190 Wir kommen zu Kapitel vI — Krankenanſtalten. Berichterſtatvter Stadtv. Panſchow: Namens des Ausſchuſſes habe ich die Annahme dieſes Ka⸗ pitels zu beantragen, und zwar mit den auf den Druckſeiten 110, 111 und 118 der Vorlagen ange⸗ gebenen Aenderungen. Im Ausſchuß fand eine leb⸗ hafte Ausſprache darüber ſtatt, ob es angebracht ſei, die Sätze für die Verpflegung der Kranken III. Klaſſe in der gleichen Höhe wie im vorigen Jahre zu be⸗ laſſen oder dem Magiſtratsantrag entſprechend zu erhöhen. Der Ausſchuß hat ſich auf den Standpunkt geſtellt, daß es richtig ſei, die Sätze in der bisherigen Höhe beſtehen zu laſſen, alſo von einer Erhöhung abzuſehen. Stadtv. Dr. Löwenſtein: Meine Freunde ſtehen auf dem Standpunkt, daß die Gemeinde als ſolche nicht für religiöſe Betätigung innerhalb der Kranken⸗ anſtalten zu ſorgen hat. Wir haben auch im Aus⸗ ſchuß bereits Gelegenheit genommen, einen Antrag zu ſtellen, daß die Gelder, die die Gemeinde dafür vorſieht, geſtrichen werden. Wir ſtellen erneut dieſen Antrag hier in der Verſammlung, nicht weil wir glauben, daß kein Bedürfnis dafür in den Kranken⸗ anſtalten vorhanden wäre, daß der eine oder andere eine religiöſe Seelſorge haben will, ſondern deswegen, weil wir glauben, daß nur ein privates Bedürfnis vorliegt, wofür die Kirchen zuſtändig ſind, auch in bezug auf die Ausgaben. Stadtv. Frau Klockow: Ich habe ja den Haus⸗ haltsausſchuß⸗Sitzungen beigewohnt und weiß, in welcher Weiſe auf der einen und auf der anderen Seite begründet worden iſt. Ich möchte aber doch hier in der Verſammlung noch einmal darauf hin⸗ weiſen, daß, wenn die Seelſorge in den Kranken⸗ häuſern wirklich auch als Privatbedürfnis aufzufaſſen wäre, doch vielfach gerade die Minderbemittelten dieſes Bedürfnis haben, und ich glaube, daß wir in bezug auf die religiöſen Bedürfniſſe jedes Bekennt⸗ niſſes hier nicht einfach auf den augenblicklichen Zug der Zeit, der ſich der Religion gegenüber mehr oder minder abwehrend verhält, Rückſicht nehmen dürfen, ſondern wir müſſen uns klarmachen, daß, wenn wir, die wir hier ſitzen, längſt vergangen und vergeſſen ſein werden, immer noch die Religion da ſein wird. Unter dieſem Geſichtspunkte möchte ich meinen, daß von einer Stadtgemeinde, die doch Kulturaufgaben im höchſten Sinne zu erfüllen hat, zumal dieſer Poſten in dem großen Haushalte der Stadt ſo wenig ausmacht, gerade dieſe ethiſchen Bedürfniſſe — ſo will ich ſie einmal nennen, um ſie den hier An⸗ weſenden von der Linken näherzubringen — min⸗ deſtens zu berückſichtigen ſein dürften. Stadtv. Lichtenberg: Ich glaube, daß wohl jeder Arzt zugeſtehen wird, daß eine Verſchlimme⸗ rung im Befinden eines Schwerkranken eintreten wird, wenn man ſeine Seele ſo beunruhigt, daß man ihm den geiſtlichen Troſt, nach dem er verlangt, ver⸗ weigert. gedeihen laſſen, auch wenn er dafür nicht bezahlt wird. Wenn auch die 200 ℳ, die das katholiſche ſe Pfarramt im Jahre für die Paſtoration von 1482 Kranken erhält, geſtrichen werden würden, ſo würden In * Sitzung