216 öffentlich zu erklären, daß der Magiſtrat durchaus mit der Auffaſſung des Leiters des ſtädtiſchen Kran⸗ kenhauſes einverſtanden iſt. (Lebhafter Beifall bei den bürgerlichen Parteien.) (Auf Antrag des Stadtv. Ir. Feilchenfeld er⸗ folgt die Beſprechung der Anfrage.) Stadtv. Dr Feilchenfeld: Meine Damen, meine Herren! Ich gebe zunächſt die Illuſtrationen voll⸗ kommen preis und geſtehe dem Herrn Kollegen Löwenſtein zu, daß ſie ſo geſchmacklos ſind, wie man es ſich nur ausdenken kann. Aber im übrigen hat er durchaus unrecht. Allerdings über eins freue ich mich, nämlich das Zugeſtändnis des Herrn Kollegen Löwenſtein zu finden, daß auf dieſer Seite des Hauſes eine Autorität der vorgeſetzten Behörde anerkannt wird. Leider haben wir das bisher ſtets vermiſſen müſſen, beſonders auch bei den vielen Streiks, die von ſtädtiſchen Arbeitern in den wich⸗ tigſten Betrieben erfolgt ſind; niemals iſt da von den Herren behauptet worden, daß die Autorität des Magiſtrats, der vorgeſetzten Behörde, hätte be⸗ rückſichtigt werden müſſen. Auch ſonſt haben die Herren niemals die Autorität der Regierung irgend⸗ wie berückſichtigt. Ich möchte auf die Tatſache hin⸗ weiſen, daß bei den Umzügen der Unabhängigen Rufe wie: „Nieder mit der Regierung!“ „Mörder! Bluthund!“ uſw. regelmäßig gefallen ſind. Da wurde die Autorität vermißt, die wir hier auf einmal mit ſolcher Schärfe betont ſehen. Dann aber, meine Herren, haben die Aerzte, die dieſe Kundgebung unterſchrieben haben, ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber einem verbrecheriſchen Vorgehen getan, (Unruhe und Zuruf bei den Unabhängigen: Aerzte⸗ ſtreik!) 2 das wir in der ſchimpflichſten Weiſe gerade jetzt empfunden haben. Es war ſchmachvoll, daß wir in einer Zeit, da wir von den Feinden Rückſicht auf uns verlangen, es erleben mußten, daß durch dieſes verbrecheriſche Vorgehen unſere Kinder in der niederträchtigſten Weiſe hingemordet worden ſind. (Unruhe bei den Unabhängigen.) 1 Die Wut und die Erbitterung iſt bei uns Aerzten auf das höchſte geſtiegen. Wir haben in den Tagen des Streiks — ich kann das aus eigenſter Erfah⸗ rung ſagen — viele Operationen nicht vornehmen können. Grüner Star iſt z. B. bei akutem Auf⸗ treten nur zu heilen, wenn man ihn ſofort operiert. Ich habe tagelang dieſe Operation in einem ſchwie⸗ rigen Falle nicht vornehmen können, weil ich nicht meine Inſtrumente ſteriliſteren konnte. (Hört! hört! bei den bürgerlichen Parteien. — Unruhe bei den Unabhängigen.) Mord und Totſchlag bedeutet das in einer Zeit, wo unſere Säuglinge verhungert ſind in elender Weiſe. wi Wir konnten ihnen nicht abgekochte Nahrung geben; lich Sitzung am 15⸗ April 1919 den Aerzten, die voll Erbitterung, voller Empörung Mitleid erbaten von den Arbeitern, zu ſagen, das ſei ein ſchimpfliches Auftreten! Nein, meine Herren, ich habe gar kein Verſtändnis dafür, wie Sie ſo etwas ſagen können, und ich kann nur die einzige Entſchuldigung darin ſehen, daß Sie nicht wiſſen, was Sie geſagt haben. Ein jeder einzelne von Ihnen, des bin ich ganz ſicher — ſo weit haben wir Sie hier ſchon kennen gelernt —, iſt voller Herz für ſeinen Nächſten und wird ſicher nicht wollen, daß eine Frau, ein Kind, ein Kranker durch die wahnſinnigen Handlungen hinſterben, die uns an der Erfüllung unſerer Pflichten verhindert haben. (Zuruf bei den Unabhängigen: Aerzteſtreik!) — Zunächſt iſt in Berlin kein Aerzteſtreik erfolgt. (Zuruf bei den unabhängigen: Aber beſchloſſen!) — Er iſt nicht beſchloſſen. Die ſozialdemokratiſchen Aerzte, auch die Herren von den Unabhängiagen, ſo Kollege Zadeck und andere, haben damals, als der Generalſtreik proklamiert wurde, ſich ſofort an die Aerzte gewandt und ſie gebeten, von einem Streik abzuſehen, und wir Aerzte haben alle auf einen war und wir verſuchen wollten, den Generalſtreik ivielleicht durch einen Gegenſtreik zu verhindern. Wir haben aus Pflichtgefühl unſeren Kranken gegenüber darauf verzichtet. Ein Aerzteſtreik iſt allerdings in kleinem Maßſtabe zuſtande gekommen in Halle, Leipzig und in Stuttgart. In Stuttgart hat die „Rote Fahne“ die Aerzte als Mörder bezeichnet. Elektrizität abſchnitren, Mörder genannt? Das hätte ſie mit viel mehr Recht tun können. Die Aerzte haben den Streik nicht inſzeniert, um irgend etwas politiſch oder ſonſtwie für ſich zu erreichen, ſondern um von ihren Kranken das Unalück abzuwehren. Sie haben alſo nur in der Notwehr gehandelt. Ich kann ver⸗ ſichern, daß jetzt faſt allgemein die Anſicht der deut⸗ ſchen Aerzte iſt, daß wir auch auf einen ſolchen Streik beſſer verzichten ſollen. Aerzteſtreik nicht ſo geführt worden wie hier ruch⸗ geſorgt, daß Schwerkranke und in Lebensgefahr Be⸗ findliche verſorgt wurden. gefahr beſtanden hat, haben ſie den Streik durchge⸗ men wird. Aerzten, die dieſe elenden entkräfteten Kinder mußten ſterben] Bewußt durch die Schuld eines verbrecheriſchen Streiks. geſchmackloſe Meine Herren, wie haben Sie da noch die Stirn, dieſem Warum hat ſie nicht die Arbeiter, die Gas- und⸗ Streik verzichtet, ſo ſehr auch in uns die Wut erregt Uebrigens iſt in Leipzia der loſerweiſe der Gasſtreik. Die Aerzte haben dafür In Halle iſt es meines Wiſſens auch ſo geweſen; nur da, wo keine Lebens⸗ führt. Aber wie geſaat, auch von ſolchem teilweiſen Aerzteſtreik iſt man allgemein vollkommen abgekom⸗ men, und ich kann wohl verſichern, ſoweit ich die Stimmung unter den Aerzten kenne, daß es zu einem weiteren Aerzteſtreik auch als Gegenſtreik — von an⸗ deren war ja überhaupt nicht die Rede — nicht kom⸗ 0