50 einer außerordentlichen Reform des Religionsunter⸗ richtes, und darum iſt das, was wir in den Fortbil⸗ dungsſchulen wünſchen, ſelbſtverſtändlich ein religiö⸗ ſer Geſinnungsunterricht, der ſich durchaus im Rahmen modernſter Pädagogik ſehen laſſen kann. Wer von Ihnen einigermaßen über die Bewegung auf dieſem Gebiete orientiert iſt, der weiß, daß ernſte Arbeiter auf dem Gebiete der Fortbildungsſchule mit mir die⸗ ſelbe Forderung vertreten. Und warum, meine Damen und Herren? Weil wir doch alle immer mehr einſehen, daß in unſerer Jugend ein ganz einſeitiger Intellektualismus und eine ganz eimſeitige materiali⸗ ſtiſche Weltauffaſſung herrſcht. Keiner iſt hier, glaube ich, im Saal, der nicht mit Bedauern und Betrübnis das Leben und das Verhalten unſerer Jugendlichen feſtſtellt. Wir ſehen in der Gegenwart außerordent⸗ lich viele Dinge, die uns vom ſittlichen Standpunkt aus aufs tiefſte kränken, und wir ſind der Meinung, Daß das nur anders werden kann, wenn wir nicht nach amerikaniſchem oder franzößt⸗bem Muſter unſere Ju⸗ end allein zu Erwerbsmenſchen, ſondern auch zu ge⸗ inmnungstüchtigen Perſönlichkeiten erziehen. Bisher war es aber in der Weltgeſchichte immer ſo, daß die größte Geſinnungstüchtigkeit auf dem Boden des reli⸗ giöſen Lebens geſchaffen worden iſt. Ich ſage noch einmal: nicht auf dem Boden eines ſpezifiſch kirch⸗ lichen Lebens oder dogmatiſcher Bildung, ſondern in jener Religion, die, dabei bleibe ich, nach dem Urteil der Geſchichte die höchſte Blüte des Menſchenlebens iſt. Darum iſt und wind es immer für uns diskutabel ſein, einen derartigen Rlligionsunterricht in unſeren Fortbildungsſchulen einzuführen. Stadtv. Otto: Ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß ſwir der Vorlage des Ma⸗ giſtrats zuſtimmen und gern zuſtimmen, weil wir darin einen weſentlichen Fortſchritt erblicken. Was die Anregungen aus der Verſammlung angeht, ſo ſprechen wir uns gegen die Einführung des Religionsunterrichts in der Fortbildungsſchule aus. Ich gebe zu, daß in den Ausführungen meines Herrn Vorredners manches Beachtenswerte lag. Aber ich muß in demſelben Augenblick feſt⸗ ſtellen, daß zwiſchen ſeinen Ausführungen und den. Ausführungen des erſten Herrn Redners von der ſogenannten bürgerlichen Fraktion ein weſent⸗ licher Unterſchied beſtand. (Sehr richtig!) Herr Künzel hat, wenn wir ihn hier richtig ver⸗ ſtanden haben, ausdrücklich den Religionsunterricht in der alten Form verlangt. (Widerſpruch des Stadtv. Künzel.) — In alter Form; das, was Sie hinzugefügt haben, hebt dieſen Satz nicht auf. (Sehr richtig!) Denn was Sie ſich unter angemeſſener Form vor⸗ ſtellen, Herr Künzel, das können wir nicht wiſſen, da wir Ihre Anſchauungen noch nicht kennen. Wir halten uns alſo an das, was Sie ſagten: in der alten Form. Dagegen wird man mit aller Entſchiedenheit Einſpruch erheben müſſen. (Stadtv. Küngel: Das habe ich nicht geſagt; ich a dem Herrn Kollegen Frank, beſtreite das!) eipung am 12. März 1010 — Dann bitte ich Sie, daß Sie ſich in Zukunft etwas klarer ausdrücken, damit es keinen Streit über das gibt, was Sie geſagt haben. (Stadtv. Künzel: Es kommt auf die Auffaſſungs⸗ gabe des einzelnen an!) —— — Gewiß, aber ich bin ja nicht der einzige, den dieſe Auffaſſung hat, ſondern ſie wird von einem großen Teil der Verſammlung geteilt. (Stadtv. Dr Hertz: Das Stenogramm wird es ja ergeben.) — Und das Stenogramm wird es noch in anderer Form beſtätigen. Was die Ausführungen des Herrn Dr Luther angeht, ſo muß ich gegen den Satz, den er hier aus⸗ geſprochen hat, daß wirklich ethiſche Geſinnung nur auf Grund religiöſer Unterweiſung ſichergeſtellt wird, auf das entſchiedenſte Einſpruch erheben, (Sehr richtig!) und darum kann ich auch den Vorſchlag, den er freilich in ſehr vorſichtiger Form gemacht hat, nicht unterſtützen. Ueber dieſen Vorſchlag wird erſt dis⸗ kutiert werden können, wenn wir zu einer Reform, des Religionsunterrichts in der Volksſchule über⸗ haupt gekommen ſind. (Sehr richtig!) Wenn wir einmal ſoweit ſind, dann wird ſich beur⸗ teilen laſſen, ob wir damit den Geſinnungsunter⸗ richt gewonnen haben, der, wie es ſcheint, Herrn Dr. Luther vorſchwebt. Solange das nicht der Fall iſt, verhalten wir uns auch ſeiner Anregung gegen⸗ über durchaus ablehnend. 4 Ich möchte weiter bemerken, daß es mindeſtens Befremden erregt hat, daß Herr Künzel in ſeinem Vorſchlag nur von zwei Konfeſſionen geſprochen und den Wunſch ausgedrückt hat, daß ſich der Magiſtrat mit den Geiſtlichen dieſer beiden Konfeſſionen in Verbindung ſetzen möge. Wenn ſie nun ſchon ein⸗ mal denartige Wünſche ausprechen, ſollten Sie we⸗ nigſtens ſo gerecht ſein und alle vertretenen Kon⸗ feſſionen in dieſen Wunſch einbeziehen ſehr richtigl) und nicht nur die beiden chriſtlichen Konfeſſtonen hier namentlich anführreann. Ich habe mich gefreut, daß auch Herr Kollege 2 Frank gegen den Vorſchlag, den Religionsunterricht in den Fortbildungsſchulen einzuführen, entſchieden Einſpruch erhoben hat. Ich trenne mich aber von ausſpricht, daß der Unterricht möglichſt i 2 Zeit gelegt werden ſoll. Au meine Freunde aus den Gr angeführt ſind und die ich holen möchte, ganz Die Förderung 4