238 Sitzung am 14 Mai 1919 Muſik in ihrer Bedeutung etwas höher als Herr Dr Löwenſtein, wenn er ſagt, ſie bedeute nur einen überaus kleinen Ausſchnitt aus all den Möglich⸗ keiten, wiſſenſchaftlich und künſtleriſch auf das Volk einzuwirken. Ich halte dieſen Ausſchnitt doch für ſerheblich arößer, als Herr IDr Löwenſtein das zu tun ſcheint. Was ſchließlich die Muſeumsbeſuche, den Zeichenunterricht und dieſe Angelegenheiten angeht, ſo ſind meine Freunde auch von der Notwendigkeit, hier gerade für die der Schule Entwachſenen mehr zu leiſten, als bisher geſchehen iſt, vollſtändig über⸗ zeugt, und um das praktiſch zum Ausdruck zu bringen, haben wir einen Weg gewählt, den vielleicht auch die Freunde des Herrn Ir Löwenſtein wählen können, und der ſich mit einer Anreauna, die Herr Kollege Skaller hier gegeben hat, deckt. Wir wollen in die zu bildende Deputation denſelben Vertreter entſenden, den wir in der Kunſtdeputation haben, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, daß wir wünſchen, daß die Tätigkeit dieſer beiden Depu⸗ tationen ſich nach aleichen Richtungen bewege und eine Verbindung dieſer Tätigkeit in Zukunft möglich werde. Ich glaube, wenn ſo allgemein verfahren würde, dann würden wir vielen Wünſchen des Herrn I)r Löwenſtein Rechnung tragen, und wir könnten auch, wenn wir dieſer Magiſtratsvorlage zuſtimmen, ſicher ſein, daß die, wie ich glaube, von allen Kreiſen der Stadtverordnetenverſammlung vertretenen Wünſche nach einer tieferen Bildung unſerer Volks⸗ angehörigen volle Erfüllung finden. Stadtv. Dr Luther: Meine Freunde und ich begreifen vollſtändig die Erwägungen, die der Ma⸗ giſtrat angeſtellt hat, daß er dieſe Vorlagen gerade ſo gegeben hat. Wir ſind ſelbſtverſtändlich mit Ihnen allen einig, daß wir eine vertiefte Volksbildung wünſchen. Aber wir entſinnen uns doch, daß die Geſchichte der Volksbildung nicht von geſtern iſt, ſondern ſchon Jahrzehnte umſpannt, und da hat ſich gerade vom Geſichtspunkt der Arbeitsfähigkeit aus deutlich herausgeſtellt, daß man das Gebiet der miſſenſchaftlichen Vorträge und des intellektuellen Ar⸗ beitens auf der einen Seite immer von dem des künſtleriſchen Formens und Bildens auf der anderen Seite ſcheiden ſoll. Darum hat der Herr Oberbürger⸗ meiſter durchaus recht, wenn er darauf drängt, daß man dieſe beiden Gebiete nicht in eine Deputation buingen ſoll; dann iſt dieſe Deputation nicht arbeits⸗ fähig. Wiſſenſchaftliche Vorträge und die Bildung des Verſtandes, die durch ſie herbeigeführt werden ſoll, fordern an ſich ſo außerordentlich anderes wie das Betonen der künſtleriſchen Erziehung. Wir haben ja eine Geſellſchaft für Volksbildung in Berlin, die manchem von Ihnen vielleicht vertraut iſt. Sie eriſtiert ſeit Jahrzehnten, und wer ihre Arbeit kennt, der weiß, daß ſie ſeit Jahren beide Pferde geritten hat, ſich aber ſelber unglücklich dabei fühlt, weil ſie nicht beide Pferde gleichmäßig gut zu reiten imſtande t. Darum ſind wir durchaus dafür, daß die ſi wiſſenſchaftlichen Vorträge in der Weiſe, wie das hier iſt. angedeutet iſt, in reichlichem Maße au werden, daß aber die neue