116 Sitzung am 19. März 1919 fahrungen deuten durchaus nicht darauf hin. Die Stadt Wien hat vor einigen Jahren eine Gemeinde⸗ ſchlächterei eingerichtet mit 5 Millionen Kronen. Die Folge war, daß im erſten Jahr 1½ Millionen Kronen verloren gingen. Und wenn hier von der Verſtadtlichung des Milchhandels geſprochen wird, ſo iſt vielleicht Herrn Dr Hertz nicht die Geſchichte des Milchringes bekannt — den Aelteren von Ihnen aber wohl —, die ſich hier in Berlin vor einigen Jahren abgeſpielt hat. Die Vergeſellſchaftung der Milch und die Verteilung durch eine Geſellſchaft wurde nach ganz kurzer Zeit aufgegeben, nachdem man 9½ Millionen Mark daran verloren hatte. Ich habe mich außerordentlich gefreut, daß Herr Kollege Skaller ſagte: „Experimente machen wir nicht mit“, und ich hoffe, ihm auch in der Kom⸗ miſſion zu zeigen, wie gefährlich es iſt, wenn die Stadt die Verſorgung der Bevölkerung mit Lebens⸗ mitteln auch nach dem Kriege übernehmen, alſo ein großer Lebensmittelkaufmann werden wollte. Unſere ausgezeichnete Finanzgebarung könnten wir ſehr leicht in die größte Erſchütterung bringen. Es iſt hier in der Preſſe wiederholt behauptet und dem nicht widerſprochen worden, daß der Berliner Magiſtrat allein ungefähr 20 Millionen Unterbilanz in, ſeiner Obſt⸗ und Gemüſeverſorgung und Fleiſchverkeilung in einem einzigen Jahre erzielt habe. (Hört! hört! bei den bürgerlichen Parteien.) Bei anderen Kommunen ſind die Zahlen vielleicht relativ nicht ſo groß; aber ſie gehen auch in die Millionen. Die Kommunen haben es jedoch leicht: wenn ſie Millionen bei Gemüſe verlieren. gleichen ſte es aus, indem bei anderen wichtigen Gegenſtänden entſprechend und noch mehr aufgeſchlagen wird. Wenn ſich der Kaufmann verſpekuliert und Dumm⸗ heiten gemacht hat, muß er es aus ſeiner eigenen Taſche tragen; hat es aler die Kommune getan, müſſen Sie, die Verbraucher, es zahlen. Zum Schaden des Konſums wird der Ausgleich vorge⸗ nommen. (Zuruf.) — Auf den Nutzen werde ich aleich kommen. Er wird von den nicht Gewerbetreibenden in der Regel bei weitem überſchätzt. aeleiſtet wird, dafür mit einigen kurzen Worten ein Beiſpiel. Ein gelehrter Mann, der Volkswirt ſein will, ſagt folaendes: Unſer Lebensmittelbedarf be⸗ trägt 80 Milliarden, der Umſatz und der Vertrieb der Lebensmittel koſtet ungefähr 15 Milliarden: 25 Milliarden können glatt erſpart werden. Wober der Mann die Zahlen hat, weiß ich nicht: ich be⸗ wundere aber die Kühnheit, mit der man ſo etwas ausſpricht. Er rechnet mit einem Nutzen von 100% brutto. Ja, vielleicht wird das bei Hummerſalat und Gänſeleberpaſteten gelegentlich der Fall ſein: aber das ſpricht ja aar nicht mit, das ſind Dinae. die ſich nur im Rahmen eines Tauſendſtel des Be⸗ darfs bewegen, wenn ich Sie darauf aufmerkſam mittelbedarf 80 Milliarden ausmacht unter allein 16 Millionen Tonnen Roggen, 8 Nillionen Tonnen Hafer, Tonnen Gerſte, große Mengen fonen Tonnen Kartoffeln, 1,5 Millionen Tonne Zucker, mehrere Millionen mit einem „der zum Teil kaum im Durchſchnitt vom Erzeuger bis dan Verbraucher innerhalb 5% liegt, umgeſetzt rden. fEier ſind. Das ſind alles Artikel, die ganz geringen Nutzen, mit einem N großen (Zuruf.) — Glauben Sie denn, daß die Kommune geringe Speſen haben wird? Der freie Handel arbeitet viel beſſer und billiger. Laſſen Sie nur erſt das er⸗ ſchütterte Handwerk und den erſchütterten Handel wieder kräftig werden, dann werden ſie ſich allen Gewalten zum Trotz erhalten und wieder ihre wirt⸗ ſchaftlichen Aufgaben im freien Wettbewerb erfüllen können. (Bravo! bei der Demokratiſchen Fraktion.) Stadtv. Dr. Stephan: Meine Damen und Herren! Es ſind heute ſchon ſehr viel intereſſante und kluge Worte über Sozialiſierung und Kommu⸗ naliſierung geſprochen worden, ſo daß es eigentlich nicht viel Zweck hat, noch allzu lange auf dieſes anregende Thema einzugehen, da es ja noch in der Kommiſſion recht ausgiebig behandelt werden wird. Aber auf einiges möchte ich noch hinweiſen. Der Krieg hat uns eine ungeheure Schulden⸗ laſt aufgeladen und unſere Feinde ſorgen dafür, daß ſte noch ſtändig wächſt. Wir müſſen alſo in der näch⸗ ſten Zeit in Staat, Gemeinde und jeder einzelne in ſeinem Haushalt ungeheure Summen aufbringen. Mit Recht muß man ſich da fragen, wo dieſe Gelder Was nach dieſer Richtung mache — vororsceſetzt, daß wirklich unſer Lebens⸗ —, daß dar⸗ Es Weizen und] Kommunal 6 Millionenf jede Futtermittel, 45 Mil⸗ zi en Tonnen Fett, Butter und ſin herkommen ſollen. Nun richte ich die Frage an Sie: glauben Sie durch Ihre Sozialiſierungs⸗ oder Kom⸗ munaliſierungspläne Summen zu erſparen? (Sehr richtig! bei den unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) 2 glatt: nein, das können Sie nicht tun, das iſt ein Ding der Unmöglichkeit, Sie werden piel teurer wirtſchaften als jeder andere, als jeder Private, als jede Aktiengeſellſchaft, ſchon aus dem einfachen Grunde, weil Sie dazu nicht fähig ſind. Sehen Sie ſich z. B. die Staatsbetriebe an — und wir haben ſchon recht gute Staats⸗ und Gemeinde⸗ betriebe, die ſeit hundert Jahren und länger ar⸗ beiten —, und vergleichen Sie deren Arbeitsergeb⸗ niſſe mit dem der Privatinduſtrie, ſo werden Sie finden — und hierüber iſt zurzeit eine große ver⸗ gleichende Arbeit im Gange daß der Staats⸗ oder Kommunalbetrieb ganz unverhältnismäßig viel tenrer arbeitet als jeder andere Betrieb, und die Gründe liegen ja auch vollkommen auf der Hand Der Betriebsführer oder Betriebsdirektor iſt natür⸗ lich Beamter. Er muß ſtets eine Rückendeckune haben, er kann ſelker keinen ſelbſtändigen Entſchluf faſſen und häufig nicht ſo handeln, wie er vielleicht möchte. Das iſt ja auch der den Staats⸗ und Gemeinde amten ausſcheiden Ich ſage Ihnen