134 ſich; es aibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen das noch nicht geſchehen iſt. Aber, verehrte Anweſende, Sie behaupteten ja vor einigen Wochen, die Regierungstruppen hätten die Ruhe und Ordnung in den Straßen aufrechterhalten. (Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Nun, wie die Dinge hier in Charlottenburg liegen, möchte ich Ihnen an wenigen Beiſpielen zeigen. Zu⸗ nächſt möchte ich Sie an einen Fall erinnern, den Sie ja wahrſcheinlich vorhin erſt wieder ageſehen haben, als Sie um 6 Uhr dieſes Haus betraten, der Ihnen immer in die Erinnerung kommen muß. wenn Sie das Rathaus betreten, an einen Fall, der Ihnen zeigt, wie gefährdet das Leben von unbe⸗ teiligten Bürgern, von ruhig ihrer Straße gehenden Menſchen iſt, wenn Sie die Regierunastruppen, dieſe jungen Freiwilligen, hier weiter in der Stadt laſſen. Gehen Sie herunter an den Haupteingana, und Sie ſehen zwei zerſchoſſene Scheiben, die der Magiſtrat immer noch nicht hat machen laſſen, weil er wahrſcheinlich den Bürgern der Stadt Charlotten⸗ burg jeden Augenblick zeigen will, wie bedroht ihr Leben durch die Regierungstruppen iſt. (Sehr aut! bei den unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Dieſer Fall zeigt Ihnen doch ſehr deutlich, daß Sie ſich wirklich unter der Obhut der Reaierunastruppen durchaus nicht ſehr ſicher fühlen. Und wenn Sie die bürgerliche Preſſe leſen, ſo können Sie ja ſolche Fälle jeden Tag erfahren. Vor einigen Tagen war wieder einmal abgeſperrt; ein Auto auf der Straße hielt nicht ohne weiteres. Einige büraerliche Herren, ein Fabrikant mit ſeiner Bealeitung, wurden dann bei dem Verſuch der Regierungstruppen, das Auto zum Stehen zu bringen, durch Gewehrſchüſſe ſchwer verletzt. Und, verehrte Anweſende, die Dinge, die ſich hier am Wilhelmplatz abgeſpielt haben, die ich nicht aus eigener Anſchauung kemne, die mir aber von meinen Freunden mitgeteilt worden ſind, und die einer meiner Freunde auch, ſoweit ich unter⸗ richtet bin, dem Maaiſtrat zur Kenntnis aebracht hat, zeigen ja, daß die Reaierunastruppen in dieſen Tagen von einer Nervoſität waren, der auch hier in Charlottenbura eine ganze Reihe von Menſchen⸗ leben zum Opfer gefallen ſind. Hier auf dem Wil⸗ helmplatz ſoll eine Frau am 5. März totgeſchoſſen worden ſein, und ein Junge hat zwei Wadenſchüſſe davongetragen. Bei einem anderen Fall, der ſich neulich in der Peſtalozzi⸗ und Knobelsdorffſtraße abgeſpielt hat, ſind ebenfalls zwei Kinder angeſchoſſen worden. Verehrte Anweſende, wie wenig man „Sparta⸗ kiſt“ zu ſein braucht, um hier in Kolliſion mit den Regierungstruppen zu kommen, das hat mein ver⸗ ehrter Freund Klick erfahren, von dem Sie wahr⸗ ſcheinlich ia alle wiſſen, daß er nicht die gerinaſten „ſpartakiſtiſchen Neigungen“ hat. Auch er hat es ſich in dieſen aufaeregten Tagen gefallen laſſen müſſen, Sitzung am 2. April 1919 öffentlich und amtlich zugegeben wird, nicht ſehr ſanft behandelt worden ſind, nicht einmal ſo ſanft, daß ſie alle mit dem Leben davongekommen ſind, ſondern eine ganze Reihe von ihnen bereits bei der Einlieferung ins Gefängnis ohne jede Unterſuchung ihres Lebens beraubt worden ſind. 2 Aber, verehrte Anweſende, wahrſcheinlich würde mir ja in der Diskuſſion von Ihnen vorge⸗ halten werden: ja, zu ebener Erde zeigen ſich in Charlottenburg die Spartakiſten nicht, dazu fehlt ihnen der Mut; aber oben auf dem Dach, da ſitzen die gefährlichen Geſellen, von dort ans bedrohen ſie das Leben unſchuldiger Bürger. Vor zwei oder drei Wochen — ich erinnere mich nicht genau — hat ja einer unſerer Kollegen hier einen Fall mitaeteilt, in dem in der Hardenbergſtraße nachts eine große Schießerei entſtanden iſt. Dort waren Spartakiſten auf dem Dach, haben Maſchinengewehre eingebaut und die ganze Gegend beunruhigt. Ja, die)e ſpar⸗ takiſtiſchen Dachſchützen müſſen wahrſcheinlich alle Tarnkappen beſitzen, denn bisher iſt es noch nicht gelungen, auch nur einen Spartakiſten vom Dach herunterzuholen. Beſonders in der Hardenberg⸗ ſtraße — darauf darf man doch wohl auch verwei⸗ ſen — wohnen nur Leute, von denen man wohl an⸗ nehmen kann, daß ſie nicht zu den Spartakiſten ge⸗ hören. Dort ſind die Häuſer, wie überhaupt hier in Charlottenburg, ſehr ſorgfältig zugeſchloſſer, wahrſcheinlich auch die Böden, und ein Maſchinen⸗ gewehr iſt doch immer ein ſo umfangreicher Gegen⸗ ſtand, daß er kaum einem Pförtner entgehen dürfte. Alſo wenn Sie ſich wirklich in dem Glauben befin⸗ den, daß es Leute gibt, die auf die Dächer, ja manch⸗ mal ſogar auf ſchräge Dächer klettern, dort Ma⸗ ſchinengewehre anbringen und von hier aus harm⸗ loſe Büraer bedrohen, ſo muß ich ſagen: für die⸗ jenigen, die das glauben, paßt das alte Bild des deufſchen Spießbürgers, wie es vor über hundert Jahren Kotzebue in ſeinen Deutſchen Kleinſtädtern dargeſtellt hat. Aber, verehrte Anweſende, ſelbſt in Ihren Reihen regt ſich ja die Oppoſition. Ich habe eine Mitteilung aus der Berliner Volkszeitung, die da⸗ hin geht, daß der Arzt des Reſervelazaretts hier im Leibnizgymnaſium ſich ganz entſchieden geweigert hat, dort Regierungstruppen aufzunehmen, daß ihn⸗ die Regierungstruppen aber gar nicht danach gefragt haben. ſeine Anordnungen, obwohl ſie von der vor⸗ geſetzten Stelle der Reaierungstruppen gebilligt wurden, einfach beiſeite ſchoben und ihn zwangen, alle Wünſche derjenigen zu erfüllen, die hier als Regierungstruppen Unterkunft verlangten. Aber noch etwas anderes iſt ja ſehr intereſſan Sie werden, wenn Sie — und einige Herren ri Leſer der „I von den Regierungstruppen verhaftet zu werden,, und wenn er ſch nicht zufällia als Stadtverordneter hätte legitimieren können, ſo wäre er wahrſcheinlich zu den vielen Tauſenden gekommen, die jetzt noch in der Lehrter Straße, in Plötzenſee, in Tegel und in Moabit ſchmachten und die gerade in jenen Ta⸗ gen von den Regierungstruppen, wie jetzt ja auch!