215 Sitzung am 15. April 1919 Ich ſchicke voraus, daß uns nicht daran liegt, hier eine Debatte über den Generalſtreik und ſeine Ausdehnung auf die Waſſer⸗, Gas⸗ und Elektrizi⸗ tätsverſorgung heraufzubeſchwören, nicht weil wir eine derartige Diskuſſion zu ſcheuen hätten — denn die Stellung unſerer Fraktion dazu iſt bekannt —, aber weil es für die ſachliche Begründung unſerer Anfrage eigentlich gar nicht in Betracht kommt. Ferner liegt uns nicht daran — und durch dieſe Erklärung möchte ich auch die Diskuſſion ab⸗ kürzen —, Herrn Geheimrat Beſſel⸗Hagen als Per⸗ ſon irgendwie ſeine politiſche Freiheit und ſeine po⸗ litiſche Betätigung einſchränken zu wollen. Unſere Anfrage geht vielmehr dahin: iſt es dem Leiter einer ſtädtiſchen Anſtalt als Leiter dieſer Anſtalt — und ich ſage mit beſonderer Betonung: als Leiter; ich weiſe auf den Aufruf hin, der Ihnen vielleicht allen bekannt iſt und in dem das aus⸗ drücklich betont wird — geſtattet, in das politiſche Treiben in derart hetzeriſcher Weiſe, wie es dieſes Flugblatt hier aufweiſt, einzugreifen. (Zuruf: Was hat er denn geſagt?) Erlauben Sie mal! — Bitte ſchön. (Redner gibt das Flugblatt herum.) Ich will es Ihnen gleich ſagen. — Zunächſt die Illuſtrationen. Ich will nicht von der Frage des Geſchmacks ausgehen; denn wir ſind in der Anti⸗ bolſchewiſten⸗Bewegung nicht gerade durch großen Geſchmack verwöhnt worden, es bewegt ſich das alles auf derſelben Höhe. Aber ſchon dieſe Illuſtrationen, die dazu gegeben ſind, ſind außergewöhnlich auf⸗ reizend. Ferner wird der ganze politiſche General⸗ ſtreik, der doch mindeſtens vom Vollzugsrat, alſo von einem großen Teil der Arbeiterſchaft, gebilligt worden iſt, hier als das Werk von ehrgeizigen und unreifen Schreiern abgetan. Das alles iſt doch min⸗ deſtens aufreizend. Ich ſage nicht, daß Herr Beſſel⸗ Hagen nicht das Recht hat, wenn er die Ueberzeu⸗ gung hat, dagegen aufzutreten; ich ſage nur, daß er nicht das Recht hat, als Leiter einer ſtädtiſchen Krankenanſtalt dagegen aufzutreten. Es ſind ge⸗ wiß mildernde Umſtande, wenn er ſich vielleicht als Arzt bewogen fühlt, ſeine Kranken zu ſchützen, und wir würden dieſes humane Gefühl durchaus ver⸗ ſtehen, wir würden es ſogar billigen, wenn dem Leiter der ſtädtiſchen Anſtalt kein Mittel gegeben wäre, für die Verſorgung ſeiner Krankenanſtalten an eine andere Inſtanz zu appellieren. Die ge⸗ gebene Inſtanz für ihn iſt der Magiſtrat, und wenn er ſich an dieſen gewandt hätte, hätte das für ihn als Leiter der ſtädtiſchen Anſtalt vollkommen genügt. Aber wir können ihm auch dieſe humanen Geſichtspunkte und Motive, die ihn beherrſchen könnten, nicht unterſchieben, da ihm in vieler Hin⸗ ſicht Gelegenheit ee war, gegen eine Verſündi⸗ gung gegen die Kranken auch nach anderer Richtung, gerade gegen die Berufskreiſe der Aerzte, Stellung zu nehmen. Ihnen allen iſt bekannt, daß Aerzte und Apotheker geſtreikt haben. Ich habe nicht ge⸗ gorr ter der ſtabriſchen Krankenanſtalt ich