Volkserziehung treibt, und das iſt durchaus e anderes als die intellektuelle Fortbildung des Volkes, für die wir ſelbſtverſtändlich mit der gleichen eintreten. Bitte, laſſen Sie es um der Arbei Sgeſtaltet Deputation künſtleriſche ei ſähigteit der neuen Deputation willen ſo, wie die Vorlage des Magiſtrats es gewünſcht hat. Stadtv. Dr Löwenſtein: Darin ſtimmen wir wohl alle überein, daß wir praktiſche Arbeit und möglichſt bald reichliche praktiſche Arbeit leiſten wollen. Von dieſem Geſichtspunkt aus bin ich auch damit einverſtandem — und meine Freunde werden auch damit eimverſtanden ſein —, daß die künſtle⸗ riſche Deputation jetzt als eine Sonderdepumation ins Leben gerufen wird. Daneben muß ich aber hier⸗ noch ausdrücklich betonen, daß die bisherige Deputa⸗ tion des Fortbildungsſchulweſens für die erweiterten und vertieften Anſprüche, die wir an die Auslildung des Volkes — im weiteſten Sinne des Volkes ſtellen, durchaus nicht genügt, und daß wir eine Vor⸗ lage vom Magiſtrat erwarten, die uns dieſe Depu⸗ tation in viel größerem Umfange und in Selb tän⸗ digkeit, nicht als ein Anhüngſel der Fortbildungs⸗ ſchuldeputation in Zukunft bringen wird. au der jetzt vorgeſchlagenen Deputation einiges! Ich war durch die Ausführungen des Magiſtrats da⸗ zu gekommen, daß es ſich hauptſächlich um muſika⸗ liſche Veranſtaltungen handeln ſoll, da dieſe ja außer⸗ gewöhnlich hervorgehoben ſind: es heißt hier: in er⸗ ſter Linie muſikaliſche Veranſtaltungen. Ich kann alſo durchaus ſagen, daß die Magiſtratsvorlage dieſen Verdacht hervorruft. Ich bin allerdings bei aller Würdigung der Ausbildung durch das Ohr über den erzieheriſchen Wert, den künſtleriſche Veranſtaltungen mufikaliſcher Natur für einen großen Teil der Men⸗ ſchen haben, durchaus mit dem Kollegen Otto einver⸗ ſtanden. Aber ich weiß. daß ein anderer großer Teil der Menſchen durchaus nicht jenes beſondere Vermö⸗ gen hat, das zur mufikaliſchen Ausbildung nötig iſt, und daß dieſer Teil der Menſchheit ſeine Werte kün Aeriſcher und erzieheriſcher Natur viel mehr aus dem zieht, was ſich ihm kinetiſch und viſuell durch das Auge darbietet, und das iſt durchaus, wie meine pſychologiſchen Unterſuchungen erwieſen haben, kein geringer Teil. Rein von dieſem Geſichtspunkt aus habe ich die muſikaliſchen Darbietungen als einen kleinen Teil der geſamten Ausbildung angeſehen. Nur eins möchte ich immer betonen, was bis⸗ lang am meiſten bei aller Volksbildung überſehen worden iſt: man hat das Volk, das man ausbilden will, am wenigſten gefragt und bei ſeiner Ausfüh⸗ rung mitraten und mirtaten laſſen. Daran krankt ſehr vieles bei der Volksbildung, die von dem Hoch⸗ mut beſeſſen iſt, dem Volk etwas zutragen zu wollen, an dem es ſich ergötzen, erfreuen und aufrichten ſoll. Man hat den alten Grundſatz Peſtalozzis nicht be⸗ achtet, daß alle Bedürfniſſe künſtleriſcher Natur aus dem Menſchen ſelber herauskommen müſſen, daß das Bedürfnis geweckt werden, daß es ſich geſtalten Und aus dieſem Geſichtspunkt legen wi Wert darauf, daß auch bei der künſ tation, die hier gebildet werden rutierten nicht nur S Hinſicht eder ſ