Sitzung am 12. März 1910 Beſchäftigung an, die der Betreffende ausübt. Wenn rungen des Kollegen Frank wenden, der im Namen ſeiner Freunde erklärt hat, daß er der Maaiſtratsvor⸗ lage zuſtimme, wenn die Unterrichtsſtunden für die Fortbildungsſchüler in die Abendſtunden verlegt wer⸗ den. Das kann es für uns gar nicht geben. Wer es am eigenen Leibe erfahren hat, wenn man ſich nach des Tages Arbeit noch abends hinſetzen und den Unterricht in ſich aufnehmen ſoll, der kann es nicht verantworten, dieſen Unterricht in die Abendſtunden zu verlegen, hauptſächlich in der jetzigen Zeit, wo wir außerdem noch unter den Ernährungsſchwieriagkeiten zu leiden haben. Ich meine, der Menſch iſt nach ſeiner Tagesarbeit vollſtändig übermüdet und kann daher den Stoff nicht mehr ſo in ſich aufnehmen, wie es wünſchenswert iſt. Ich alaube, davon ſollten Sie ſich wohl alle überzeugen laſſen und dem aganz ent⸗ ſchieden widerſprechen. Stadtv. Frank: Das, was der Herr Vorredner eben ausführte, daß es für ihn nur diskutabel wäre, wenn die Unterrichtsſtunden in die Tagesſtunden verlegt werden, weil dann der Körper ausgeruht ſei, fordern auch die Arbeitgeber, und zwar darum, weil ein junger Menſch, der vorher ſtundenlang in der Schule geſeſſen hat und dann zur Arbeit kommt, auch ten iſt und gar kein Intereſſe mehr an der Ar⸗ eit hat. (Aha! bei den Sozialdemokraten.) Meine Damen und Herren, das iſt ja ganz ſelbſt⸗ verſtändlich: wir haben doch dieſe Fälle gehabt. Wenn Sie verlangen, daß die Jugend früh morgens um 8 Uhr in der Schule ſein ſoll, dann iſt natürlich der halbe Tag weg, und wenn ſie dann nachher zur Arbeit kommt, hat ſie dazu keine Luſt mehr. Ein ausgeruhter Körper iſt alſo zur Arbeit nötig, wie das ja auch für den Schulunterricht verlangt wird. Außerdem möchte ich auf eins aufmerkſam machen. Das Geſetz ſaat, daß man vor der Ein⸗ richtung eines ſolchen Fortbildunasſchulunterrichts nach Probe und Gegenprobe angenommen. 53 er den Tag über eine ſitzende Lebensweiſe hat, ſo wird er oder ſie ſehr gern turnen. Wenn es ſich dagegen um ein Laufmädchen handelt, ſo wird es abends müde ſein und darauf verzichten. Wenn ſie aber vorher turnen und nachher zur Arbeit gehen, alſo dann weiter laufen ſoll, wird ſie auch nichts leiſten können; das iſt ganz ausaeſchloſſen. Jedenfalls haben dieſe beiden Punkte gar nichts miteinander zu tun, es wäre denn, daß man ſagen könnte: das Turnen kann ſich für das ſpätere Leben als ſehr not⸗ wendig herausſtellen, während der Religionsunter⸗ richt wohl mit dem 14. Lebensjahr abgeſchloſſen wer⸗ den kann. In dieſer Beziehung ſtimme ich mit dem Herrn Vorredner überein, der ſagte, daß Religion überhaupt nur erlebt werden kann. Stadtv. Gebert: Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die die Vertreter der Religion hier gemacht haben, ſind nach meiner Ueberzeugurg heute nicht am Platze geweſen. Auf die Religions⸗ frage an und für ſich hier einzugehen, erübr.g1 ſich; es würde uns das außerondentlich viel Zeit weg⸗ nehmen. Wir wollen hier aber praktiſche Irbeit ver⸗ richten, und gerade der Fortbildungsſchului t rricht verlangt praktiſche Betätigung. Nun, meine Damen und Herren, eine ernſt⸗ hafte Frage! Wenn ich als ausgelernter Lehrl ng oder Arbeiter zu einem Arbeitgeber komme. und ſage: ich will Stellung bei dir annehmen, dann fagt der betreffende Arbeitgeber nicht: kannſt du deinen Katechismus oder die Bibelſprüche aus⸗ wendig, dann fragt er: kannſt du arbeiten. (Sehr richtig!) Deswegen legen wir Wert darauf, daß die Fortbil⸗ dungsſchule, die ja lediglich die Pflege des werk⸗ tätigen Unterrichts im Auge hat, nicht mit neben⸗ ſächlichen Dingen überlaſtet wird, die der Betreffende nachher im praktiſchen Leben nicht gebrauchen kann. Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr Broh einzugehen, ſoweit er gnädigſt unſere Par⸗ tei dabei im Auge gehabt hat, erübrigt ſich. Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen empfehlen, die Vorlage des Magiſtrats anzunehmen und im Laufe der Zeit zu verſuchen, alle notwendigen, aber zurzeit noch außerhalb des Rahmens der Fortbil⸗ dungsſchule befindlichen Unterrichtsgegenſtände im Intereſſe unſerer geſamten Bevölkerung einzuglie⸗ dern. Auf Religionsfragen will ich mich, wie ich ſchon einmal ſagte, nicht weiter einlaſſen. Wir werden ja Gelegenheit genug haben, darauf einzu⸗ gehen, und dann, meine Herren Vertreter der Re⸗ ligion, werden wir ja, ſoweit die bis jetzt beſtehen⸗ den Einrichtungen in Frage kommen, noch oftmals die Klinge kreuzen können. Damit möchte ich meine Ausführungen ſchließen. Stadtv. Suſe (zur Geſchäftsordnung): Ich laube, die ganze Angelegenheit iſt genügend be⸗ 2404 worden; ich keantrage daher Schluß der batte. 7 (Der Antrag auf Schluß der Debatte en. 16 ung beſchließt einſtimmig nach dem An⸗