gegen dieſen gegen die Form, wie es 1 Proeſt weder die Illuſtrationen noch die Tertes auch nur im ſeres ſtädtiſchen Kran fühlt hat, gegen den Beſchluß der Bürgerrats von Charlottenburg, daß bei einem Büngerſtreik in erſter Linie die Aerzte und Apotheker in Frage kämen, zu proteſtieren, weil durch einen derartigen Beſchluß die Kranken in den ſtädtiſchen Anſtalten hier in Charlottenburg jeglicher ärztlichen Hilfe entbehren müßten. Wenn ich mich zuſammenfaſſen darf: das Ma⸗ terial iſt ja klar genug. Ob der Streik berechtigt iſt oder nicht, das hat mit der Sache nichts zu tun. Es muß von vornherein dagegen Front ge⸗ macht werden, daß eine dem Magiſtrat unterſtellte Behörde gegen irgendwelche politiſchen Bewegungen aus ſich heraus Stellung nimmt. Und dahin geht unſer Antrag. Wir fragen den Magiſtrat, ob ihm dieſe Stellungnahme bekannt iſt, und wir fordern von ihm, wenn ſie ihm bekannt iſt, daß er den Leiter des ſtädtiſchen Krankenhauſes Weſtend ener⸗ giſch darauf hinweiſt, daß ein derartiges Verhalten durchaus nicht den Intereſſen der Leitung des ſtädtiſchen Krankenhauſes entſpricht. Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Die Tatſache, daß dieſer Aufruf von dem Leiter unſeres ſtädtiſchen Krankenhauſes unterſchrieben iſt, iſt mir erſt durch die Anfrage der Herren von der Unabhängigen ſo⸗ zialdemokratiſchen Fraktion bekannt geworden. Ich habe aber feſtzuſtellen, daß ich zunächſt die Angaben des Herrn Vorredners als ſachlich nicht gang zu⸗ treffend bezeichnen muß. Die Leiter gemeinnütziger Anſtalten Groß⸗Ber⸗ lins, worunter alle Krankenhausdirektoren Groß⸗ Berlins gemeint ſind, haben ſich nicht gegen einen von der Vollverſammlung des Arbeiterrats be⸗ ſchloſſenen Streik gewandt, ſondern ſie haben ledig⸗ lich der Wiederholung dieſes Streiks energiſch wider⸗ raten. (Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Ich glaube, das iſt ein Recht, das man jedem Men⸗ ſchen, alſo auch dem Leiter eines großen Kranken⸗ hauſes zugeſtehen ſollte. (Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Ich darf weiter erklären, daß der Magiſtrat nicht gewillt iſt, ſeinen Krankenhausdirektoren zu ver⸗ bieten, ihre wiſſenſchaftlich wohl geprüfte Ueberzeu⸗ gung in irgendeiner ihnen geeignet erſcheinenden Weiſe der Bevölkerung auf einem Gebiete kundzu⸗ geben, für das ſie als zuſtändig erachtet werden müſſen. Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Der Magiſtrat lehnt es ab, auf die Aeußerung wiſſenſchaftlicher Auffaſſungen ſeiner Krankenhaus⸗ direktoren einen befehlsmäßigen Einfluß zu üben. Und endlich, meine Herren, wenn Sie hören wollen, ob der Magiſtrat mit dieſer Kundgebung einver⸗ ſtanden iſt, ſo will ich Ihnen zugeben, daß die For m dieſes Flugblatts oder dieſes Plakats, das ich eben zum erſten Male ſehe, auch mir nicht gerade ſehr glücklich vorkommt; aber ich darf feſtſtellen, daß en Faſſung des ece , Se uſes im Zuſammenhang lſtändig unſchuldig. Was ſtehe ich garnicht an, hier