Sitzung am 19. März 1919 Der Antrag ſollte nur eine Frage anſchneiden — wir verſteifen uns von vornherein nicht auf ſeine Form —, die, wie uns ſcheint, in der Tat doch drin⸗ gend iſt und, ſoviel mir bekannt iſt, in faſt allen Gemeinden Groß⸗Berlins und Preußens jetzt zur Debatte ſteht. Durch die Regierung ſind im Wege der Notverordnung die alten Gemeindevertretungen aufgelöſt, und ſie ſind nach dem gleichen Wahlrecht neu gewählt worden. Eine gleiche Notverordnung der Regierung gegenüber den Magiſtraten iſt nicht ergangen. Ich glaube, wir brauchen heut in dieſem Kreiſe nicht zu erörtern, ob die Regierung daran recht oder unrecht getan hat. Die Gründe, warum die Regierung eine ſolche Notverordnung in bezug auf die Magiſtrate nicht erlaſſen hat, liegen ja auf der Hand. Soweit die beſoldeten Mitglieder der Ma⸗ giſtrate in Frage kommen, hat ſich die Regierung natürlich nicht der Gefahr ausſetzen wollen, den Städten eine ungeheure Abfindungslaſt aufzubür⸗ den, falls die alten beſoldeten Magiſtratsmitglieder nicht wieder in ihre Aemter zurückkehrten, und ſo⸗ weit die unbeſoldeten Magiſtratsmitglieder in Frage kamen, konnte die Regierung keine Lücke zwiſchen dem Zeitpunkt laſſen, wo die neuen Gemeindever⸗ tretungen imſtande wären, zu arbeiten, und die neuen Magiſtrate oder Schöffen gleichfalls in der Lage wären, das Amt zu führen. Aber das eine iſt ja klar: auf die Dauer iſt es nicht möglich, daß die Magiſtrate, die aus den alten, nach dem Klaſſen⸗ wahlrecht gewählten Gemeindevertretungen hervor⸗ gegangen ſind, jetzt mit den neuen Gemeindevertre⸗ tungen des gleichen Wahlrechts zuſammenarbeiten. Uns hier in Charlottenburg brennt, wie mir ſcheint, die Frage nicht ſo ſehr, wie das in vielen anderen Gemeinden der Fall iſt. Der Antrag ſoll, das möchte ich ausdrücklich hervorheben, kein Mißtrauensvotum gegen den Ma⸗ giſtrat im ganzen oder ſeine unbeſoldeten Mitglieder ſein. Ich bin jung in dieſem Kreiſe und kann über die Zuſammenarbeit aus eigenem nichts ausſagen. Aber die älteren Kollegen haben mir beſtätigt, daß die Zuſammenarbeit zwiſchen dem Magiſtrat und auch unſerer Fraktion hier immer eine einigermaßen Atet eneltee geweſen iſt. (Heiterkeit und Zurufe.) Ich will damit ſagen, daß mir unmittelbare Veran⸗ laſſungen, die uns in eine Konfliktsſtimmung hin⸗ eintreiben könnten, nicht bekannt ſind, und daß meine Freunde auch nicht die Empfindung haben, als müßte nun heute ſofort eine Entſcheidung her⸗ beigeführt werden. Aber das iſt doch wohl ficher, daß auf die Dauer der Magiſtrat, wenigſtens in jeinen unbeſoldeten Mitgliedern, ſich einigermaßen ſo zuſammenſetzen muß, wie es der Stimmung dieſer Verſammlung entſpricht. Es kann auf die Dauer nicht angehen, daß Parteien, die hier in die Min⸗ derheit geraten ſind und vielleicht nur noch eine kleine Minderheit darſtellen, durch eine ülergroße Zahl von Sitzen im Magiſtrat ein Maß von Ver⸗ 2 arnat haben, 12 ſie bei ihrer ſchwachen Ver⸗ Bürgerſchaft auf die Dauer n und wollen. Unſe. unde, ſgemeindeordnung ausgearbeitet . berufen, die bereits lang 7 Am einfachſten wäre für Charlottenburg die Erledigung vielleicht