56 4 Sitzung am 12. Mürz 1919 vielleicht kurz anfügen, da es für die ſachliche Be⸗ urteilung der Vorſchule von großer Bedeutung iſt: Hartnacke hat Unterſuchungen bei den Bremer Bür⸗ gerſchulen und den Volksſchulen angeſtellt. Die Bremer Bürgerſchulen entſprechen etwa unſeren Mittelſchulen und ſind nicht unentaeltlich, während die Gemeindeſchulen, die Volksſchulen, unentgeltlich ſind. Er hat da die Erfahrung gemacht, daß im alli gemeinen die Bürgerſchulen durchgängig etwas 1 leiſten als die Volksſchulen. Nun will ich die Deu⸗ tung und die Rechtmäßigkeit dieſes Materials nicht anzweifeln. Aber es liegt klar auf der Hand, daß, wenn eine ſolche Siebung vollzogen wird, in die eine Schule nur die Aermſten kommen, in die andere Schule — das Schulageld iſt ziemlich billig — ſchon weitgehend die anderen Klaſſen hineinkommen, — daß dann die ſozialen Nöte und das Elend zu Haus, das jeder Lehrer, der an unteren Klaſſen einer Volksſchule unterrichtet, beſtätigen kann, dazu bei⸗ tragen und beigetragen haben, daß im allgemeinen die Bürgerſchule einen höheren Stand aufweiſt als die Volksſchule. Anderſeits muß zur Betrachtung dieſer Frage eins noch hinzugezogen werden. Soweit mir aus den Veröffentlichungen bekannt iſt, hat Hartnacke zur Be⸗ urteilung der Frage das Wortwiſſen, jenes ausge⸗ lernte Wiſſen, das in der Schule in der Hauptſache vorläufig beigebracht wird, zur Grundlage ſeiner Be⸗ urteilung gemacht. Das iſt aber falſch. Denn die Intelligenz eines Menſchen, ſein Können und Wiſſen hängen nicht von dem allein ab, was er gelernt hat, ſondern vor allem von den gegenſtändlichen und ſach⸗ lichen Anſchauungen, die er ſich von dieſen Dingen verſchafft hat. Nach den Unterſuchungen, die ich perſönlich in Hannover unter dieſem Geſichtspunkt gemacht habe, weiſt ſogar der Volksſchüler, der ärmſte Volksſchüler in gewiſſem Sinne einen größeren Reichtum an ſachlicher Kenntnis, an gegenſtändlicher Vertrautheit auf als der Schüler der deaüterten Klaſſen. Gerade wer die Pädagogik unſerer Zeit verfolgt, wird zugeben müſſen, daß faſt unbeſtritten — ich möchte ſagen: unbeſtritten — alle unſere Er⸗ ziehung der Zukunft darauf hingehen wird, jenes ein⸗ fache Wortwiſſen durch ſachliche und gegenſtändliche Anſchauung zu erſetzen. In dieſes Gebiet fallen auch die Unterſuchungen von William Stern. Es ſind dort auch nach den Unterſuchungsmethoden, die von Binet⸗Simon aus⸗ gebildet worden ſind, Unterſuchungen angeſtellt wor⸗ den, und es iſt dort auch der Nachweis aeführt wor⸗ den, den man praktiſch jederzeit wieder finden kann, daß die Kinder aus den beaüterten Kreiſen ſelbſt⸗ verſtändlich ein großes Plus an Wortvorſtellungen und auch allgemeinen Vorſtellungen des täglichen Lebens, an Wortſchatz und der Fähiakeit, das Wort zu handhaben, aufweiſen — an die Gelegenheiten vor der Schulausbildung im Hauſe durch das Spielzeua, das darauf angelegt iſt, durch alle möglichen Bonnen, was ſonſt noch begünſtigend hinzukommt, muß er⸗ innert werden —, daß tatſächlich das Wortwiſſen hier ein größeres i iſt. Mit dem Sachwiſſen iſt es aber keinesweas ſo, und das iſt das Entſcheidende. Das Sachwiſſen iſt bei dem Volksſchüler gegenüber dem Vorſchüler weit größer. des Wortwiſſens iſt hiſtoriſch überhaupt