und wieder waren die Charlotten⸗ burger Bürger gezwungen, das Plätten in der Küche beſorgen zu laſſen, und zwar in den meiſten Fällen auf Gas; denn ſie waren früher von den Gaswerken dazu veranlaßt worden, weil dies außerordentlich vorteilhaft ſei. Viele haben ſich auch Gasbratöfen angeſchafft, weil der Fettmangel dazu gezwungen hat, um ein Stückchen Fleiſch oder andere Speiſen ohne Fett ſchmackhaft bereiten zu können, und dieſe Oefen erfordern viel Gas. 2 Eine wichtige Sache iſt bei dem Berliner mit ſeinen Stullen die Abendbrotbereitung. Sie wiſſen, das Brot wurde knapp, ſo daß in den meiſten Fa⸗ milien abends nicht mehr viel übrig blieb und die Hausfrau gezwungen war, eine Suppe oder Kar⸗ toffeln zu kochen, was vielfach auch auf Gas ge⸗ ſchehen mußte. Ein weiterer Punkt iſt der, daß die Hausfrau ſich früher Konſerven kaufen konnte, ſo⸗ viel ſie wollte; heute bekommt ſie gegen Geld und gute Worte keine mehr. Die Hausfrau iſt daher ge⸗ zwungen, Obſt und Gemüſe einzuwecken, was auch meiſtens auf Gas geſchehen muß. Dann kommen die zuſammengelegten Haushalte hinzu: die Tochter iſt verheiratet, der Mann ſteht im Felde, und die Tochter iſt nunmehr meiſtens in das Haus der Eltern gezogen. Wenn ſie auch ihre eigene Wohnung behalten hat, ſo wird dort natürlich kein Gas ver⸗ braucht, aber in der Wohnung der Eltern deſto mehr. Auf dieſe Zuſtände hat man keine Rückſicht genommen. Demgegenüber ſteht ein Lichtblick, das iſt die gute, liebe Kochkiſte. Sie hat ſich derart bewährt, daß ſie kaum noch in einem geregelten Haushalt fehlen wird. Aber im September, als die Gas⸗ ſtrafen eintraten, war es ſo, daß man keine Koch⸗ kiſte bekommen konnte. Es wurde eine Lieferzeit von vier Monaten verlangt, und wer nicht in der Lage war, ſich ſelbſt eine zuſammenzuzimmern, der konnte ſich auch nicht dieſes Vorteils bedienen. Es müßte bei allen denjenigen, die ſich eine Ueberſchreitung des zuläſſigen Gasverbrauchs haben zuſchulden kommen laſſen, unterſucht werden, ob nicht durch Einſchränkungen an anderer Stelle Erſpar⸗ niſſe erzielt wurden, wie das bei all den Punkten, die ich erwähnt habe, der Fall iſt. Der Herr Reichs⸗ kommiſſar lat ſich dieſen Erwägungen nicht ver⸗ ſchließen können; denn er hat vor einigen Tagen beſtimmt, daß nicht 90% verbraucht werden dürften, ſondern ſogar 120%. (Zuruf: Das iſt ſchon wieder zurückgezogen!) Kohlen hatten, bin ich geſpannt, die richtige Lesart zu hören. Ich daß der Herr Reichskommiſſar, erausgebildet haben, er⸗ ausdrücklich erklärt worden: werden nicht eng⸗ ; wo wirklich ein rfnis vorliegt, Sitzung am 8. Mat 1918 75 macht; die Strafgelder werden nur eingezogen, wo eine verſchwenderiſche oder gar böswillige Ueberſchreitung der vorgeſchriebenen Höchſt mengen vorliegt. 1 Hört! Hörtl) Charlottenburg iſt nun voreilig und mit über⸗ triebener Schärſe vorgegangen; es hat nicht mal den einen Uebergangsmonat, den man in der Gasdepu⸗ tation in Ausſicht genommen hatte, berückſichtigt, ſondern man iſt, ohne daß man es in der Gasdepu⸗ tion zur Sprache gebracht hätte, ganz einſeitig von der Verwaltung vorgegangen. Man hat, ſoviel ich gehörk habe, für einen Monat 150 000 bis 175 000 %1 Strafgelder verfügt; man hat einen großen Teil eingezogen, einen Teil nicht bekommen und einen anderen Teil hat man zurückzahlen müſſen. Man hat dadurch Sorge und Angſt in Tauſende von Fa⸗ milien gebracht, man hat dadurch eine Erbitterung in allen Schichten der Bevölkerung hervorgerufen⸗ die ſich darin äußerte, daß eine Flut von Briefen und . Reklamationen an die Gasanſtalt und die Kohlenſtelle Groß⸗Berlin ergangen iſt, ſo daß die Beamten gar nicht in der Lage waren, dieſe Briefe alle eingehend zu prüfen und zu beantworten. Dieſe Erbitterung hat ſich auch in ſtürmiſchen Auftritten auf den Revierinſpektionen und in gerichtlichen Klagen, die gegen die Charlottenburger Gaswerke angeſtrengt ſind, Luft gemacht. Während das alles tobte, war obige Erklärung im Reichstag abgegeben worden. Man mußte be⸗ ſtimmt annehmen: jetzt hält Charlottenburg inne, und die Verwaltung wird prüfen, ob die Maßnahme richtig war. Aber vier Wochen darauf wurden die Strafgelder für Oktober, November, Dezember ein⸗ gezogen, und zwar zum Teil widerrechtlich, indem man den Weg beſchritten hat, von den Banken, die den Auftrag haben, die laufenden Gasrechnungen zu bezahlen, den Strafbetrag einzuziehen, — meiner Anſicht nach ein ganz widerrechtlicher Weg. Wie heute die Sache liegt, bleibt gar nichts anderes übrig, als daß die Gaswerke die Strafen, die ſie für die vier Monate des Vorjahres einge⸗ zogen haben, zurückzahlen und vom Januar ab prüfen, wer mehr als 120% verbraucht hat, und gleichzeitig in jedem einzelnem Fall feſtſtellen, ob ein verſchwenderiſcher Verbrauch oder eine bös⸗ willige Abſicht vorliegt. Die Gasfrage kann meiner Anſicht nach nicht dadurch erledigt werden, daß man der Bevölkerung das notwendige Kochgas verweigert, wodurch man ihre Geſundheit und Ernährung noch weiter herunterbringt, als es bereits geſchehen iſt, ſondern nur dadurch, daß unſer kohlenreiches Vater⸗ ſand den Gasanſtalten ſo viel Kohlen zur Verfügung ſtellt, wie ſie unbedingt nötig haben. (Bravol) Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Meine Herren! Ich kann zunächſt durchaus die Tendenz des heute geſtellten Antrages begrüßen, beſonders deshalb frendig, weil er uns Gelegenheit gibt, die an ſich äußerſt wichtige und einſchneidende Frage einmal hier in der Oeffentlichkeit zu erörtern. Im allge⸗ ahmen ge⸗ meinen muß ich allerdings ſagen, das man über das 2 9 9