105 Sitzung am 19. März 1919 die Feuerbeſtattung von Charlottenburger Ange⸗ hörigen unter denſelben Bedingungen in der Ge⸗ richtſtraße zuzulaſſen wie für Berliner Angehörige. Dasſelbe gilt für die Bewohner von Schöneberg und Wilmersdorf. Wilmersdorf iſt dann zur Errich⸗ tung eines eigenen Krematoriums auf ſeinem Ge⸗ meindefriedhof ülergegangen und hat uns ebenfalls zugeſtanden, daß die Bedingungen für uns die aleichen ſein ſollen wie für Wilmersdorf. Unſere Berechnungen haben ergeben, daß der Betrieb eines Krematoriums für Charlottenburg allein — die Koſtenanſchläge liegen hier vor — unter keinen Umſtänden zweckmäßig durchführbar iſt. Die Er⸗ richtung eines Krematoriums iſt an die Frage der Zuſtändigkeit von Groß⸗Berlin gebunden, ſie iſt un⸗ lösbar und untrennbar davon. Wenn hier behauptet worden iſt, das Krematorium in der Gerichtſtraße ſei unzulänglich — das wird wohl mehr mit dem Kohlenmangel als mit der baulichen Unzulänglich⸗ keit zuſammengehangen haben —, aber wenn ſich das herausſtellen ſollte und wir die Frage der Er⸗ richtung eines Krematoriums wieder zu erwägen hätten, dann würde dieſe Frage nur durch gemein⸗ ſame Verhandlung mit den Groß⸗Berliner Gemein⸗ den gelöſt werden können. Anders ſteht es mit der Errichtung eines Urnenhains. Es iſt allaemein bekannt, daß auf allen neueren Friedhöfen Urnenhaine errichtet wor⸗ den ſind. Urnenhallen werden ja überhaupt kaum mehr errichtet, ſondern Urnenhaine auf den Fried⸗ höfen ſelbſt angelegt und dort die Urnen beigeſetzt. Stadtu. Dr. Luther: Ich will mich nur auf einige wenige Worte beſchränken. Dem Herrn von der Seite dort drüben (Stadtv. Schmidt) möchte ich zunächſt erwidern, daß derar⸗ tige Mißſtände, wie er ſie berührt hat, wenn ſie auf kirchlichen Friedhöfen ſind, keineswegs unſere Billiaung finden. Die hängen aber gar nicht in erſter Linie von der Kirche und den Geiſtlichen ab, ſon⸗ dern, wie er ſich bei perſönlicher Unterhaltung über⸗ überzeugen kann, zum großen Teile vom Publikum ſelbſt. Wir ſind immer aern bereit, alle ſozialen Unterſchiede, die uns kraß entgegentreten, abſolut aufzuheben. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) — Ich kann nur ſagen, wie bei uns gedacht wird. Zweitens iſt mir noch aus keinem Munde bis jetzt irgendein Nachweis erbracht worden, ans dem heraus das Bedürfnis eines Gemeindefriedhofs er⸗ Wünſche gehört. aber ſtatiſtiſcher vorhandenen Friednöfe, die Beſtimmung der Reaieruna dienen ſollen, nicht mehr Raum mehr haben. Das feſtſtellen, daß man alſo dach an e des Gemeindefriedhofs nicht in ſachlichem Bedürinis beraus acht mmungen, die mit der Sache nichts e ich, dem Kerrn Kolleaen daß ich ſelbſtverſtändlich nicht mnten anf einem Gemeinde⸗ ſelbſt widerſprechen. Aber ich bin der Meinung, daß, nachdem nun einmal die Dinge ſo gelaufen ſind, wie wir ja ſelbſt gar nicht wollten, man doch auch etwas Wert darauf legen müßte, daß auf den jetzt vor⸗ handenen Friedhöfen dieſe religiöſen Bedürfniſſe beſſer befriedigt werden als auf einem neu ent⸗ ſtehenden kommunalen Friedhof, der Jahre braucht, um das alles zu leiſten, was die Bevölkerung inner⸗ lich und ſeeliſch wünſcht. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das Redeverbot am Grabe?!) Antraaſteller Stadtv. Gebert (Schlußwort): Meine Damen und Herren! Ich habe nicht mehr piel zu ſagen, nachdem der Maaiſtrat ſich zuſtim⸗ mend geäußert hat, daß er nach wie vor auf dem⸗ ſelben Standpunkt ſteht, was unſer Antrag, abge⸗ ſehen von der Frage des Krematoriums, im großen und ganzen verlangt. Ich möchte aber den Herrn Kollegen Dr Luther doch auf eins aufmerkſam machen. Er war ehrlich, indem er ſaate: es wird ſo gedacht. Ob ſo gehandelt wird, iſt eine andere Frage. Ich habe auf den Friedhöfen, die in der Stadt Charlottenbura liegen, bittere Erfahrungen, ſowohl mit der Friedhofsverwaltung als auch mit einigen Pfarrern, gemacht. Sie haben das Rede⸗ verbot eingeführt. Ich will hier auch aleich ein⸗ ſchalten: als unſer verſtorbener Kollege Vogel in Stahnsdorf beerdiat wurde, hatte die Familie ver⸗ abſäumt, vorher anzufragen, ob am Grabe geredet werden darf, und als wir danach fraaten, wurde es uns verboten. — Alſo, mein verehrter Herr Kollege Dr. Lutler, es iſt richtig: denken tut man an ders, als man oftmals handelt. Nun das ſeeliſche Empfinden! Glauben Sie, daß es nicht auch dem Kreiſe der Leid⸗ tragenden außerordentlich weh zu Herzen iſt, wenn in einem andern Sinne geredet werden muß, als wie der Verſtorbene es wünſchte (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) 1 Dieſes Empfinden habe ich ſchon oft am Grabe eines Parteigenoſſen mit nach Hauſe bringen müſſen. Wir haben erbärmliche Verhältniſſe feſtſtellen fönnen. Ich erinnere an die ausaeſprochen kon⸗ feſſionellen Kirchhöfe. Wir mußten erleben, daß Anverwandte mit Gewalt vom Grabe durch die Kirchhofsverwaltung reſp. deren Beamte gedränat worden ſin d. Das ſind Erſckeinungen, die in einem Gemeinde⸗ friedhof nicht eintreten können. (Sehr richtig!) und da wage ich zu behaupten: das ſeeliſche Empfinden wird auf dem Gemeindefriedhof viel mehr gewahrt als in einem ausgeſprochen kon⸗ feſſtonellen Friedhofe. (Sehr richtial) Aus dieſem Grunde haben wir noch mehr das Recht, zu verlangen, daß ſo ſchnell wie möglich die Errich⸗ tung eines Eemeindefriedhofs erfolat. HSerr Kollege Dr Luther ſaate dann, ſie hätten nicht keſriebto wer. auf Drängen oder auf Anraten der Reaierung