240 Sitzung am 14. Mai 1919 bereien nichts zu tun. Ich will auch nicht etwa be⸗ antragen, daß dieſe Vorlage noch einmal dem Aus⸗ ſchuß überwieſen wird, um eine Nachprüfung wegen des Ausſcheidens vieler Mitglieder zu veranlaſſen. Aber das eine bitte ich, der Magiſtrat möge darauf achten, daß antiſemitiſche Strömungen im Jugend⸗ heim nicht unterlaufen. Stadtv. Otto: Die Ausführungen, die Herr Lr. Rothholz ſoeben gemacht hat, hat er in der Ver⸗ fammlung ſeiner Freunde nicht gemacht. (Hört! hört! und Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Ich nehme keinen Anſtand, zu erklären, daß wir durch dieſe Ausführungen unſererſeits nicht gerade angenehm überraſcht worden ſind. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Dieſe Ausführungen hat Herr Kollege Dr Rothholz nur für ſeine Perſon gemacht, und ich habe im Namen der überwiegenden Mehrheit meiner Freunde zu erklären, daß wir aus dem Umſtande, daß Fräu⸗ lein von Gierke der Deutſch⸗nationalen Partei an⸗ gehört und ſie auch als Abgeordnete in der Deutſchen Nationalverſammlung vertritt, nicht die geringſte Veranlaſſung herleiten, in ihre Leitung des Jugend⸗ heims irgendwelches Mißtrauen zu ſetzen. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Im Gegenteil, wir haben nach dem Bericht, der uns über die Ausſchußverhandlungen gegeben iſt, uns überzeugt, daß zu einem ſolchen Mißtrauen keine Veranlaſſung vorliegt. Wir müſſen deshalb Herrn Dr. Rothholz die Verantwortung für ſeine Ausfüh⸗ rungen rein perſönlich überlaſſen. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Stadtv. Dr. Luther: Ich freue mich außeror⸗ dentlich der Erklärung des Herrn Kollegen Otto, muß aber im Namen meiner Freunde auf dieſer Seite des Hauſes feſtſtellen, daß zwar Herr Kollege Rothholz geſagt hat, es wäre keine politiſche Schnüffelei, die er beginge, daß es tatſächlich aber eine politiſche Schnüffelei geweſen iſt, die außerdem geradezu an ſtarke perſönliche Taktloſigkeit grenzt. Hätte Herr Dr Rothholz getan, was ihm freiſtand, ſich nach den Erörterungen im Ausſchuſſe zu erkun⸗ digen, dann hätte er von jedem Mitgliede des Aus⸗ ſchuſſes erfahren können, daß dieſe angeblichen anti⸗ ſemitiſchen Strömungen eingehend beſprochen wor⸗ den ſind und jedes Mitglied ſich überzeugt hat, daß auch nicht ein Stücklein von Beweis dafür irgenwie Darum bedauern wir es erbracht worden iſt. außerordentlich, daß Herr Dr Rothholz hier in aller Oeffentlichkeit eine ſo viel getan hat, anzugreifen gewagt hat. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Stadw. vr Koſenſeld: Es iſt von Dr Rothholz bemängelt worden, daß ich ſo weni aus dem Inhalt der Auseinanderſetzungen innerhalb na des Ausſchnſes hier varhehracht babe. Ich efſentlicht hochſtehende Perſönlichkeit, die für die Stadt Charlottenburg außerordentlich geglaubt — und nach meiner Kenntnis der Ver⸗ hältniſſe iſt das richtig —, daß Einzelheiten der Er⸗ örterung in ſolchen Kommiſſionen hier nicht mit⸗ zuteilen ſeien, ſondern daß im weſentlichen nur das Ergebnis hier vorzubringen iſt. (Sehr richtig!) Im übrigen kann ich auch nur beſtätigen, was eben von Herrn Kollegen Dr Luther angeführt iſt: es entſpricht durchaus den Tatſachen, daß auch dieſe Vorwürfe, die Herr Dr. Rothholz ſich hier zu eigen gemacht hat, von uns innerhalb der Kommiſſion in ausgiebiger Debatte geprüft worden ſind und daß wir dabei zu dem Ergebnis gekommen ſind, daß, wenn auch vielleicht von einzelnen Mitgliedern, die dort im Jugendheim tätig waren oder ſind, einmal oder mehrere Male Aeußerungen judenfeindlicher Natur gefallen ſind, doch das Inſtitut als Ganzes und insbeſondere die Leiterin hierfür nicht verantwortlich gemacht werden könnte und verantwortlich zu machen iſt, und das um ſo weniger, als dieſen Einzeläuße⸗ rungen Tatſachen gegenüberſtehen, die zweifellos dafür jprechen, daß eine judenfeindliche Tendenz oder irgendeine parteipolitiſche Tendenz in der An⸗ ſtalt nicht zum Ausdruck kommt. Es iſt feſtgeſtellt, daß von 90 Angeſtellten 16 jüdiſcher Abſtammung und daß unter 100 Beſuchern des Kindergärtnerinnen⸗ ſeminars 30 jüdiſcher Abſtammung ſind. Dieſe Tat⸗ ſachen ſcheinen mir erheblicher zu ſein als einzelne Aeußerungen. Aus dieſem Grunde dürfte auch ein „Vorwurf nach dieſer Richtung nicht ins Gewicht fallend und beachtlich erſcheinen. Stadtv. Dr Hertz: Auch ich kann für meine Freunde erklären, daß wir die Ausführungen des Herrn I)r. Rothholz nicht für berechtigt anerkennen. Wir mißbilligen jede Handlung, die die politiſche Meinungsfreiheit irgendeines Menſchen beein⸗ trächtigt. Aber ich kann doch nicht umhin, daran zu erinnern, daß es uns als wünſchenswert erſcheint, wenn dieſer hier von den übrigen, insbeſondere auch von den Rechtsſtehenden anerkannte Grundſatz für die Folge auch uns gegenüber angewendot wird. Stadtv. Dr Rothholz: Meine Herrſchaften! Ich habe ausdrücklich hervorgehoben, daß ein großer Teil der Mitglieder des Jugendheims abgeſprungen iſt. Ich halte es für notwendig, das hier in der Debatte zu erwähnen. Wenn Herr Kollege Otto mich hier desavouiert hat, ſo tut es mir leid. Ich halte aber vollkommen aufrecht, was ich von der Deutſch⸗nationalen Partei Meinung aller meiner Parteifreunde kampfe Flugblätter antiſemitiſchen Inhalts erlaſſen worden ſin