188 Bei dem Abſchnitt Stadtärzte wurde angeregt, daß neben den Stadtärzten noch eine Aerztin zur Behandlung kranker Frauen angeſtellt werden ſollte. Ich bitte Sie, mit den auf dieſer Seite an⸗ gegebenen Aenderungen den Vorſchlag des Aus⸗ ſchuſſes in bezug auf Kapitel v anzunehmen. Stadtv. Mickler: Meine Damen und Herren! Das Armenweſen erfordert eine liebevolle Pflege. Ich zweifle nicht daran, daß der Leiter unſeres Armenweſens ein liebevoller Menſch iſt. Aber ſo liebevoll unſer Herr Stadtrat Goeritz auch iſt, ſo hat man ihm doch ein kleines Kreuz anzubammeln. Ich muß in dieſen ſüßen Wein doch etwas Wermut gießen und, ſo wenig lieb mir das iſt, ein gutes Wort für diejenigen einlegen, die unter dem Szepter des Herrn Stadtrat Goeritz leben. Im Bürgerhaus war ein Kriegsbeſchädigter angeſtellt, der dort 2 Jahre tätig geweſen iſt. Der Mann iſt Epileptiker und leidet an krankhaften An⸗ fällen. Er hat vor dem Kriege im Bürgerhaus die Tätigkeit eines, Hausdieners ausgeübt, iſt dann vom preußiſchen Staat als felddienſtfähig befunden und eingezogen worden. Er hat ſeiner militäriſchen Dienſtpflicht genügt, iſt entlaſſen und dann wieder dem Bürgerhoſpital überwieſen worden. Er konnte aber ſeine Hausdienertätigkeit wegen ſeiner Dienſt⸗ beſchädigung nicht wieder aufnehmen. Als Kriegs⸗ beſchädigter im eigentlichen Sinne des Wortes iſt er aber nicht anerkannt worden. Denn Sie alle werden ja wiſſen, daß unſere Profeſſoren und Doktoren, die im Dienſte des Deutſchen Reiches ſich befinden, bis dato auf dem Standpunkt ſtanden, daß ein Menſch, der eventuell mit einem Nervenleiden behaftet iſt, oder ein Menſch mit Schwindelanfällen oder überhaupt ein Menſch, der kriegsbeſchädigt iſt, innerhalb kurzer Zeit wieder hergeſtellt wird, daß alſo mit anderen Worten ſein Leiden nur als eine vorübergehende Erſcheinung zu betrachten iſt, das ſich in allerkürzeſter Zeit beſſert. Es iſt feſtgeſtellt worden, daß der Hausdiener Meilchen, der vor dem Kriege im Bürgerhaus be⸗ ſchäftigt war, etwas unter epileptiſchen Anfällen litt. Wenn die Aerzte ihn aber als für den Heeresdienſt tauglich befunden haben, dann müſſen doch, meine ich, die Anfälle zu damaliger Zeit nicht ſo heftig geweſen ſein, ſonſt hätte man ihn ſicherlich nicht genommen. Aber der Krieg hat derartig auf den Mann eingewirkt, daß er ſeeliſch ſehr herunterge⸗ kommen iſt. Er iſt dann aus dem Heeresdienſt ent⸗ laſſen und, wie geſagt, dem Bürgerhaus wieder über⸗ wieſen worden. Es iſt ihm aber nicht wieder eine Hausdienerſtelle übertragen worden, weil er ſie nicht mehr verſehen konnte, ſondern er übt jetzt die Tätig⸗ keit eines Pförtners aus. Es hat ſich nun in letzter Zeit gezeigt, daß der Meilchen mehrfach wieder unter Anfällen litt. Die Leitung des Bürgerhauſes ſteht nun auf dem Standpunkt, daß die Inſaſſen des Hauſes dadurch gefährdet ſeien. Ich will das nicht unterſuchen und es dahingeſtellt ſein laſſen. Dem Mann iſt aber mitgeteilt worden, daß er ſich zum 30. April nach einer anderen Stellung umſehen ſolle; es iſt ihm alſo gekündigt worden. Ich ſtehe aber auf dem Standpunkt, daß dieſe Kündigung rück⸗ gängig gemacht werden muß. Meine Herren, Sie haben vorhin, als mein Kollege Heilmann