138 Sitzung am 2. April 1919 — Der Zentralrat hat eine Reihe von Fragen an die Regierung formuliert, deren Eraebnis war, daß die unabhängigen Regierunasmitglieder als Proteſt gegen den Zentralrat ihre Aemter niedergelegt haben. Ereigniſſen ſtanden. gieruna Liebknecht Ledebour —Scholze ausgerufen werden. Bei dem Namen Ledebour komme ich auf die Frage, wie denn die Unabhängigen zu allen dieſen Herr Dr Hertz hat uns geſagt, Und jetzt kommen Sie hier und verlangen, ich ſoll daß die Herren Unabhängigen alle Gewalttätigkeiten den Zentralrat als Zeugen gegen mich anführen? (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Dr. Borchardt: Herr Kollege! Ich muß Sie bitten, nicht auf alle Zwiſchenrufe ein⸗ zugehen. (Heiterkeit.) Stadtv. Heilmann: Es handelte ſich bei dem Streit zwiſchen Zentralrat und unabhängigen Mit⸗ gliedern um den Fall Dorenbach. (Widerſpruch bei den Unabhängigen.) Das iſt doch ſo einfach. — Na ja, der Führer der Volksmarinediviſion hieß Dorenbach. Mein Gott, iſt denn das zu glauben, daß die Menſchen ſo ſchwer begreifen. verurteilen, (Heiterkeit.) Meine Herren Kollegen, ich ſprach von dem Tage des 5. Januar. An jenem Tage brach der erſte kommuniſtiſche Aufruhr in Berlin aus. Es wurde eine Reihe öffentlicher Gebäude und Zeitungen beſetzt. Wie war an jenem Tage die Lage der Regierung? Ich kann Ihnen das zufällig ſehr genau erzählen, weil ich an jenem Tag einer der Hauptleidtragenoen war. Als die Eichhorn⸗Garde den Vorwärts ſtürmte, ſaß ich mit zwei Kollegen in meinem Büro im Vorwäris (Rufe bei den Unabhängigen: Das haben wir ſa geleſen!) und konnte nicht mehr rechtzeitig heraus. Wir haben dort 18 Stunden geſeſſen und in der Z3wiſchenzeit immer mit ſämtlichen Regierungsſtellen telephoniert, ob der Vorwärts nicht zurückgenommen würde. Das Ergebnis war nach 18 Stunden, daß die Regierung uns mitteilen mußte: wir haben nicht einen Mann zur Verfügung, den wir im Augenblick ausſenden könnten, um eins der zu Unrecht beſetzten Gebäude wieder einzunehmen. Das war die Lage am 5. Januar. Und dieſer Regierung wollen Sie nach ſagen, ſie treibe Gewaltpolitik aus Luſt an der Gewalt! Von dieſer Regierung ſchreiben Ihre Blätter tag⸗ täglich die unverſchämte Lüge, ſie habe alles plan⸗ mäßig vorbereitet zum Arbeitermord! (Zuruf bei den Unabhängigen: Hat ſie auch!) — So ſieht eine Regierung aus, die den Mord von Menſchen vorbereitet, daß ſie nicht einen ein⸗ zigen Mann zur Verfügung hat. Die Umſtände, aus denen das damals ſo war, will ich heute nicht geſtürmt und die Re⸗ jede Gewalttätigkeit ohne Ausnahme. Man hätte alſo meinen ſollen, nachdem am 5. Januar in gewalttätiger Weiſe Privatgebäude geſtürmt, öffent⸗ liche Gebäude beſetzt waren, an jedem Tage hätte am Kopfe der „Freiheit“ ein Aufruf erſcheinen müſſen: Gebt dieſe zu Unrecht mit Gewalt beſetzten Gebäude wieder heraus! Seid vernünftig, laßt ab von der Gewalt! — Statt deſſen ſtand vom 5. bis 12. Januar an jedem Tage an der Spitze der „Freiheit“ ein⸗Auf⸗ ruf der unabhängigen Obleute: Arbeiter, heraus aus den Fabriken, kämpft Seite an Seite mit den Kommuniſten! (Stadtv. Gebert: Sehr richtig!) Herr Ledebour war es, der ſich anbot, unter gewiſſen Bedingungen uns die Zeitungen freizumachen, und als 7 man ihm im Zentralrat ſagte: ja, ſind Sie denn ein (Zuruf bei den Unabhängigen: Volksmarine!/ Künſtler, wie können Sie denn das, wir denken, das ſind Kommuniſten, die die Gebäude beſetzt haben, wie bringen Sie die denn heraus? — Da hat Herr Ledebour überlegen gelächelt und geſagt: wenn ich mit dem Auto hinfahre und denen ſage, daß ſie hinaus⸗ gehen ſollen, dann gehen ſie auch hinaus; es hängt nur von mir ab. (Hört! hört! und Heiterkeit.) Und da wollen Sie, Herr Dr. Hertz, erwachſenen Menſchen einreden, daß Sie alle Gewalttätigkeiten verurteilen, (Heiterkeit) 4 daß Sie an dieſen Gewalttätiakeiten unſchuldig ſeien wie ein neugeborenes Kind?! Aber wenn es Sie intereſſiert, will ich Ihnen eins ſagen. Ich habe die Leute ja geſehen, die am 5. Januar den „Vorwärts“ eingenommen haben. (Lebhafte Rufe bei den unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten: Die Ihnen nichts getan haben! Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Dr. Borchardt (unterbrechend): Ich 1 . tederhalt bitten, den Redner nicht zu unter⸗ rechen! — Stadtv. Heilmann (fortfahrend): Beunruhigen Sie ſich nur nicht darüber, was mir geſchehen ware, wenn ſie mich gefunden hätten! (Heiterkeit.) Ich bin nicht allzu zaahaft, aber ich habe es für klüger gehalten, nicht zu den Herren hinauszu⸗ gehen und zu ſagen: ich bin der und der, ſondern ich habe lieber ſtill gewartet, bis ſich mir eine Ge⸗ legenheit zum Entwiſchen bot, ohne mich den Herren vorzuſtellen. (Celbafte Zuruſe bei den unabhangigen Sojial. demokraten. Zuruf bei den Sozialdemokraten: Strategiſch zurückgezogen wie Hoffmann!)