Sttung am 14. Mat 1919 Meine Damen und Herren, die Rede des Herrn Dr Hertz war die Rede eines Theoretikers, Sind denn Ihre franzöſiſchen Freunde jetzt einmütig wie ein Mann aufgeſtanden, um ſich zu empören, oder wollen Sie uns vielleicht für die politiſche Rück⸗ ſtändigkeit der franzöſtſchen Arbeiterklaſſe haftbar machen? Glauben Sie nur nicht an die Weltrevolu⸗ tion! Glauben Sie nur nicht daran, daß die fran⸗ zöſiſche und engliſche Arbeiterklaſſe aufſtehen würde, um uns in dieſem Kampfe zu helfen. Vorläufig noch nicht! Und wenn Sie fortfahren, in dieſer Weiſe die Geiſter zu verwirren, wenn Sie fortfahren, in dieſer Form Zwietracht zu ſäen, dann werden wir die Hoff nung auf die Weltrevolution, die Hoffnung auf die Solidarität der Völker und damit die Beſeitigung jeder Knechtſchaft noch lange zurückſtellen müſſen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr Hertz: Daß wir mit unſeren Aus⸗ führungen nicht den Beifall der übrigen Parteien finden würden, war uns von vornherein klar; dar⸗ auf rechnen wir auch nicht. Wir haben auch unſere Aufgabe entgegen den Erwartungen, die hier aus⸗ geſprochen ſind, nicht ſo aufzufaſſen, als wenn wir hier nur zur Einigkeit beizutragen hätten. Wir haben dem Ausdruck zu geben, was unſere Wähler, was die Maſſe des Proletariats von uns verlangt. Und wenn Herr Horlitz meint, unſere Ausführun⸗ igen würden ja nur dazu beitragen, hier Uneiniakeit und Zwietracht zu ſäen, ſo habe ich auch hierauf noch einmal zu erklären, daß wir uns nicht danach rich⸗ ten können, was die Herren von der rechtsſozialiſt: ſchen Fraktion an Wahrheiten nicht vertragen können. Im übrigen will ich gegenüber den Ausfüh⸗ rungen des Herrn Horlitz, von denen jeder, der ſich mit den politiſchen Dingen beſchäftigt hat, weiß. daß ſie auf durchaus falſchen Vorausſetzungen und allergrößten Unrichtigkeiten beruhen, (Lachen.) nichts weiter ſagen. Ich will Ihnen nur erklären, daß wir die Meinung der Fraktion der Rechtsſo⸗ zialiſten, daß ſie Noske zu allergrößtem Danke ver⸗ pflichtet ſeien, der Bevölkerung nach Gebühr unter⸗ breiten werden. (Sehr richtig! bei den unabhängigen Sozial⸗ demokraten) Und da wir uns in dieſer Frage mit einem großen Teil der rechtsſozialiſtiſchen Mitglieder in Ueber⸗ einſtimmung befinden, (Sehr richtig! bei den unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) die erſt neulich dieſen wiedererſtandenen Militaris⸗ mus für alle Friedensbedingungen verantwortlich A Herrn Horlitz im allergrößten den Kran. gemacht haben, D ich ſagen: wir ſind mit den] unabhangigen Sozial⸗ 225 und wir als praktiſche Männer haben niemals Ver⸗ trauen zu den Theoretikern gehabt. Es hat ſich bis jetzt erwieſen, daß wir es nicht haben durften. Einem ausländiſchen Theoretiker hat das deutſche Volk einmal geglaubt, und dieſer eine Theoretiker hat es belogen. An dieſes Beiſpiel hätte ſich Herr Dr. Hertz halten ſollen und er hätte die Lehre daraus ziehen können, wie weit Theorie von Praxis ent⸗ fernt iſt. Nun ſagt Herr Dr Hertz: Wir ſind unſchuldig wie ein Lamm, wir ſind die einzigen, denen man glauben wird, denn wir ſind rein wie ein weißes Tuch! Herr Ur Hertz wird ſich vielleicht dann aber auch erinnern müſſen, wenn er in ſich geht, daß ein großer Teil ſeiner Führer ſeinerzeit für die Kriegs⸗ fredite und damit für den Krieg geſtimmt hat und erſt ins andere Lager übergegangen iſt, als ſich die Situation geändert hatte. Das war kein Zeichen großer Charakterſtärke, und von dieſer Seite deſehen ſieht die Sache auch durchaus anders aus. Meine Damen und Herren, wem ſollen wir denn vertrauen? Herr Dr Hertz ſagt: Vertraut uns, denn nur unſere Stimme wird gehört werden, hier und auch drüben im Ausland, auf uns hört heute die ganze Welt. Darauf kann ich ihm erwidern: Mag die Welt, namentlich das feindliche Ausland, Ihnen horchen, wir haben kein Vertrauen zu den theoreti⸗ ſchen Ausführungen, die Sie heute hier gemacht haben, und erſt recht nicht zu Ihren Genoſſen im Auslande und deren Hilfe. Und wenn der Herr Kollege weiter erklärt, daß das, was kommen würde, Tauſende von Toten er⸗ fordern werde, ſo gebe ich ihm zur Antwort: Tauſende von Toten und Auswanderern werden Sie auf Ihr Gewiſſen laden, wenn Sie auf Ihrem Standpunkt beharren. Aber einſt wird kommen dies irae, der Tag des Zornes, und Sie werden für das, was Sie jetzt begangen haben, zur Rechen⸗ ſchaft gezogen werden. Meine Damen und Herren, ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir voll und ganz jedes Wort unſeres verehrten Herrn Oberbürger⸗ meiſters unterſchreiben. (Bravo!) Vorſteher Dr Vorchardt: Ich habe ferner mit⸗ zuteilen, daß ausgelegt werden 10 Einbürgerungsgeſuche, eine Zuſchrift des Gemeindebeamtenverban⸗ des Charlottenburg betr. Offenlegung der Perſonalakten, ein Schreiben des Charlottenburger Haus⸗ und Grundbeſttzervereins betr. Kommu⸗ naliſierung der Lebensmittelverſorgung, ein Schreiben der Wwe. Adeline Müller, hier, enthaltend Beſchwerden über verſchiedene Maßnahmen der Verwaltung, ein Geſuch der Schweſter Ladendorff, hier, 4 um Gewährung von Teuerungszulagen, ein Schreiben der Berliner Vorortgemein⸗ im Kreiſe Teltow betr. Gemeinde⸗ ung von Groß⸗Berlin. 25