10 Sitzung am 22. Januar 1919 Arbeiter Grundlagen zu legen, auf denen ein dauer⸗ hafter Sozialismus aufgebaut werden kann. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr Eyck: Meine Herren! Ich verkenne dourchaus nicht die gute Abſicht des Herrn Kollegen Katzenſtein, der, wie wir alle, über das Vorgehen der Gasarbeiter ſehr kritiſcher Anſicht iſt und offenbar bemüht iſt, auch in dieſem Kreiſe zur Vernunft zu reden. Ich gebe Herrn Kollegen Katzenſtein auch zu, daß das, was wir jetzt bei den Gasarbeitern ſehen, abſolut demjenigen widerſpricht, was ſich alle So⸗ zialiſten von dem Herannahen einer ſozialiſtiſchen Weltordnung und der Wirkung einer Uebermacht des Proletariats jemals verſprochen haben. Herr Kol⸗ lege Katzenſtein hat vollſtändig Recht: die Ereig⸗ niſſe der letzten Wochen liefern eine weit ſchärfere, weit ſtichhaltigere und weit durchſchlagendere Kritik des Sozialismus als alle gelehrten Widerſacher des Sozialismus in den verfloſſenen Jahrzehnten jemals zuſammengebracht haben. (Stadtv. Katzenſtein: Nicht der Sozialismus, ſondern des kapitaliſtiſchen Arbeiterſinns!) — Das iſt ein Streit um Worte. Sie haben ſelber mit klaren und unzweideutigen Worten zum Aus⸗ druck gebracht, daß die Hoffnungen, die irgendwie von ſozialiſtiſcher Seite an eine Entwicklung wie die gegenwärtige geknüpft worden ſind, in vollem Um⸗ fange Enttäuſchung erfahren haben und daß man von einem Geiſte der Opferwilligkeit, von einem Geiſte der Arbeit im allgemeinen Intereſſe gerade in jenen Schichten, auf die ſich die Sozialdemokratie ſeither geſtützt hat, in dieſen Wochen nicht das Ge⸗ ringſte gemerkt hat. Herr Kollege Katzenſtein hat jetzt die Bewegung der Gasarbeiter, wenn auch nicht zu entſchuldigen, ſo doch zum Teil damit erklären zu können geglaubt, daß die außerordentlich hohen Lebensmittelpreiſe ſte dazu genötigt hätten. Aber er wird nicht verkennen, daß eine derartige Erklärung weder für die Herab⸗ ſetzung der Arbeitszeit ausreicht, gerade jetzt, wo die Arbeit notwendiger iſt als jemals, noch für das ſyſte⸗ matiſche Herabſetzen der Leiſtung ſeitens der Arbei⸗ terſchaft, von der wir hier unwiderſprochen gehört haben. Ich möchte nur noch folgende grundſätzliche Be⸗ merkung anknüpfen. Das, was bei dem Vorgehen der Arbeiter nicht nur in dieſem Falle, ſondern auch in vielen anderen Fällen in der letzten Zeit ſo außer⸗ ordentlich befremdet und mit ſchwerer Sorge für die Zukunft erfüllt, iſt die leichtfertige Nicht acht un g abgeſchloſſener Verträge, eingegangener Verpflichtungen. Ich glaube, ich beſinde mich auch da mit dem Herrn Kollegen Katzenſtein vollſtändig im Einklang und darf Ihnen eine Ausführung eines Sozialdemokraten in führender Stellung, meines ſehr geehrten Kollegen Hugo Heinemann, vorleſen, — heute in den Sozialiſtiſchen Monatsheften reibt: Wie konnten wir ſonſt ſo tapfer ſchmälen, wenn es galt, dem Tarifbruch, der bei einer ſden Ausdruck Barbarentum In dieſem Zuſammenhange ſpricht Heinemann vollſtändig mit Recht von einer vollkommenen, durch Machtkitzel hervorgerufenen Verkennung des rechtlichen und wirtſchaftlichen Weſens des Tarifver⸗ trags. Das iſt das Allerſchlimmſte an der gegen⸗ wärtigen Bewegung, dieſer Machtlitzel der Arbeiter⸗ ſchaft, der Drang, die ihnen einmal in die Hand ge⸗ gebene Macht dazu auszunutzen, um ſich über alle rechtlichen und moraliſchen Verpflichtungen gegen ihre Vertragskontrahenten und gegen die Allgemein⸗ heit hinwegzuſetzen. (Lebhafte Zuſtimmung.) Ich fürchte, daß, wenn erſt einmal die Zeit wieder⸗ kommt, wo der Wille der Arbeitnehmer nicht mehr die letzte Inſtanz im Deutſchen Reiche ſein wird, ſie dann die Folgen ihrer Handlungsweiſe ſchwer zu tragen haben werden. (Bravo!) Stadtv. Kaufmann: Meine Herren! Wenn ich noch in die Debatte eingreife, ſo will ich nicht auf die ganzen Dinge zurückkommen. Die Ausführungen der beiden erſten Herren Redner, die auch hier reichen Beifall gefunden haben, teile ich ganz, und ich glaube, um ſo mehr den Herren zuſtimmen zu können, als ich zu allen Zeiten — ich appelliere auch an das Ur⸗ teil unſeres verehrten Kollegen Dr. Borchardt — ar⸗ beiterfreundlich in dieſer Verſammlung geweſen bin. Das, was Herr Kollege Katzenſtein ausführte, daß den Arbeitern der Blick für die Folgen ihrer Hand⸗ lungsweiſe verloren gegangen iſt, veranlaßt mich, das Wort zu nehmen und den Herren, die in den Aus⸗ ſchuß gehen, den Wunſch mit auf den Weg zu geben, daß, wenn ſie aus Opportunitätsgründen dazu kom⸗ men ſollten, dieſer Vorlage ihre Zuſtimmung zu er⸗ teilen, ſie ſie dann nur befriſtet erteilen und gleich⸗ zeitig dabei ſagen:, automatiſch tritt mit dem und dem Tage, den wir vorſchlagen, der alte Satz wieder ein. Wir müſſen dieſe Maßloſigkeit der Arbeiter durch ruhige Sf unſerſeits in Schach zu halten verſuchen. %* (Bravol) Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Ich habe mich gefreut, daß die Herren Kollegen Richter und Katzenſtein die Erpreſſerpolitik, die augenblick⸗ lich von einem Teile der Arbeiterſchaft getrieben wird, mit gebührenden Worten gekennzeichnet haben. Daß das eine Politik iſt, die jede Vertragstreue bricht, ſehen wir ja jetzt in Berlin bei den Elektrizitätsar⸗ beitern, die nicht einmal die Rückſicht auf die geſamte Bevölkerung Groß⸗Berlins, auch Charlottenburgs ge⸗ nommen haben, um zu ſagen: wenn ihr in drei Tagen oder in acht Tagen die Erhöhung nicht be⸗ willigt, dann werden wir ſtreiken. Nein, ſie ſin in das reinſte Barbarentum verfallen — ich ann nur Lte Krantert ucd Dchreachern, Die ſich anß der 4. —.1 . ſitzen 1 „pl Reihe von Unternehmern epidemiſch gewor⸗] Ope den war, entgegenzutreten. Und in wie Vertragstreue in 9er Welt ce 5 geben ſal⸗ — genſer letzten Wochen, haben wir uns da überhaupt ſe nur noch von fern erinnert, daß es ſo erwas