11 Sitzung am 22. Janunar 1919 Eeiner der Herren, ich glaube, Herr Katzenſtein, hat darauf hingewieſen, daß er gar nichts dabei fin⸗ den würde, wenn die Arbeier eine Verkürzung der Arbeitszeit verlangten und gleichzeitig auf einen Teil des Lohnes verzichteten. Ich glaube, das wür⸗ den wir alle bei der jetzigen Lage, bei der ſtarken Zahl der Erwerbsloſen begrüßen. Davon haben wir aber nichts bemerkt; wir merken nur immer, daß die Arbeitszeit verkürzt und der Lohn erhöht werden ſoll und daß außerdem noch die Leiſtungen gegen früher geringer geworden ſind. Weiter haben wir bemerkr, daß gleichzeitig die Beſtrebungen darauf hinaus⸗ gehen, die Erwerbsloſenſätze in das Maß⸗ loſe zu erhöhen. Hier iſt meines Erachtens ein Punkt, wo die ſtädtiſche Verwaltung mit aller Macht einſetzen müßte, wo ſie unter Umſtänden auch er⸗ klären müßte: wir können dieſe Vorſchläge irgend⸗ eines ſogenannten höheren Gremiums nicht akzep⸗ tieren, wir können unſerer Bürgerſchaft nicht zu⸗ muten, Erwerbsloſenunterſtützung in dieſer Höhe zu zahlen und dadurch wiederum zu einer weiteren Lohnſteigerung der Arbeiter beizutragen. (Sehr gut! bei den Demokraten.) Dann hat Herr Kollege Katzenſtein darauf hin⸗ gewieſen, daß eine Herabminderung der Löhne nicht möglich ſein würde, ehe nicht die Preiſe für Lebens⸗ mittel heruntergeſetzt würden, und als Urſache dieſer Forderungen der Arbeier hat er die hohen Lebens⸗ mittelpreiſe angeführt. Er hätte ſich doch, ehe er einen ſolchen Ausſpruch tat, genauer informieren ſollen, wie ſich die Verhältniſſe der Preiſe in den letzten Mona⸗ ten geſtaltet haben. Mir, der ich der Sache etwas näher ſtehe, iſt davon nichts bekannt, daß die Preiſe für die wichtigſten Lebensmittel in den letzten Mo⸗ naten in dieſem Maße geſtiegen ſind. (Sehr richtig!) Ich weiß nicht, woher er es hat. Die Preiſe für Brot, für Kartoffeln, für Gemüſe ſind in keiner Weiſe über eine ganz geringfügige Erhöhung hinausgegangen, ebenſo für Fleiſch und für gewiſſe andere Sachen: ich denke an gewiſſe Sachen, die noch freihändig zu kaufen ſind, an die Erſatzwurſt, die Ziegen⸗ und Ka⸗ ninchenwurſt; die koſtet heute genau ſo 11 bzw. 8,40 Mark das Pfund wie vor drei, vier Monaten. Das Meiſte iſt alſo nicht teurer geworden. Alſo das iſt ein Irrtum. Im übrigen kann ich Herrn Katzen⸗ ſtein ſagen, daß infolge der jetzigen Lohnerhöhungen, die ſeit zwei Monaten in ſchroffem Maße hervorge⸗ treten ſind, das Kriegsernährungsamt allerdings ſich die Frage vorlegen muß: wie können wir die Preiſe 5 die Lebensmittel noch im Einklang halten mit dieſen Löhnen. Wir ſtehen ſeit zwei Monaten dau⸗ ernd in Beratung darüber, wie es möglich iſt, die iſe noch einigermaßen zu halten, ob man es den Induſtriellen, den Händlern zumuten kann, dieſe Preiſe noch zu halten und ihrerſeits im Intereſſe der Allgemeinheit auf einen Teil des Verdienſtes zu verzichten, der doch z. B. beim Kleinhandel ſchon recht irglich war. So liegt die Sache. Wir werden aber Syſtem nicht durchführen können, wir werden in, die Preiſe .. 