104 Sitzung am 19. März 1919 Vorſteher Dr. Borchardt (unterbrechend): Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen. Stadtv. Dr Luther (fortfahrend): Die Kirche hat durch das Krematorium abſolut keine Einnahme; die Herren ſind nicht orientiert. (Erneute Zurufe.) — Nein, wir haben nichts gegen das Krematorium. Ich beerdige ſehr gern dort, es iſt mir ſtets eine große Freude, bei der außerordentlich vornehmen und wür⸗ digen Art im Krematorium Reden zu halten. Ich habe auch prinzipiell gar nichts gegen die Feuer⸗ beſtattung, ſondern wieder habe ich das Intereſſe des Bürgers von Charlottenburg dabei im Auge. Wie kommen wir dazu, ein Krematorium zu bauen, wenn Berlin uns die Pforten des ſeinigen öffnet, wenn Wilmersdorf uns zugefichert hat, daß es unter den⸗ ſelben Bedingungen unſere Toten aufnehmen wird! Ich beſtreite, daß wir es nötig haben, aus lauter Parteirückſichten plötzlich die Taſchen unſerer Steuer⸗ zahler wieder zu öffnen. Stadtv. Dr. Frentzel: Der Herr Vorredner hat darauf hingewieſen, daß einige Parteien in dieſem Hauſe in ihren Wahlaufrufen ſich beſonders die Schonung des religiöſen Gefühls der Einwohner zur Aufgabe geſetzt hätten, und glaubt nun einen Gegen⸗ ſatz in dieſen Aufrufen konſtruieren zu können, wenn eben dieſe Parteien für die Einrichtung eines kommu⸗ nalen Friedhofes ſtimmten, welche Einrichtung nach den Worten des Herrn Pfarrers Dr Luther dem reli⸗ giöſen Gefühl irgendwelchen Zwang anzutun geeignet ſein ſoll. Ich ſage: ich weiß nicht, ob Herr Dr Luther meine Freunde und den Wahlaufruf meiner Partei damit gemeint hat. Ich muß aber feſtſtellen, daß es] mir abſolut unmöglich iſt, einzuſehen, wie die Ein⸗ richtung eines kommunalen Friedhofes nur irgendwie auch ein überzartes Gefühl verletzen ſoll, (Sehr richtig!) und ich muß auch bemerken, daß ich das beſte Argu⸗ ment für meine Auffaſſung daraus entnehme, daß Herr Pfarrer Dr Luther früher ſelber für einen Ge⸗ meindefriedhof eingetreten iſt und daß er es ſicher nicht getan hätte, wenn er auch nur im entfernteſten gedacht hätte, dadurch das religiöſe Gefühl irgendwie zu verletzen. Stadtv. Schmidt: Werte Anweſende! Im Na⸗ men meiner Freunde kann ich mitteilen, daß wir für den Antrag ſtimmen, und zwar ſtimmen wir gern für dieſen Antrag, weil wir wiſſen, daß er einem weitgehenden Bedürfnis der Charlottenburger Bevöl⸗ kerung entſpricht. Die Ausführungen des Zerrn Stadtv. Dr Luther haben uns natürlich nicht vom Gegenteil überzeugt. Daß die Frage tatſächlich bren⸗ nend iſt, beweiſt die Tatſache, daß man ſich ſchon im Jahre 1907 mit der Frage der Schaffung eines Ge⸗ meindefriedhofes befaßt hat. Leider ſcheiterte ihre Verwirklichung damals an der Grund⸗ und Boden⸗ frage. Wir wollen hoffen, daß das diesmal nicht wieder der Fall ſein wird. Was die Schaffung des Krematoriums anbe⸗ trifft, ſo begrüßen wir das natürlich mit großer]e Freude. Der Gedanke der Feuerbeſtattung hat unter] w Wir haben unſererſeits an der Bevölkerung immer weitere Kreiſe gezogen und gewinnt ſtändig an Sympathien. Ich würde natür⸗ lich wünſchen, daß in dieſer Beziehung noch manche Beſtimmungen, die ich als ſchikanös bezeichnen möchte, fallen möchten. Ich erinnere daran, daß bei der Feuerbeſtattung in der Gerichtſtraße beiſpiels⸗ weiſe für eine reichere verſtorbene Perſönlichkeit allerhand Schmuck hingeſetzt wird, Blattpflanzen, grüne Bäume uſw., die nachher, wenn ein Aermerer beſtattet wird, wieder herausgenommen werden. Es wird alſo einem Angehörigen der ärmeren Bevölke⸗ rung noch nach dem Tode gezeigt: du biſt arm und noch arm, ſelbſt wenn du tot biſt. Das ſind ſchikanöſe Beſtimmungen, die fortzufallen haben. Dann muß ich daran erinnern, daß derjenige, der verbrannt werden will, eine ſchriftliche Erklärung darüber abzugeben hat, daß ſein Leichnam eingeäſchert werden ſoll. Dieſe Beſtimmung muß beſeitiat wer⸗ den, es muß genügen, wenn er ſich einem Angehörigen gegenüber dafür ausſpricht. Was die Finanzierung und die Rentabilität eines Krematoriums in Charlottenburg betrifft, ſo glaube ich, daß ſie ſich nicht ungünſtig geſtalten wer⸗ den. Augenblicklich iſt der Andrang in der Gericht⸗ ſtraße ſo ſtark, daß die Leichen mitunter 8 bis 14 Tage ſtehen müſſen, bevor ſie zur Verbrennung kom⸗ men. Sollte die Rentabilität in Frage ſtehen, ſo könnten natürlich Nachbargemeinden dazu herangezo⸗ gen werden. Erfolgt die Beſeitigung der ſchikanöſen Beſtimmungen, ſo wird die Sympathie größer wer⸗ den, die Bevölkerung wird den Gedanken immer mehr in ſich aufnehmen, und die Rentabilität des berne Ine wird abſolut nicht in Frage geſtellt werden. Stadtrat Dr. Gottſtein: Meine Damen und Herren! Der Magiſtrat hat ſeinen grundſätzlichen Standpunkt zur Frage der Errichtung eines Ge⸗ meindefriedhofs in dieſer Verſammlung ſo oft dar⸗ aelegt — einen Standpunkt, der ſich mit dem der Herren Antragſteller deckt —, daß kein Anlaß vor⸗ liegt, ihn heute wieder auseinanderzuſetzen. Er wird die Frage der Errichtung eines Gemeindefried⸗ hofs, nachdem die kriegeriſchen Zuſtände, die die Weiterberatung gehemmt haben, vorüber ſind, jetzt wieder aufnehmen. Ich muß aber hervorheben, daß, wenn irgendeine Frage mit der Angelegenheit Groß⸗ Berlin zuſammenhängt, das die Errichtung eines Gemeindefriedhofs iſt und daß es unmöglich iſt, an ſie heranzugehen, ohne in Verhandlungen und in Stellungnahme gegenüber den anderen Gemeinden einzutreten. Deshalb iſt es ausaeſchloſſen, daß die Löſung der Angelegenheit ſo raſch erfolgt, wie der Herr Antragſteller anzunehmen ſcheint. frage anfertigen laſſen. Da zeig Rentabilität eines Krematori burg allein ganz und gar