2 — Sitzung am Stadtv. Heilmann: Meine Damen und Herren! Wir teilen mit den Herren Antragſtellern den drin⸗ genden Wunſch, daß ſo raſch wie möglich der Be lagerungszuſtand über Berlin ſein Ende erreichen möge. Es iſt ganz unzweifelhaft, daß dieſe weſent⸗ liche Beſchränkung der Freiheit außerordentliche Mißſtimmung in den weiteſten Kreiſen der Bevöl⸗ kerung erregt, und wir ſind uns nicht zweifelhaft darüber, daß die Herren Antragſteller auf agitato⸗ riſche Erfolge rechnen können, wenn ſie hier als die Vorkämpfer gegen den Belagerungszuſtand auf⸗ treten. (Sehr wahr!) Gleichwohl muß ich den Herren Antragſtellern die Legitimation dazu in jeder Hinſicht beſtreiten. Wenn irgend jemand nicht das Recht hat, gegen den Belagerungszuſtand aufzutreten, dann ſind es die, die ſchwerſte Schuld daran tragen, daß er verhängt werden mußte. 1 (Zuruf bei den Unabhängigen: Beweiſe!) — Die Beweiſe kommen ſo reichlich, daß Sie voll⸗ kommen zufriedengeſtellt ſein werden. Zunächſt über die Schuld an den letzten Un⸗ ruhen! Der Herr Antragſteller hat nur angedeutet, was ſeine Parteifreunde ſonſt deutlich auszuſprechen pflegen, daß es zu Unruhen erſt gekommen iſt, nach⸗ dem die Regierungstruppen erſchienen ſind. Ich habe hier das Flugblatt der Zentrale der Kommu⸗ niſtiſchen Partei Deutſchlands (Spartakusbund), das, nach Schluß des Generalſtreiks erſchienen, mit der Unabhängigen Sozialdemokratie als Feiglingen, Verrätern und Konterrevolutionären abrechnet. In dieſem Flugblatt wird über die Schuld an den Zu⸗ ſammenſtößen folgendes ausgeführt: Die bewaffneten Kämpfe gingen aus von der Volksmarinediviſion und von Teilen der Republikaniſchen Soldatenwehr. (Hört! hört!) Sie g ingen aus von der Volksmarinediviſton und der Republikaniſchen Soldatenwehr! Wenn das die Kommuniſten ehrlich genug ſind zuzugeben, dann wollen Sie doch, meine Herren Unabhängigen, nicht behaupten, daß erſt die Regierungstruppen das Blutvergießen entfeſſelt haben! ihren Maſchinengeweh ſlins ſpazieren fahren. 137 . April 1019 Am 9. November hatten ſich die Arbeiter in großer Zahl bewaffnet. Nachdem das Ziel der Re⸗ volution, das erſte unmittelbare Ziel, der Sturz der alten politiſchen Ordnung, erreicht war, gaben die⸗ jenigen Arbeiter, die ordnungsliebend und gewiſſen⸗ haft waren und die nicht wollten, daß aus der Re⸗ volution ein Rauben und Plündern wurde, am 10. November ihre Waffen wieder zurück. Ein Teil der Arbeiter aber behielt die Waffen, denn an der Spitze der Roten Fahne ſtand ſeit dem 9. November Tag für Tag der Aufruf: Arbeiter, gebt die Waffen nicht ab, verſeht euch mit Waffen und Munttion! Der Herr Antragſteller hat uns geſagt, er ei gegen jede Gewalttätigkeit. Fragen Sie ihn, ob die Un⸗ abhängige Sozialdemokratie e in mal dagegen pro⸗ teſtiert hat, daß die Rote Fahne Tag für Tag auf⸗ gefordert hat, ſich zum Bürgerkriege zu rüſten, Tag für Tag ſeit denm 9. November: An dem Tage war von Regierungsttuppen und dergleichen noch gar keine Rede. Jeder Anlaß wurde benutzt, um die Arbeiter aufzuhetzen und ihnen den Glauben zu ſuggerieren, ſie müßten ſich gegen die Gefahr einer Gegenrevolution bewaffnen. Als unſere Kameraden ſvon der Front einmarſchierten, da ſtand — Sie wiſſen es ja ſo gut wie ich — an der Spitze der ſpartakiſtiſchen und unabhängigen Blätter in deci⸗ meterhohen Buchſtaben: Die Konterrevolution mar⸗ ſchiert ein! (Sehr richtig! und Rufe: Das war auch ſo! bei den Unabhängigen.) — Das waren dieſelben Frontſoldaten, von denen Sie immer geſagt haben: warten Sie nur, wenn die Leute aus der Front herauskommen, die wer⸗ den es euch zeigen! 2 — (Unruhe und Zurufe bei den Unabhängigen: Sie waren beeinflußt von den Offizieren!) — Ihr habt Euch immer auf die Zuſtimmung der Frontſoldaten als Eurer Kerngarde berufen, und wenn das Eure Kerngarde geweſen wäre, hättet Ihr nicht Angſt vor ihnen zu haben brauchen! (Unruhe und Zuruf bei den Unabhängigen: Waren Sie an der Front?) — Das brauchen Sie mich doch wahrhaftig nicht zu fragen. Ich wünſchte, Sie hätten im Kriege Ihre Schuldigkeit ſo getan wie ich. Sie können ſich darauf verlaſſen, daß in unſeren Reihen kein Deſerteur gefeiert worden iſt. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratiſchen Fraktion. — Rufe: Na, na! bei den Unabhängigen.) Das war Ihr Gruß an das deutſche Volk, jetzt, wo das ganze Elend der Niederlage auf uns laſtete, Ihr Gruß an die, die der Verantwortung bewußt ge⸗ handelt haben, die die Niederlage von dem Lande hatten abwehren wollen! Meine Damen und Herren, ich ſage, die Kom⸗ muniſten haben ſich vom 9. November an planmäßig mit Waffen ausgerüſtet, und es vergingen nur wenige Tage, da ſahen wir die Kommuniſten mit ren durch die Straßen Ber⸗ (uruſe bei den unat ängigen: Spazieren 21 fahren, aber keinen totſchießen! — Heiterkeit.)