102 Sitzung am 19. März 1919 Eine andere Frage, die ja auch in unſerem An⸗ trag angeſchnitten iſt, betrifft die Errichtung eines Krematoriums. Auch dieſe Frage war in Char⸗ lottenburg eine brennende. Als wir ſeinerzeit unſe⸗ ren Gemeindefriedhof nicht bekamen, wurde von allen Seiten des Hauſes betont: dann wollen wir doch wenigſtens einmal die Frage des Krematoriums anſchneiden. Auch hierbei haben wir mit außer⸗ ordentlichen Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten kämpfen müſſen. Wir konnten aber einesteils auf Grund der Geſetzgebung und andernteils der ſonſti⸗ gen Schwierigkeiten wegen auch dieſe Frage nicht verwirklichen. Dann haben wir die Frage des Urnenhaines oder der Urnenhalle anageſchnitten, die aber auch auf ſich beruhen blieb. Kurz und gut, die Begräbnisfrage iſt hier für uns in Charlotten⸗ burg außerordentlich dringend. Wir möchten daher heute bitten, daß unſer Antrag von allen Seiten des Hauſes einſtimmig an⸗ genommen wird. Wir ſchaffen damit gleichzeitig auch ein Stück ſoziale Arbeit, indem wir durch die Herſtellung eines derartigen Friedhofes mit den von uns noch beantragten Einrichtungen vielen Menſchen wieder Arbeit geben. An Grund und Boden, alaube ich, managelt es uns wohl nicht, und ich wage heute zu behaupten, daß uns einen derarti⸗ gen Widerſtand, wie ihn uns die alte Regierung be⸗ reitet hat, die neue nicht entaegenſeren wird, und daß wir jetzt mit allen dieſen Widerwärtigkeiten nicht zu kämpfen hahßen. Darum wird nach meinem Dafürhalten dieſe Frage außerordentlich leicht zu löſen ſein, und ſie ebnet auch gleichzeitig die Wege zur Löſung der anderen Fraaen, die mit der Be⸗ gräbnisfrage eng verbunden ſind. Ich bitte Sie, aus allen dieſen Gründen dem Antrage zuzu⸗ ſtimmen. Stadtv. Bollmann: Der Herr Antragſteller er⸗ wähnte bereits, daß hier kein neuer Antrag vorliegt. Ich möchte meinerſeits feſtſtellen, daß der aleiche An⸗ trag bereits vor 17 Jahren, im Jahre 1902, von der liberalen Fraktion eingebracht worden iſt, allerdings nur in Bezug auf den Gemeindefriedhof. Regel⸗ mäßia haben ſich dann die Anfragen über den Stand der Angelegenheit wiederholt; wir haben im Laufe der Jahre fünf⸗ oder ſechsmal angefragt, wie weit die Förderung dieſes Projektes gediehen ſei. Tatſache iſt, daß die frühere Regierung uns ſtets Schwierig⸗ keiten gemacht hat, und daß, wenn uns der Maaiſtrat, der ſich die allergrößte Mühe in der Friedhofsfrage gegeben hatte, ein geeignetes Terrain vorſchlug, uns dann ſtets von der Regierung ein Knüppel zwiſchen die Beine geworfen wurde. Allerdinas ſtanden ja immer die Kirchenbehörden dahinter, die na⸗ türlich mit allen Mitteln verhindern wollten, daß mit Rückſicht auf das Zentralfriedhofsprojekt hier e i n Kommunalfriedhof errichtet werden ſollte. Meine Damen und Herren, die Stadtverord⸗ netenverſammlung hat ſtets auf dem Boden des An⸗ traas geſtanden, und ich hoffe, daß ſie auch heute wieder zu einem einſtimmigen Votum gelangen wird. Ich fürchte nicht, daß uns die Regierung diesmal wieder die Sache