108 Sitzung am 19. März 1919 nen Gemeinden, ſolange ihre Selbſtändiakeit beſteht, ſich auch mit der Frage beſchäftigen, ſie eingehend er⸗ örtern müſſen, damit, wenn die Frage in einem Groß⸗Berlin zur Erörterung gelangt, bereits erheb⸗ liche Vorarbeiten geleiſtet ſind und Klarheit über die zu beſchreitenden Wege geſchaffen iſt. Ich bin heute in der angenehmen Lage, Ihnen die Mitteilung zu machen, daß wir eine weſentliche Unterſtützung der Sozialiſterung in den Gemeinden von der Sozialiſterungskommiſſion zu erwarten haben. Die Sozialiſierungskommiſſton hat heute der Preſſe den Entwurf zu einem Rahmengeſetz für die Kommunaliſierung won Wirtſchaftsbetricben vorge⸗ legt, der eingehend zu dieſer Frage Stellung nimmt. § 1 iſt da von beſonderer Bedeutung. Die Betriebe und die Gewerbszweige, für welche die Sozialiſie⸗ rungskommiſſion cine baldige Sozinliſterung erwartet, ſind 1. Verkehrsunternehmungen für das Gemeinde⸗ gebiet, 2. Unternehmungen zur Verſorgung der Be⸗ völkerung mit Waſſer, Licht und Kraft, 3. Erzeugung, Beſchaffung und Lagerung, Verarbeitung und Ver⸗ trieb von Nahrungs⸗ und Genußmitteln, 4. die Her⸗ ſtellung von Kleinwohnungen, 5. Anſchlagweſen, 6. aewerbsmäßige Stellenvermittlung im Sinne des Stellenvermittlungsgeſetzes vom Jahre 1910. 7. Apotheken und 8. Beſtattungsweſen. Ich muß für meinen Teil erklären, daß mir dieſe Aufzählung durchaus nicht erſchöpfend zu ſein ſcheint (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und daß ich nach mancher Richtung hin eine weſent⸗ liche Ergänzung für notwendig halte. Wenn ich die⸗ ſen Entwurf hier zitiere, ſo auch nur, um an dieſem Beiſpiel zu zeigen, daß die allgemeinen Vorbedingun⸗ gen, die einer Sozialiſterung in den Gemeinden vor⸗ ausgehen müſſen, bereits in Angriff genommen wor⸗ den ſind. Denn in dieſem Rahmengeſetz wird ſowohl eine Aenderung der ſtaatlichen Beſtimmungen dahin vorgeſchlacen, daß die Gemeinden das Recht erhal⸗ ten, ein Monopol in dieſen beſtimmten Gewerben anszuüben, wie auch weiter dahin, daß ihnen das Enteignungsrecht unter ganz anderen, weſentlich wei⸗ teren Vorausſetzunaen zugeſtanden wird, als ſie es nach den jetzt beſtehenden Beſtimmungen haben. Für uns iſt Kommunaliſterung nicht gleichbe⸗ deutend mit Sozialiſierung, ſo betonte ich vorhin ſchon. Wenn ich ſagte: wir erſtreben durch die Sozia⸗ liſierung die Herausführuna aus dem gegenwärtigen Chaos des Wirtſchaftslebens zu einer beſſeren Wirt⸗ ſchaftsordnung, ſo glauben wir auch. daß dieſer von uns vorgeſchlagene Wog der Sozialiſierung in den Gemeinden ein ſehr gutes Hilfsmittel dazu ſein wind; (Zuruf bei der Bürgerlichen Fraktion: Niemals!) denn wir können auf dieſem Wege eine ſtarke Steigerung der Erzeugung durchführen. (Wiederholter Zuruf: Niemals!) Während gegenwärtig die Intereſſen des Unternehmers für die Erzeugung maßaebend ſind, werden bei der Sozialiſterung in dem Umfange, wi⸗ wir ſie im Auge haben, nur die Intereſſen der All⸗ gemeinheit, der Bedarf der Allgemeinheit maßgebend ſein. Die Erzengurg von Bedarfegütern, die keinem entſprechen, wird zurück⸗] treten hinter der Erzengung aller derienigen Güter, di allgemeinen Bedürfnis die für die Allgemeinheit notwendig ſind. einzelnen (Stadtv. Meyer: I1: Das iſt doch immer ſo geweſen, daß Angebot und Nachfrage 2 einander abhängig waren Nicht das Einzelintereſſe des Unternehmers wird ausſchlaggebend ſein für ſeine Produktion, ſondern der Bedarf der ganzen Geſellſchaft; einheitlich, nach allgemeinen Geſichtspunkten wird deshalb die Erzeu⸗ gung zu leiten ſein. Die Einwände, die bisher gegen die Soziali⸗ ſierung erhoben worden find, laſſen ſich ja im we⸗ ſentlichen dahin zuſammenfaſſen, daß man von ihr eine Lähmung der Initiative der beſchäftigten Per⸗ ſönlichkeiten, beſonders der leitenden Perſonen, er⸗ wartet. Sehr richtig! bei der Bürgerlichen Fraktion.) 2 Ich kann dieſe Anſchauung durchaus nicht teilen. Soweit perſönliche Motive in Frage kommen, möchte ich doch gerade diejenigen, die jetzt dieſes Moment in den Vordergrund ſchieben, darauf hin⸗ weiſen, daß ſie eine kleinliche Auffaſſung vertreten, wenn ſie glauben, daß nur der materielle Gewinn die Aufwendung aller Energie und die Einſetzung der ganzen Perſönlichkeit für eine große Aufaabe hervorruft, und ich möchte weiter darauf hinweiſen, daß der liberale Nationalökonom Brentano ſeit jeher die Anſchauung vertreten hat, (Zuruf vom Magiſtratstiſch) — übrigens auch andere Herren, Herr Bürger⸗ meiſter —, daß die materielle Entlohnung durchaus nicht das einzige Motiv für eine hervorragende Be⸗ tätigung iſt, ſondern daß im menſchlichen Leben ge⸗ nau ſo groß wie dieſes materielle Motiv auch die Sucht, das Verlangen der Menſchen nach allgemeiner Anerkennung iſt. Und wie wir heute ſehen, daß pch in ſtaatlichen und gemeindlichen Körperſchaften in leitenden Stellungen Perſonen mit großer geiſtiger Befähigung befinden, die durchaus nicht immer tie teich hohe Entlohnung erhalten wie Perſonen im Privatbetriebe, genau ſo werden wir das erleben, wenn der Sozialiſterung Folge gegeben wird. Das ſachliche Motiv aber möchte ich dahin be⸗ antworten, daß die Hemmung der Initiative des einzelnen mit der Sozialiſierung durchaus nicht un⸗ trennbar verbunden iſt. ſondern daß es einfach an der Geſtaltung der Organiſation liegt, ob dieſe