehme, ſo ver⸗ anlaßt mich dazu die Bemerkung des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters, daß früher von allen Seiten aner⸗ kannt worden ſei, daß die beſondere Lage der öſt⸗ lichen Gemeinden eine Hilfsaktion in der Richtung eines Laſtenausgleichs notwendig mache. Meine Herren, die Erörterung in unſerer Verſammlung, auf die der Herr Oberbürgermeiſter hinzielt, hat am 28. März 1917 ſtattgefunden, und ich habe mich auch daran beteiligt. Ich bin nun zu beſcheiden. um meine eigenen Aeußerungen aus jener Debatte vorzuleſen. Ich bitte aber um die Erlaubnis, aus den für mich durchaus antoritativen Aeußerungen,