Sitzung am 15. April 1919 und auch heute ſchon iſt er bereit, minderbemittelten Schülern und Schülerinnen unentgeltlich Unterricht zu erteilen, wenn der Magiſtrat nicht in der Lage iſt, geeignetes Perſonal zu beſchaffen. Wir bitten, unſerem Antrag zuzuſtimmen. Es braucht nicht von heut auf morgen zu ſein, daß der Magiſtrat an die Erweiterung der Badeanſtalt herantritt; aber jeden⸗ falls treten wir dafür ein, daß allen Schülern und Schülerinnen die Wohltaten des Schwimmunterrichts zuteil werden. Stadtv. Otto: Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige Worte zu der Erklärung ſagen, die Herr Kollege Blum im Namen ſeiner Freunde beantragt hat. Dieſe Erklärung beſagt, daß die Stadtverordnetenverſammlung beſchließen wolle, den Magiſtrat zu erſuchen, Vorkehrungen zu treffen, daß in unteren, mittleren und höheren Schulen in Zu⸗ kunft der Geſchichtsunterricht ſo erteilt wird, daß Schüler und Schülerinnen in geeigneter Weiſe auf die Bedeutung des großen Umſchwungs im Staats⸗ weſen hingewieſen werden, um ſpäter als freie und republikaniſch geſinnte Bürger an Rechten und Pflichten des Geſamtweſens teilzunehmen. Ich be⸗ zweifle — und ich befinde mich ja da in Ueberein⸗ ſtimmung mit den kurzen Ausführungen des Herrn Stadtſchulrats —, daß unſer Magiſtrat in der Lage iſt, Vorkehrungen der gewünſchten Art irgendwie zu treffen: das wird immerhin nach der heutigen Lage der Geſetzgebung Sache der Zentralbehörde, alſo des Miniſteriums ſein. Trotzdem erkennen meine Freunde an, daß ſie ſich in einigen Bemerkungen zu der grundſätzlichen Auffaſſung, die in dieſer Entſchließung zum Aus⸗ druck gebracht iſt, äußern müſſen, und da betonen wir mit allem Nachdruck, daß auch wir uns zur republi⸗ kaniſchen Staatsform bekennen und daß wir wün⸗ ſchen, daß unſere heranwachſende Jugend in das Ver⸗ ſtändnis dieſer neuen Staatsform eingeführt wird. (Bravo! bei den ſozialdemokratiſchen Parteien.) Daß dieſes Verſtändnis, meine Damen und Herren, nicht von heute auf morgen zu gewinnen iſt, werden Sie alle zugeben, und daß dieſes Verſtändnis nie⸗ mals in einer einſeitigen, parteipolitiſchen Dar⸗ ſtellung der Geſchichte gewonnen werden kann, wer⸗ den Sie ebenfalls zugeben. Man wird alſo der Ge⸗ ſchichte der Dengengeit in ſtreng hiſtoriſchem Sinne auch in Zukunft in unſeren Schulen den be⸗ rechtigten Platz einräumen müſſen, ohne damit irgendwelche Schwierigkeiten für das Verſtändnis der neuen Zeit zu ſchaffen. In dieſem Sinne faſſen wir Ihre Erklärung auf und in dieſem Sinne ſtimmen wir ihr zu. — 48 (Bravo! bei den Sozialdemotraten.) 2 Stadto. r Luther: Ich mochte namens meiner Freunde eine kurze Erklärung dazu geben. Wir ſtehen ſelbſtverſtändlich auch auf dem Standpunkt, daß die Bed November als eines hiſto⸗ wahlſpruch: in der Schule be. 179 Wir ſind gewiß der Meinung, daß der 9. November in dem klaren, auch ſonſt ſchon in unſeren Schulen immer gepflegten Sinne erörtert werden muß, daß die Kinder über alle Vorgänge, ob der Vergangen⸗ heit oder Gegenwart, ſo unterrichtet werden müſſen, daß ſie ein geſchichtliches Verſtändnis darüber ge⸗ winnen. Wir können uns aber dieſem Antrag auf keinen Fall anſchließen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) 2 — 1 Vielleicht könnte das ſo geſchehen, daß dann an dem⸗ ſelben 9. November als Feiertag andere Feiertage gefeiert würden, die unſerem Empfinden und unſerer Anſchauung entſprächen. Stadtv. Frank: Ich möchte namens meiner Freunde erklären, daß wir uns im allgemeinen wohl auf dem Standpunkt des Kollegen Otto befinden. Wir haben nichts dagegen, wenn in den Schulen moderne Geſchichte gelehrt wird und über die Be⸗ deutung der fortſchrittlichen Ereigniſſe, die der 9. November mit ſich gebracht hat, Aufklärung er⸗ folgt, möchten aber auch dabei beſonders beachtet wiſſen, daß auch auf unſere Jugend hinzuwirken iſt in gleichem Sinne wie in Frankreich, wo ſeit 40 Jahren Geſchichte gelehrt und die dortige Jugend darauf vorbereitet wurde, das große, ihnen ſchein⸗ bar getane Unrecht wieder gutzumachen, um zu aegebener Zeit in der Lage zu ſein, mit allen Mitteln Elſaß⸗Lothringen wiederzuholen, daß darauf ein⸗ gewirkt werde, daß ſie ſich ſpäter einmal bewußt wird, in welcher Weiſe die Sozialdemokraten an⸗ derer uns feindlicher Länder den Freiheitsgedanken der deutſchen Sozialdemokratie aufgefaßt haben. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Denn die Sozialdemokraten der anderen Länder haben doch in bezug auf Brüderlichkeit bis jetzt für uns nichts übriggehabt; das dürften wohl unſere Arbeiter lange begriffen haben. Das, was wir unter Sozialdemokratie und ſozialem Geiſt ver⸗ ſtehen, das haben ſich die Arbeiter der anderen Länder, namentlich in Frankreich und England, weſentlich anders gedacht; ſie haben zu Anfang des Krieges ſofort ihren Hauptführer Jaures ermordet, weil dieſer gegen den Krieg war. In dieſem Sinne bitte ich dann auch auf die Schuljugend im Ge⸗ ſchichtsunterricht einzuwirken, damit ſie ſich das uns jetzt angetane Unrecht einprägt und ſich in Zukunft einmal das wiederholt, was uns jetzt zwangsweiſe abgenommen wird, getreu dem franzöſtſchen Schul⸗ „Nie davon reden, aber immer dran denken.“ 5