ſo, daß die unbeſoldeten Ma⸗ giſtratsmitglieder zu einem gegebenen Zeitpunkt ihre Aemter zur Verfügung ſtellten und ſich einer Neuwahl unterzögen. Ich bin überzeugt, daß dann die Herren, auf die wir alle Wert legen, wieder⸗ gewählt werden würden, und wir hätten zugleich die Gelegenheit, auch die Kollegen von der unabhängigen Sozialdemokratie und ebenfalls die hier neu ver⸗ tretenen Kollegen von der äußerſten Rechten in der Körperſchaft des Magiſtrats vertreten zu ſehen. Lun bitte ich aber, dieſem Antrag nicht auch den Einwand entgegenzuhalten: nach 9 iſt alles vorbei, das heißt, übers Jahr gibt es wahrſcheinlich keine Charlottenburger Stadtverordnetenverſamm⸗ lung, keinen Charlottenburger Magiſtrat mehr. Meine Damen und Herren, einſtweilen müſſen wir uns ja ſo einrichten, als ob wir noch recht lange miteinander arbeiten ſollen. Wir können ja nicht den dies incertus an et quando, den Tag, von dem unbeſtimmt iſt, ob er kommt und wann er kommt, zur Richtſchnur unſeres Handelns machen, ſonſt müßten wir ja auch ſagen: wir halten keine Sitzun⸗ gen mehr ab, wir erledigen nur die laufenden Ge⸗ ſchäfte, die der Tag mit ſich bringt, und im übrigen warten wir ab, was aus Groß⸗Berlin wird. Ich möchte noch einen anderen Geſichtspunkt Jeltend machen. Es könnte eingewendet werden, daß wir erſt einmal eine gewiſſe Stabiliſierung der Ver⸗ hältniſſe abwarten ſollen, daß wir abwarten ſollen, bis die verfaſſunggebende Landesverſammlung oder ein ſpäterer Landtag eine neue Städte⸗ und Land⸗ und verabſchiedet werde man ja ſehen, ob über⸗ haupt die Magiſtratsverfaſſung erhalten bleibt, oder ob wir zu dem Einkammerſyſtem über⸗ gehen, und dann ſei auch die Zeit, die Neu⸗ wahlen vorzunehmen. Meine Damen und Herren, das hieße, die Sache außerordentlich lange hinaus⸗ ſchieben. Soweit ſind die Verhältniſſe konſolidiert, daß wir hier eine Stadtverordnetenverſammlung haben, die Dauer verſpricht, vorausgeſetzt, daß ſie nicht etwa durch eine gewaltſame zweite Revolution auseinandergetrieben wird, was die große Mehrzahl dieſer Verſammlung ja weder wünſcht noch glaubt. Hier haben wir alſo einen feſten Punkt, und nach dieſer nunmehr auf einſtweilen unabſehbare Zeit feſtſtehenden Zuſammenſetzung dieſer Verſammlung ſollten wir uns auch den Magiſtrat bilden, mit dem wir dann harmoniſch werden zuſammenarbeiten können. Ich bitte Sie, den Antrag in dieſem Sinne auf⸗ zufaſſen, und glaube, daß ſein Inhalt dann von einer großen Mehrheit dieſer Verſammlung gebilligt werden wird, und daß auch am Magiſtratstiſch Ver⸗ ſtändnis dafür zu finden ſein müßte. Stadtv. Meyer I: Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächſt feſtſtellen, daß ſich meine poli⸗ tiſchen Freunde den ſachlichen Grundgedanken des Antrags der ſozialdemokratiſchen Fraktion voll⸗ ſtändig zu eigen machen. Auch wir erkennen an, daß die unbeſoldeten Magiſtratsmitglieder, gewählt durch die Stadtverordnetenverſammlung, ihr Amt hat; dann als Vertrauensmänner der Bürgerſchaft ausüben; deshalb werden ja zu dieſem Amt in der micger e in der tadt Se im öffentlichen Leben tätig waren, 0 iſt ſogar, bereits als Stadtverordnete,