ſprach, alle eine recht patriotiſche Sitzung am 15. April 1919 keiten führt, wenn Geſinnung an den Tag gelegt. Ich appelliere wieder an ihre Mildtätigkeit, zeigen Sie ihren Patriotis⸗ mus in verſtärkter Form dadurch, daß Sie dem Magiſtrat aufgeben, dieſe Kündigung wieder rück⸗ gängig zu machen. Es geht nicht an, daß man in der heutigen Zeit einem Mitglied unſerer großen Gemeindefamilie, wenn es ſich ein Leiden zugezogen hat, ſagt: du kannſt nicht mehr als Pförtner bei uns tätig ſein, und ihn einfach auf die Straße wirft. Ich gebe zu, daß der Magiſtrat verſucht hat, ihm eine andere Arbeit zu verſchaffen; aber ich kann nicht unterſuchen, ob ihm nicht eine Arbeit angeboten worden iſt, die er eventuell nicht mehr ausführen konnte. Wenn der Staat dem Privatkapitaliſten vorſchreibt, daß vor Mitte Juni kein Kriegsbe⸗ ſchädigter entlaſſen werden dürfe, dann geht es doch nicht an, daß die Stadt nun ganz einfach ſagt: die Vorſchriften des Deutſchen Reiches kümmern mich nicht, daran halte ich mich nicht, ich ſetze mich darüber hinweg und entlaſſe die Kriegsbeſchädigten. Eine ſolche Auffaſſung können wir hier im Stadtparla⸗ ment nicht billigen. Ich bewundere auch, daß ſich die Deputation des Armenweſens ſo ohne weiteres darüber hinweggeſetzt hat. Hätte ſie die Geſchichte näher unterſucht, dann wäre ſie zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Meilchen als Charlottenburger Bürger genau ſo ein Mitglied unſerer großen Ge⸗ meindefamilie iſt wie wir alle, die wir hier an⸗ weſend ſind. Wir haben alle ein Anrecht darauf, wenn wir kriegsbeſchädigt ſind, daß der Staat und die Gemeinde für uns aufkommt. Deshalb ver⸗ lange ich jetzt, daß die Kündigung rückgängig gemacht und dem Meilchen, wenn er den Poſten als Pförtner nicht mehr verſehen kann, eine andere Beſchäftigung zugewieſen wird. Ich bitte Sie, meinem Antrage zuzuſtimmen. Stadtrat Goeritz: Meilchen iſt im Jahre 1913 bei uns im Bürgerhauſe eingetreten und zunächſt als Hausdiener beſchäftigt worden, und zwar etwa 1%4 Jahre lang. Er hat damals allerdings ſchon eine Schwächung ſeiner linken Extremitäten aufge⸗ wieſen, aber ſeine Dienſte ſchließlich zur Zufrieden⸗ heit erfüllt. Er war dann ins Heer eingetreten und kam im Jahre 1917 wieder. Ich bemerke, daß er bei ſeiner erſten Einſtellung lediglich zur vorüber⸗ gehenden Beſchäftigung, aber nicht als Stadtarbeiter angenommen worden war. Als er wiederkam, war eine weſentliche Verſchlechterung ſeiner Hantierungs⸗ fähigkeit feſtgeſtellt worden, ſo daß eine Beſchäftigung als Hausdiener nicht mehr möalich war. Wir haben ihn trotzdem übernommen und haben in Ausſicht ge⸗ nommen, ihn als Stadtarbeiter anzuſtellen. Wir haben ihn verſuchsweiſe als Hilfspförtner beſchäftigt. Es ergab ſich nun, daß ſich ſein früheres epileptiſches Leiden ſehr ſtörend bemerkbar machte, indem wieder⸗ holt Fälle eintraten, in denen er mehrere Minuten lang — 8 Minuten ſind in einem Falle feſtgeſtellt worden — bewußtlos war und von der Umwelt nichts wußte. In einem Fall, der beobacht iſt, hat er auf Anruf nicht reagi den Dienſt als Pförtner kaum Es kommt hinzu, daß dieſer der Bedienung der T o daß es matimlich ten. Wir haben damals er für eine Be