die Vor⸗ ſchule erſt entſtanden. Sie war gedacht als eine Vor⸗ ſchulung für den eigentlichen Sprachunterricht, der in der Sexta beginnen ſollte. Sie hatte ganz und gar 1 nur die eine Tendenz, für dieſe Art Unterricht, für Auf dieſer Grundlage dieſes Wortwiſſen vorzubereiten. Wie es nun ein⸗ mal in den Schuldingen iſt, da iſt die Tradition un⸗ geheuer hart, und auch heute noch hat ſich dieſe Ten⸗ denz in den Vorſchulen erhalten. Der Unterſchied zwiſchen der Vorſchule und der Volksſchule in den erſten drei Jahren beſteht im weſentlichen darin, daß die Volksſchule Wert darauf legt, Sachunterricht und Anſchauung den Kindern beizubringen, damit auch ſchon von Anfang an ein gewiſſes Können zu er⸗ ziehen, während die Vorſchule dieſen Sach⸗ und Fach⸗ unterricht in einem langen ſpäberen Gange eigent⸗ lich nachholen ſollte, aber, wie das bei dem hohen Sprachbetrieb unſerer höheren Schule iſt, nicht nach⸗ holt. Dieſe hiſtoriſche Tradition hat dazu beigetragen, daß auch in den Philologenkreiſen — Hubatſch 3. B. ſteht auf dieſem Standpunkt, wenn ich nicht irre — die Vorſchule eine ſo ſtarke Betonung gefunden hat. Nun aibt auch beſonders William Stern noch ein anderes Moment zu bedenken. Er ſagt: die he⸗ reditäre Belaſtung und die e ſozialen Zu⸗ ſtände, Unreinlichkeit uſw. d abſtoßend für die Schüler aus den begüterten Klaſſen. Ich muß ſagen, wenn einmal genau die Rechnung über hereditäre Be⸗ laſtung im 4 . . Er iehunasſimne aufgemacht werden ſoll, ſo glaube ich, daß trotz allem ſozialen Elend die hereditäre Belaſtung in den begüterten Klaſſen durchgängig arößer iſt. Das andere Motiv ſcheint mir ſo unſozial zu ſein, daß es gar nicht in Betracht kommt, um irgendwie die Vorſchule zu ver⸗ teidigen. Wenn es wirklich in den großen Städten, beſonders der Induſtriebezirke, noch verlauſte und er⸗ krankte Kinder gibt, ſo muß, wie mir ſcheint, mit aller Kraft darauf hingearbeitet werden, daß gerade ſie in die beſſeren Schulen kommen und daß, womit wir in Charlottenburg anerkennenswerterweiſe ſchon be⸗ gonnen haben, ein weiterer Ausbau der Schulpflege durch Pflegerinnen, Schulſchweſtern erfolgt, um dieſen Mißſtänden aründlich abzuhelfen. Mir ſcheint dieſer ſoziale Standpunkt für die Schule von viel größerer Bedeutung als vielleicht das Naſerümpfen der begüterten Stände oder der Abſcheu, den irgend⸗ ein verwöhntes Söhnchen vom 6. bis 9. Jahre gegen ein weniger gut gekleidetes oder ſchmutzig ausſehen⸗ des Kind empfindet. Ja, wenn man in Betracht zieht, welch großer erzieheriſcher Wert gerade darin liegt, daß gerade diejenigen Kinder, die mit den Ge⸗ genſtänden des Lebens tagtäglich hart in Berührung kommen und aus der Erfahrung heraus eine wirklich harte Anſchauung bekommen, in ſtete Berührung mit jenen Kindern kommen, die ein größeres Wortwiſſen haben, dann wird man zugeben müſſen, daß daraus nur eine ſehr erfreuliche gedeihliche Miſchuna hervor⸗ gehen kann. Es ſpricht alſo pädagogiſch und ſozial nichts für die Vorſchule, es ſpricht alles, aber auch alles dagegen. Darum ſage ich: weil dieſe Vorſchule ein ſo furcht⸗ barer Mißbrauch iſt, darum ſollte man 10 lmnaſt dazu übergegangen ſein, ſie Aeſchaffen 8 (Sehr richtig! bei den Soßi maſan 4 die Vorſe erden und daß ihr Lehrplan der