erſchweren wird, da ja in unſerer Mitte der preußiſche Miniſterpräſident und auch der] Herr Polizeipräſident ſitzen. Die Feuerbeſtattung findet immer mehr Anklang, trotz der leider noch immer ſo ſehr erſchwerten Formalitäten, die bald beſeitigt werden müſſen. Das Berliner gewieſen ſind, iſt überlaſtet. Immerhin wird aber zu prüfen ſein, ob wir uns in Rückſicht auf die ſchlech⸗ ten Finanzen allein ein Krematorium werden leiſten können. Es empfiehlt ſich deshalb vielleicht, mit Wilmersdorf und Schöneberg Fühlung zu neh⸗ men. Meine Fraktion legt großen Wert auf die Schaffung eines interkonfeſſionellen Friedhofes und die Errichtung eines Krema⸗ toriums und wird geſchloſſen für den Antrag ſtimmen. Stadtv. Dr Luther: Meine Damen und Herren! Ich bin weſentlich anderer Meinung wie die Herren Vorredner. Ich habe ſeinerzeit auch zu den⸗ jenigen gehört, die eine Friedhofsanlage in un⸗ mittelbarer Näle der Stadt Charlottenbura ge⸗ wünſcht hbaben, und habe ſeinerzeit mit dem Büraer⸗ meiſter Mattina ſelbſt die Reaierung in Potsdam aufgeſucht, um ſie dazu zu bewegen. Die Reaierung war damals nicht dazu zu bringen, und ſie hat die Kirchenbehörden, wie ich hiermit richtiaſtelle, ae⸗ zwungen, den Friedhof in Stahnsdorf in ſo weiter Entfernung, wie er tatſächlich liegt, anzulegen. Aber dadurch haben ſich die Dinge weſentlich verändert. Das, was Sie jetzt wünſchen, einen kommunalen Friedhof, iſt in Wirklichkeit in Stahnsdorf vorhan⸗ den. Denn es iſt nicht an dem, was Herr Kollege Gebert geſagt hat, daß irgendwelche Schwierigkeiten in bezua auf die Aufnahme Andersaläubiger be⸗ ſtehen: im Gegenteil, wir beſitzen außer den Blocks für die einzelnen Kirchengemeinden einen aroßen, un⸗ mittelbar neben der Kapelle liegenden Block zur Auf⸗ nahme jedes Charlotten buraers, der dort beerdiat zu werden wünſcht. Dieſer Block iſt in keiner Weiſe anders ausgeſtattet wie die Blocks der evangeliſchen Kirckengemeinde, die zuerſt nach Stahnsdorf ver⸗ wieſen worden iſt. Es iſt auch nicht richtia, daß beſondere Geldſckwieriakeiten kei der Aufnahme Andersaläubiaer oemacht werden; im Gegenteil, auch die Andersaläubigen bezahlen in Stahnsdorf genau dieſelben außerordentlich billigen Sätze. Meine Damen und KHerren, bei der Anlage eines Friedhofes aibt es aewiſſe Geſichtspunkte, auf die ich Sie hinweiſen möchte, um Sie darauf aufmerk⸗ ſam zu machen, daß Sie vorausſichtlich die Dinae nicht beſſer aeſtalten können, als ſie in Stahnsdorf jetzt tatſächlich beſtehen. Die erſte Bedinaung für einen Friedhof iſt, daß er leicht und bequem er⸗ reichbar iſt. Ich behaupte, daß die Bequemlichkeit und Erreichkarkeit etwa nach der Junagfernheide oder rnach der Döberitzer Heerſtraße keinesweas beſſer iſt als die nach Stahnsdorf. Man fährt vom Bahnhof FTriedrichſtraße in 50 Minuten und vom Bahnhof Charlottenbura in 29 Minuten bis vor die Pforten Wer wie ich berufsmäßia des Friedhofs. Wir kaben vor dem Kriege 20 Züae 2 Krematorium in der Gerichtſtraße, auf das wir an⸗ lieber nach Stalnsdorf Kutſche, wie wir ſie