am 15. April 1910 (wir ſelbſtverſtändlich unſere Pflicht weiter erfüllen, Selbſtverſtändlich wird jeder Prieſter einem Kranken, der ihn verlangt, ſeine Hilfe an⸗ und wir würden dann verſuchen, die Geiſtlichen, die wir brauchen, dadurch zu erhalten, daß wir das Geld erbetteln. Aber ich meine, es wäre eine Schande für die Stadt, wenn man das den armen Kranken antut, die in dieſen Krankenhäuſern liegen und die, weil ſie doch im Beſitze einer Seele ſind, wohl auch das Recht haben, daß man auf ihre ſeeliſchen Bedürf⸗ niſſe Rückſicht nimmt. Stadtv. Dr Löwenſtein: Ich möchte nur kur⸗ einige Mißverſtändniſſe beſeitigen. Es iſt nichts von uns dagegen geſagt worden, daß vielleicht ſpäter und auch jetzt religiöſe Bedürfniſſe vorhanden ſind. Hier handelt es ſich aber nicht um allgemeine religiöſe Bedürfniſſe, ſondern um die Befriedigung ganz be⸗ ſtimmter Formen des religiöſen Bedürfniſſes, um konfeſſtonelle Bedürfniſſe. Dieſe konfeſſtonellen Be⸗ dürfniſſe ſind aber immer nur Sache einer beſonderen Gemeinſchaft, die für ſie zu ſorgen hat. Das iſt zu aleicher Zeit die Antwort an die Herren Vorredner. Wenn die Kirche Anhänger hat und dieſe Anhänger Kultusbedürfniſſe haben, ſo iſt es Pflicht und Schul⸗ digkeit der Kirche, dafür zu ſorgen, daß dieſe Be⸗ dürfniſſe befriedigt werden, aber nicht Sache der All⸗ gemeinheit. Es würde auch keinesfalls der Ge⸗ meinde oder irgendeiner ſtaatlichen Inſtitution ein⸗ fallen, wenn irgendeine religiöſe Sondergemeinſchaft ein beſonderes Bedürfnis hat, unterrichtet zu werden, für ſie nun einen ſolchen Unterricht einzuführen. Wir lehnen daher jede konfeſſtonelle Unterweiſung ab, und es handelt ſich Mer nur um eine konfeſſionelle Unterweiſung. Darum lehnen wir die Geldmitiel dafür ab und bitten Sie, das gleiche zu tun. Stadtv. Blum: Es iſt uns gar nicht eingefallen, zu denken und zu ſagen, daß wir denen, die religiöſe Bedürfniſſe haben, die Befriedigung derſelben ver⸗ weigern wollen. Herr Kollege Lichtenberg iſt da im Irrtum, und Herr Kollege Dr Löwenſtein hat dieſe mißverſtändliche Auffaſſung ſchon nachgewieſen. Ich für meine Partei möchte nur zum Ausdruck bringen, daß wir auf demſelben Standpunkt ſtehen. Wer religiöſe Bedürfniſſe hat, darf ſie befriedigen, ſoll aber auch für alle die Laſten aufkommen, die dieſe Bedürfniſſe verurſachen. Wir ſehen nicht ein, warum die Allgemeinheit für dergleichen ſpezielle Bedürfniſſe der eimzelnen eintreten ſoll, auch wenn ſie in den perſönlichen Wünſchen der einzelnen noch ſo gut begründet ſein ſollten. Stadtv. Lichtenberg: Der Herr Vorredner ſagt: wer dieſe religiöſen Bedürfniſſe hat, ſoll ſie befriedi⸗ gen, ſoll aber auch die Koſten dafür tragen. Dieſe religiöſen Bedürfniſſe haben die Kranken: alſo müſſen nach ſeiner Anſicht die Kranken auch die Koſten dafür tragen. (guruf bei den Sonalbematraten: Die Kirchet) — Hier handelt es ſich an erſter St Kirche, ſondern um die Patienten, die die den ausdrücklichen Wunſch hab ein Geiſtlicher kommt und Vorredner hat geſagt: wer hat, der