Sitzung am ſind nach unſerer Meinung ſchlimmer als diejenigen, die ſich während des Krieges in Feindesland abge⸗ pſpielt haben. Große Schäden ſind den Bürgern und den Gemeinden bzw. dem Staate erwachſen. Nie⸗ mand weiß bisher, wer für dieſe Schäden aufkom⸗ men wird. Wir haben in der vergangenen Verſamm⸗ lung dieſen Antrag, der heute zur Beratung kommt, geſtellt. Sie haben es damals abgelehnt, ihn im Zuſammenhang mit einer anderen Frage zu beraten, wodurch wir ſicherlich viel Zeit geſpart hätten. Ich möchte deshalb bitten, daß Sie nicht uns die Ver⸗ antwortung dafür zuſchieben, wenn die heutige Ver⸗ ſammlung länger dauert, als es vielen von Ihnen angenehm iſt. Wir haben in der vergangenen Ver⸗ ſammlung den Willen gezeigt, durch eine kurze Er⸗ örterung dieſe Angelegenheit aus der Welt zu ſchaffen. Der Weg iſt nicht gegangen worden. Des⸗ halb muß heute ausführlicher darüber geſprochen werden. Wenn ich die Stellung der unabhängigen So⸗ zialdemokratie zu den Ereigniſſen kennzeichnen darf, die ſich in den erſten Tagen des März abgeſpielt haben, ſo darf ich wohl darauf verweiſen, daß zur gleichen Zeit, in der die Straßenkämpfe hier ent⸗ brannten, der Parteitag der unabhängigen Sozial⸗ demokraten tagte, der klar ausgeſprochen hat, wie die Partei zu den Vorgängen ſteht. In dem Aktions⸗ programm, das ſich die Partei auf dieſer Verſamm⸗ lung gegeben hat, heißt es ausdrücklich, daß ſie alle planloſen Gewalttätigkeiten, alle Putſche uſw. ver⸗ wirft. (Stadtv. Otto: Planloſe!) Dieſe Stellung ailt auch für dieſe Straßenkämpfe in Berlin. — Dem Zuruf gegenüber, daß die Par⸗ tei nur planloſe Gewalttätigkeiten verwirft, möchte ich darauf verweiſen, daß aus den Kommiſſtonsbe⸗ ratungen ausdrücklich hervorgeht, daß dieſe Faſſung mit Abſicht um deshalb gewählt worden iſt, weil die Unabhängige Sozialdemokratie als revolutionäre Partei auf das Recht zur Revolution, auf das allge⸗ meine Recht, eine beſtehende Staatsverfaſſung zu Dieſer Ausdruck ichten, und ſie wendet ſich ie gegen ihren Willen valttätiakeiten unternehmen. Wunſch — 129 2. April 1919 gewalt geboten iſt, und mir hat kurz vor Beginn der Sitzung einer meiner Freunde ein Protokoll dieſer Verſammlung aus dem Jahre 1914 überreicht, aus dem ſehr deutlich hervorgeht, daß damals ſogar das⸗ jenige Mitglied unſerer Verſammlung, das heute an der Verhängung des Belagerungszuſtandes mit teil⸗ hat, gegen ſolche Uebergriffe der Polizei den aller⸗ ſchärfften Einſpruch erhoben hat. Dieſem Protokoll entnehme ich eine Rede des Kollegen Hirſch, der ſich damals dagegen wandte, daß der heutige Polizei⸗ präſident wegen eines Konfliktes mit der Polißei⸗ behörde hier auf der Straße in Haft genommen wurde. Es handelte ſich damals um genau denſel⸗ ben harmloſen Fall, wie er Anfang März faſt jeden Tag vorgekommen iſt: Bürger ſind ſtehen geblieben, dazu ſind Schutzleute gekommen und haben zum Weitergehen aufgefordert, ſie haben die Betreffen⸗ den mit zur Wache genommen, ohne daß ihnen dann ein Haar gekrümmt worden iſt, während jetzt Re⸗ gierungstruppen gekommen ſind, „Straße frei!“ ge⸗ rufen wurde und Menſchenleben dabei zum Opfer gefallen ſind. — Wenn ich dieſen Fall erwähne, ſo nur deshalb, um zu zeigen, wie ſich die Dinge ſeit dem Jahre 1914 verändert haben, wie damals die⸗ jenigen, die uns heute wegen unſerer Stellunanahme bekämpfen, mit uns dartn einig waren, daß alle Ge⸗ waltätigkeiten der Polizeibehörde und der Staats⸗ gewalt auf das ſchärfſte zurückgewieſen werden müßten. Aber es handelt ſich ja nicht nur um ſolche harmloſen Dinge, es handelt ſich auch darum, daß ſich viel ſchlimmere Dinge ereignet haben. Als Wil⸗ helm 11. vor ſehr langen Jahren in einer Anſprache darauf hinwies, daß es die Aufgabe der Soldaten ſein müſſe, auch unter Umſtänden auf Vater und Mutter zu ſchießen, da gab es auch in der Sozial⸗ demokratie nur eine Meinung gegenüber dieſen Din⸗ gen. Und jetzt? Jetzt iſt einer derjenigen, die da⸗ mals an unſerer Seite ſtanden, dafür verantwortlich, daß ein Befehl erlaſſen wurde, daß Pardon nicht ge⸗ gegeben wird, daß rückſichtslos diejenigen nieder⸗ geknallt werden, die bei irgendwelchen Verfehlungen betroffen werden. 25 (Unruhe.) Und, verehrte Anweſenden, ich kann Ihnen ſagen, daß nicht nur diejenigen Befehle des Herrn Noske erlaſſen worden ſind, die Ihnen bereits bekannt ſind, ſondern daß Herr Noske außerdem noch einen münd⸗ lichen Befehl erlaſſen hat, der genau ſo lautet oder ähnlich ſo lautet, dem Sinne nach genau ſo wie der von Wilhelm II., nämlich ſo, daß unter Umſtänden auch auf Frauen und Kinder geſchoſſen werden müſſe. (Zurufe bei den unabhängigen: Pfui! — Zurufe bei den bürgerlichen Parteien: Spartakiſten!) — Laſſen Sie! (Zuruf: Darüber ſprechen Sie nicht!) — Ueber dieſe Dinge werde ich ſprechen, um Ihren zu erfüllen. Ich hatte auch ohnedies die arüber zu ſprechen, und Sie werden ja usführlich Gelegenheit haben, das zu nach Ihrer Meinung nicht genügend