1 zwar öhen. Ich halte es auch für richtia, rden um die Sätze, die ſich g der Arbeiter ergeben; denn n ſehen, wie ſie dadurch Meine Herren, ein Nationalökonom hat ge⸗ legentlich berechnet, daß durch die Erhöhung der Löhne um etwa 100%, z. B. bei Kohle und einigen anderen Sachen, eine Steigerung der Koſten der Lebenshaltung von etwa 200% herbeigeführt wird. Es iſt ganz begreiflich durch das Zuſammenwirken der einzelnen Faktoren, dadurch, daß die Kohle z. B. nicht nur als Heizmaterial für den Haushalt dient, ſondern wieder benutzt wird zur Herſtellung von Eiſen, von Ziegeln, Nahrungsmitteln uſw. So ſetzt ſich das immer wieder um, und es kommt ſchließlich ein Betrag heraus, der den Arbeiter nachher mehr belaſtet, als ihm die Lohnerhöhung einbringt. Ich möchte alſo dringend bitten, daß wir alle zuſammenwirken, auch die Gewerkſchaftsführer — ich habe ja zu meiner Freude gehört, daß die Herren auf der Linken dieſes Hauſes das gleiche Beſtreben haben —, um den unglaublichen und unverſtändlichen Lohnerhöhungen endlich einen Damm entgegenzu⸗ ſetzen, und daß wir alle, wo wir nur irgend können, ſagen: bis hierher und nicht weiter! (Bravo!) Vorſteher⸗Stellv. Dr Borchardt: Bevor ich das Wort weiter erteile, habe ich mitzuteilen, daß ein Antrag eingegangen iſt, der folgendermaßen lautet: Ich beantrage, in dem Ausſchuß zur Be⸗ ratung der Vorlage Druckſache Nr. 8 auch Ver⸗ treter der Arbeiter zu hören. Katzenſtein. Stadtv. Gebert: Meine Herren! Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters nur noch hinzufügen, daß uns die Protokolle der öffent⸗ lichen Verſammlungen ohne weiteres den Beweis da⸗ für liefern, daß das, was ich behauptet habe, auf Wahrheit beruht: aber ich möchte auch noch darauf hinweiſen, daß die Dezernenten einzel⸗ ner Stellen jegliche freie Regung der Arbeiterſchaft unterbunden haben; das iſt das Leiden. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß über kurz oder lang andere Abteilungen unſerer Werke ebenfalls in Lohnbewegungen eintreten. Da⸗ rum iſt es dringend notwendig, daß der freien Be⸗ tätigung auch freier Spielraum gegeben wird. Erſt kürzlich gingen uns wieder Beſchwerden darüber zu, daß Arbeiter ſtrafverſetzt worden ſind, weil ſie frei ihre Meinung geäußert hätten. Das ſind Zuſtände, die der heutigen Zeit nicht mehr entſprechen. (Zuruf.) — Die Beſchwerden werden Ihnen in dieſen Tagen zugehen. Das ſind Erſcheinungen, die nicht von heute und geſtern ſind, darum auch die Zuſtände, die wir jetzt in unſeren Gaswerken ſehen. Z3u den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr Stadthagen dahin, wir ſollten darauf hinwirken, daß ein Abbau der Löhne ſtattfindet, möchte ich er⸗ widern, das wir das wohl tun; aber ein Abbau der Löhne kann nicht ſtattfinden, wenn er lediglich im Intereſſe einzelner Klaſſen erfolgt. Dagegen wen⸗ den wir uns ganz energiſch, und ich ſtehe als Ge⸗ werkſchaftsführer nicht an, zu behaupten — denken Sie nur an die vier Jahre Krieg und die erzielten Kriegsgewinne —, daß die Arbeitgeber aus eigener Initiatiwe die Köhne nicht erhöht haben. ge⸗ (Widerſpruch.) 2 —