88. Sitzung am 19. März 1919 Vorſteher Dr Borchardt: Die Reſolution, über die Sie abſtimmen zu laſſen wünſchen, liegt mir noch nicht vor. (Stadtv. Frau Heyl: Es iſt nur eine Anregung!) Stadtv. Skaller: Meine verehrten Damen und Herren! Ich habe mich einigermaßen gewundert, daß der Herr Kollege Dr. Liepmann eine verlorene Feſtung eigentlich noch zu halten ſucht. Die Aus⸗ führungen, die er hier gemacht hat, hat er bereits in der Kommiſſion vorgebracht, und es iſt dort mit ſol⸗ cher Deutlichkeit alles zurückgewieſen worden. daß ich erſtaunt bin, daß er dieſelben Ausführungen hier wiederholt und ſie im Namen ſeiner Fraktion noch einmal wiederholt. (Widerſpruch.) — Er hat zum Schluß ausdrücklich geſagt: meine Froktionsfreunde werden aus dieſen Gründen dieſer Sache nicht zuſtimmen. (Zuruf des Stadtv. Dr Liepmann) — alſo ſie werden zwar zuſtimmen, halten es aber für notwendig, trotzdem die Einwände zu erheben. Ich betone dieſe Verwunderung hier deswegen, weil ich weiß, daß einige ſeiner Fraktionskollegen ihm nicht beiſtimmen, und weil ich glaube, daß über die Frage, wie ſich die Mieter zu dieſer Angelegenheit verhalten wohl unbekümmert von den Fraktionen ſehr leicht eine Einmütigkeit in dieſem Hauſe erzielt werden kann. Vom Magiſtrat iſt dem Kollegen Dr Liep⸗ mann dargelegt worden, daß es einfach eine geſetzliche Pflicht des Hausbeſitzers iſt, den Müll beiſeite zu ſchaffen, und daraus ergibt ſich doch die ſelbſtverſtänd⸗ liche Konſequenz, daß der Hausbeſitzer auch, für die daraus entſtehenden Laſten aufzukommen hat. Trotz⸗ dem möchten die Herren Hausbeſitzer dieſe Laſten auf andere Steuerquellen abwälzen, indem ſte ſagen. daß indirekt ja der Mieter dadurch leidet. Es iſt richtig: wenn eine ſolche Beſtimmung herauskommt, wird der Hauswirt ſelbſtverſtändlich in verſtärktem Maße dieſe Summe auf den Mieter wieder abzu⸗ wälzen ſuchen. Wir können aber eventuell Maß⸗ nahmen treffen, wenn es nötig iſt, um den Mieter dagegen zu ſchützen. Des weiteren war in der Kommiſſion vonſeiten des Herrn Oberbürgermeiſters zu hören, daß in früheren Jahren entgegen geſetzlichen Beſtimmungen auf die Hausbeſitzer, ſoweit es irgend möalich war, Rückſicht genommen worden ſei. (Hörti hörti bei den Sozialdemokraten.) Trotz dieſer Warnungsrufe mußte es noch einmal verſucht werden, hier wieder etwas zugunſten der Hausbeſitzer herauszuſchlagen. (Zuruf.) — Selbſtverſtändlich handelt es ſich jetzt nicht mehr]⸗ um eine praktiſche Forderung: denn das haben Sie 10 2 4 daß dieſe Forderung nicht mehr durch⸗ Opfer darbringen. In Wirklichkeit iſt das Gegenteil der Fall. Wir haben aus den Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters gehört, welche Rückſichten obgewaltet haben, und wir haben weiter gehört, daß bei der Feſtlegung der Grundſteuer im Gegenſatz zu den Vorſchlägen, wie ſie in Berlin gemacht werden, wioder auf die Hausbeſitzer Rückſicht genommen wor⸗ den iſt, daß die Grundſteuer, die im Etat vorgeſelen iſt, geringer ausfallen ſoll, als es in Berlin der Fall iſt. Ich halte es für notwerſg, darauf hinzuweiſen, Damit wir ums ſpäter bei dieſer Poſttion noch einmal über dieſe Frage unterhalten können. Jedenfalls muß ein für allemal feſtgelegt werden, daß wir in unſerer Stedtverordnetenverſammlung nicht mehr die Intereſſen der Hausbeſitzer zu vertreten haben. Die Frakrtionen werden ſich darüler klar ſein müſſen, daß dieſer Standpunkt ein für allemal verſchwindet. Stadtv. Mener I: Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß der Herr Vorredner meinen Fraktionsfreund, Herrn Dr. Liepmann, nicht ganz zutreffend verſtanden hat. (Stadtv. Dr Liepmann: Sehr richtig!) Die Ausführungen, die er aemacht hat, agalten meiner Ueberzevaung nach mindeſtens ebenſo dem Intereſſe der Mieter wie demjenigen der Hausbe⸗ ſitzer. Ich darf zunöchſt perſönlich bemerken, da der Kollege Dr Liepmann die Güte hatte, mich zu zi⸗ tieren, daß die Aeußerung, die er verleſen hat, im Jahre 1917 getan. worden iſt, in einem Zeitpunkt, in dem es dem Hausbeſitz allerdinas außerordentlich ſchlecht aing. Ich bekenne mich durckaus dazu, daß ich damals mit der Mehrheit der Verſammlung be⸗ müht war, die ſchwere Lage der Hausbeſitzer nach Möglichkeit zu erleichtern. Unterdeſſen — das gebe ich ohne weiteres zu — haben ſich die Verhältniſſe geändert. Die heutiaen Zuſtände machen einen er⸗ böhten Schutz der Mieter erforderlich. Gerade vom Standpunkte der Mieter aus iſt es aber außer⸗ ordentlich bedenklich, die Sonderlaſten des Grund⸗ beſitzes zu erhöhen. Nun hat ja Herr Kolleae Skaller mit Recht ae⸗ ſagt, daß die Erhöhuna der Müllaebühr ſich einfach aus der geſetzlichen Lage eraibt. Ob das Geſetz ge⸗ recht iſt oder nicht, darüber haben wir nicht zu be⸗ finden. Ich will alſo auch dakinaeſtellt ſein laſſen, ob der Mieter eder der Hausbeſitzer an der Beſeiti⸗ gung des Mülls ein arößeres Intereſſe hat, will mich insbeſondere auch über die heikle Fraae, wer als Produ⸗ent des Mülls Lauptſächlich in Betracht kommt, nicht näher auslaſſen. Wie dem auch ſei, die Erböhung iſt, aanz beſonders unter den bentiaen Verhältniſſen, eine aroße Gefahr für die Mieter. Einmal deskalb, weil der Hausbeſſtzer einen Rechts⸗ titel zur Abwälzung der Mehrbelaſtung hat: das hat ja auch der Kollege Skaller, wenn ich richtia ae⸗ hört habe. anerkannt, mit der auch meinerſeits durch⸗ aus 45.. . prneer daß Re⸗ 2 . Ich finde es aber bedauerlich, daß Sie den es für notwendig gehalten haben, noch einmal alle] dieſe Argumente vorzutragen, um in der Oeffentlich⸗ ue keit den Eindruck zu erwecken,